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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

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Die Alpenfee.
Roman von E. Werner.
(Fortsetzung.)

Endlich wurde die Tafel aufgehoben und man kehrte in die Gesellschaftsräume zurück; die Stimmung war zwangloser und heiterer geworden. Es bildeten sich überall einzelne Gruppen, das Lachen und Plaudern klang lauter und die ganze Gesellschaft wogte und fluthete so durch einander, daß es schwer ward, jemand darin aufzusuchen. Das mußte Oberregierungsrath Ernsthausen zu seinem tiefsten Aerger erfahren; sein Fräulein Tochter hatte sich vorläufig unauffindbar gemacht.

Ernst Waltenberg hatte seine Dame nach dem Wintergarten geführt und saß, die lebhafte Unterhaltung von vorhin fortsetzend, an ihrer Seite, als das Brautpaar eintrat. Wolfgang stutzte einen Moment, als er die beiden erblickte; dann verneigte er sich kühl gegen Waltenberg, der von seinem Sitze aufsprang, um der jungen Braut Platz zu machen, und sagte:

„Alice klagt über Ermüdung und wünschte den stilleren Wintergarten aufzusuchen – wir stören doch nicht?“

„Wen?“ fragte Erna ruhig.

„Sie und Herrn Waltenberg. Sie waren ja in so lebhafter Unterhaltung und wir würden sehr bedauern –“

Statt aller Antwort ergriff Erna die Hand ihrer Kousine und zog sie an ihre Seite.

„Du hast recht, Alice, Du mußt Dich erholen; es ist selbst für stärkere Naturen, als Du es bist, eine Aufgabe, der Mittelpunkt eines solchen Festes zu sein.“

„Ich wollte mich nur auf einige Minuten zurückziehen,“ sagte Alice, die in der That etwas angegriffen aussah. „Aber wir scheinen wirklich gestört zu haben; Herr Waltenberg war mitten in einer gewiß sehr interessanten Schilderung und brach plötzlich ab, als wir eintraten.“

„Ich sprach von meinem letzten Aufenthalt in Indien,“ erklärte Waltenberg, „und ich habe die Gelegenheit benutzt, Baroneß Thurgau eine Bitte vorzutragen, die ich auch an Sie richten möchte, gnädiges Fräulein. Ich habe im Laufe der zehn Jahre, die ich fern von Europa zubrachte, eine Menge fremdländischer Schätze gesammelt. Sie wurden gelegentlich nach Hause gesandt und jetzt ist ein förmliches Museum daraus geworden, das ich eben von kundiger Hand ordnen und ausstellen lasse. Darf ich mir einmal den Besuch der Damen erbitten? Selbstverständlich auch den Ihrigen, Herr Elmhorst! Ich glaube Ihnen manches Interessante zeigen zu können.“

„Ich fürchte nur, daß meine Zeit es nicht erlauben wird, Ihrer freundlichen Einladung zu folgen,“ entgegnete Elmhorst mit einer Artigkeit, die etwas Eisiges


Hungrige Gäste. Originalzeichnung von E. Ravel.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 501. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_501.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)