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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)


Eine mächtige Leistung ist die Figur der Kaiserin. Dem Künstler war die Richtschnur gegeben, sie „zwischen dem 30. und 35. Lebensjahre“ zu zeigen, „das Antlitz der Burg zugewendet“. Es mochte nicht leicht sein, eine sitzende Frau – Zumbusch hatte sich freiwillig entschieden, sie thronend anzubringen – mit imposanter Feierlichkeit und doch mit weiblicher Grazie auszustatten. Ein eigener Sockel dient dem Throne zur Grundlage, er ist mit den Inschriften geschmückt. „Maria Theresia“ und „Errichtet von Franz Joseph I. 1888“. Die Kaiserin streckt die Rechte aus wie zur Begrüßung, die Linke hält das Scepter; auf dem Schoße liegt eine Rolle, die pragmatische Sanktion, das berühmte Dokument, mit welchem Kaiser Karl VI. die Erbfolge zu Gunsten seiner Tochter umgestaltete und regelte. Macht und Liebreiz zugleich umstrahlen die Stirn der hohen Frau. Ihr Name erweckt Erinnerung an ihre Tugenden, an ihre edlen Eigenschaften, um diese aber doppelt sicher in das Gedächtnis der Nachwelt zurückzurufen, hat Zumbusch zu Füßen der Kaiserin, an den vier Ecken des Hauptaufbaues entsprechende Allegorien einen Platz finden lassen: Milde, Gerechtigkeit, Weisheit und Kraft.

Die angeführten Persönlichkeiten sind mit Porträttreue wiedergegeben; aber eine solche lag nicht in dem eigentlichen Zwecke des Denkmals, das namentlich auf einige Entfernung zu wirken hat und dieser Bestimmung in tadelloser Weise entspricht.

Ein Lob der Aerzte. Sehr viel haben sich die Aerzte und Mediziner von den Satirikern und Lustspieldichtern aller Zeiten gefallen lassen müssen, und Molière ist noch nicht der schlimmste, der ihnen am Zeuge geflickt hat. Bis in die neueste Zeit hinein sind die Meister und Jünger der Heilkunde ein Stichblatt der Satire geworden. Da macht es einen überraschenden Eindruck wenn wir das begeisterte Lob der Aerzte lesen, das eine namhafte Schriftstellerin ihnen spendet:

„Ich meine, wir können im allgemeinen die heldenhafte Hingebung der Aerzte nicht hoch genug veranschlagen, und in der großen Masse sieht man darüber, wie über die großen täglichen Wunder, viel zu achtlos weg. Man ist’s gewöhnt, so vieler Größe zu begegnen; man denkt, es muß so sein. mir aber kommen die Aerzte immer wie die größten Helden, wie die modernen Heiligen vor; denn was that der herrliche edle Carlo Borromeo, was wahre Aerzte nicht thäten wie er?

Gewiß, es setzt Todesverachtung, es setzt sittlichen Idealismus und Vaterlandsliebe voraus, seine Brust dem Feinde darzubieten und unter klingendem Spiel in der Mitte von Tausenden den todbringenden Batterien, dem Ansturm der Regimenter muthig zu begegnen, aber es ist nicht an allen Tagen jedes Jahres Krieg, und die Gemeinschaft mit anderen ist eine erhebende Kraft. Es werden auch im Kriege schweigend Heldenthaten verrichtet, bei denen der einzelne still seinem wahrscheinlichen Untergang ins Auge zu blicken hat, und ich bin weit davon entfernt, den Werth des kriegerischen Heldenthums zu unterschätzen. Indeß, wenn der Soldat sich auch beständig vorzubereiten hat für seinen kriegerischen Beruf, er hat ihn nicht lebenslang, nicht alltäglich auszuüben; er hat Jahre und Jahre unangefochten sicheren Lebensgenusses für sich und mit den Seinen.

Aber jahraus, jahrein bei Tag und bei Nacht bereit zu sein für fremde Hilfe, mitten aus dem Kreise von Frau und Kindern, mitten aus dem oft so nöthigen und so ersehnten Schlafe der Nacht hinausgerufen zu werden und hinzugehen durch die schweigenden Straßen in die entlegensten Quartiere und sich nicht fragen zu dürfen: welche Art von Vergiftung ist es, die Dir dort droht? Welch ein Elend trägst Du vielleicht in der nächsten Stunde, nicht für Dich allein hinweg, sondern hinüber zu denen, die Dir werther sind, als Du Dir selbst? Nicht zurückzuschrecken vor der Berührung dessen, was alle andern, wenn sie’s können, fliehen: das ist mir immer als das Höchste erschienen, was die menschliche Selbstverleugnung zu leisten vermag – und unsere Aerzte leisten es mit der Unbefangenheit des Selbstverständlichen. Ja, ihre Familien werden in diesem Sinne heroisch mit ihnen. Sie gewöhnen sich daran, die Kranken als die Hauptsache zu betrachten, sie gewöhnen sich daran, zu sehen, wie die schwere Sorge um die Kranken den Gatten, den Vater hinnimmt; sie gewöhnen sich, ihn zu theilen mit seinem Beruf und diesem den Löwenantheil zufallen zu sehen.

‚Was aus uns wird, ist Fritz ganz gleichgültig, wenn’s seinen Kranken nur gut geht,‘ sagte einmal scherzend die Frau eines unserer ersten Aerzte zu mir, dessen Familienleben als ein Muster gelten kann. Aber es war ein Korn von Wahrheit in dem Scherze.

Wenn ich sie so vorüberfahren sehe, die kleinen Kabriolets der älteren Aerzte, wenn ich die jungen Aerzte eifrig in jedem Wetter, ihrer selbst nicht achtend, durch die Straßen eilen sehe, Schmerzen zu lindern und wenigstens Trost zu bringen durch ihr Kommen, wo sie mit bitterem Schmerze fühlen, daß sie nicht helfen können, so blicke ich mit der größten Verehrung zu den Alten wie zu den Jungen hin, und oftmals frage ich mich, wenn ich ihnen begegne: von welchem Elend kommen sie jetzt? Der Beruf des Arztes, wenn er recht erfaßt und ergriffen wird, dünkt mir der schwerste und höchste. Es ist ein Beruf, der das Wesen des Menschen über sich selbst hinaushebt; es ist ein erhabener Beruf!“

So schreibt Fanny Lewald in ihren „Zwölf Bildern nach dem Leben“.

Ein merkwürdiger Telegraph im 18. Jahrhundert. Im Jahre 1744 erschien bei Phil. Wilhelm Stock in Frankfurt am Main und Leipzig ein Werkchen „Eröffnung unterschiedlicher Heimlichkeiten der Natur, Worbey Viel scharfsinnige, kluge, wohlerwogene Reden von nützlichen und Jedermann dienlichen Dingen … beygefüget“ etc., das eine Menge wunderlicher Geschichten enthält, die theils Fabeln sind, theils auf Thatsachen beruhen, welche die Zeitgenossen in großes Staunen versetzten. Zu den letzteren gehört ein auf S. 134 des Werkchens beschriebener Apparat. Er bestand aus zwei runden Büchsen, „darauf das ABC abgetheile und mit solcher Kunst gemacht gewesen, daß wann man den einen Zeiger aus dem Mittelpunkt auf das A oder B gerücket, sich zugleich auch der Zeiger der anderen Büchse so an einem davon entlegenen Ort ebenso künstlich zugerichtet gewesen, auf eben diese Buchstaben von sich selbst gewendet, also daß man mit einen. Abwesenden ohne Wort oder Schrift reden könne.“ Leider ist nicht angegeben, wer der Erfinder dieses Telegraphenapparates war und ebenso der Mechanismus nicht erklärt. Man betrachtete denselben, wie es scheint, lediglich als Kuriosität, dem keinerlei praktische Bedeutung zukomme, da er so gänzlich wieder in Vergessenheit gerieth.

Ein Schädelthurm. Ein Bauwerk aus so eigenthümlichem Material, erinnernd an die von dem grimmen Timur aufgerichtete Schädelpyramide, befindet sich in Serbien unweit der Stadt Nisch. In seinem großen, mit Illustrationen reich ausgestatteten Werke „Serbien und die Serben“ (Leipzig, Elischer) welches überdem eine Fälle statistischen Materials enthält, berichtet Spiridion Gopcevic, daß dieser Schädelthurm sich eine Viertelstunde vor der Stadt auf der Straße nach Pirot befinde. Er ist viereckig, heute etwa 5 Meter hoch und bestand aus Reihen eingemauerter Todtenköpfe, jede Reihe zu 17 Schädeln, so daß sich deren Gesammtzahl aus 952 belief. Die Köpfe rührten von den unglücklichen Gefährten des serbischen Helden Singjelic her, der sich bei Verteidigung der Schanze Cegar unweit Kamenica am 31. Mai 1809 mit den Türken in die Luft sprengte. Der Pascha von Nisch ließ aus den Köpfen der gefallenen Serben diesen Thurm, die Cele-Kula genannt, errichten. schon vor 1877 hatten fromme Serben, wenn sie es heimlich thun konnten, den einen oder den andern der eingemauerten Schädel herausgekratzt und begraben. Nach der Eroberung von Nisch durch die Serben trieb man die vermeintliche Vaterlandsliebe soweit, alle Schädel herauszulösen und als Reliquien im Hause aufzustellen. Dadurch ist die Kula ihres Hauptschmuckes beraubt und Serbien um ein Denkmal ärmer geworben, welches den Nachkommen stets in Erinnerung gebracht hätte, was ihre Väter für die Freiheit gethan und ihre Vorfahren unter der türkischen Fremdherrschaft gelitten hatten.

Schach-Aufgabe Nr. 10.
Von W. Steinmann in Parchim.

Weiß zieht an und setzt mit dem vierten Zuge matt.


Auflösung der Schach-Aufgabe Nr. 9 auf S. 452:
Weiß:   Schwarz:   Weiß:   Schwarz:
1. S g 3 – e 2 S h 6 – f 5! a) 1. . . . . . L e 1 – b 6:
2. S f 2 – e 4 beliebig. 2. D c 8 – b 7: † beliebig.
3. D, S, B setzt matt. 3. D resp. S setzt matt.

a)Dieser Zug widerlegt die beiden Drohspiele (2. D b 7: † oder 2. D d 7 †) und ermöglicht das Springeropfer auf e 4. Recht fein pointiert!


Kleiner Briefkasten
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

F. in Frankfurt a. M. Witwe W. in Rauenthal theilt uns eine Anekdote aus dem Leben des seligen Kaisers Friedrich mit, welche einen neuen Beleg für seine volksfreundliche Jovialität giebt. Im Jahre 1872 sah sie den Kronprinzen und die Kronprinzessin in ihrem Hotel und bereitete den hohen Gästen ein Mittagessen. Der Kronprinz war bei heiterster Laune und lachte oft herzlich. Als zum Dessert als Mehlspeise eine große gutgerathene Omelette servirt wurde, sagte er: „Geht einmal, da kommt ein großer Landauflauf!“ Kurz vorher waren für das Speisezimmer die Bilder des Kaisers Wilhelm und des Kronprinzen Friedrich Wilhelm in wohlgetroffenem Oeldruck ziemlich groß mit schönem breiten Goldrahmen angeschafft worden. Der Kronprinz stellte sich vor sein Bild, legte der Kellnerin, einem jungen hübschen Mädchen, echt Rauenthaler Berg, seine Hand auf die Schulter und sagte: „Da schauen Sie einmal, sehe ich denn dem da ähnlich?“ Settchen betrachtete die vor ihr stehende herrliche Männergestalt von oben bis unten, dann antwortete sie: „Herr Kronprinz, so gefallen Sie mir viel besser, als auf dem Bild; so sind Sie viel schöner.” Da wendete sich der Prinz heiter an seine Gemahlin und sagte: „Siehst Du, liebe Frau, daß ich den jungen Mädchen noch sehr gut gefalle!“ Diese Züge von Leutseligkeit und Herzensgüte bestätigen in hübscher Weise Ihre Auffassung des Charakters unseres verewigten Kaisers.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 484. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_484.jpg&oldid=- (Version vom 5.12.2020)