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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Bei schlechtem und kaltem Wetter sind es die künftigen Herren der Schöpfung, welche ihre Abhärtung zum Nachtheile ihrer Gesundheit zeigen wollen; Regenschirme und Ueberzieher werden als sehr überflüssige Gegenstände des kindlichen Haushaltes betrachtet, völlig durchnäßt gelangen sie oft in der Schule an. Der Lehrer ist vollständig berechtigt, derartige Kinder nach Hause zurückzuschicken. Nasse Kleider leiten die Eigenwärme des Körpers leichter fort, das Kind sitzt fröstelnd an seinem Platze. Um ein Paar nasse wollene Strümpfe an den Füßen zu trocknen, ist so viel Wärme erforderlich, als nöthig ist, ½ Pfund Eis zum Schmelzen zu bringen – für ein blutarmes Kind eine Unmöglichkeit; die kalten Füße drängen das Blut nach anderen Organen und Erkältungen sind die Folge. Aus diesem Grunde muß der Lehrer energisch gegen das Spötteln der Mitschüler ankämpfen, wenn zarte Kinder vor der Stunde ihre Strümpfe wechseln; sie können dieselben in einer kleinen Blechkapsel leicht in der Schultasche mit sich führen. Das Tragen der Gummischuhe ist nur dann den Füßen durch Behinderung der Ausdünstung nachtheilig, wenn dieselben länger anbehalten werden als nöthig; für den Schulweg aber verschaffen sie einen warmen Fuß und es kostet dem Lehrer nur zwei Kommandoworte, um bei schlechtem Wetter an ihr Ablegen zu erinnern. Die Mäntel und Regenschirme werden gewöhnlich im Klassenzimmer abgelegt. Die Haken dafür sind so anzuordnen, daß die Regenschirme getrennt von den Kleidern hängen, um deren Innenfläche nicht zu befeuchten. Der Lehrer muß sich den Einrichtungen seines Schulgebäudes fügen, die Anregung zu kleineren Abänderungen zum Wohle seiner Schüler sollte aber von jeder Schulbehörde dankbar angenommen werden.




Aus dem Leben eines nachgiebigen Gesellen.
Von Fr. Helbig. Mit Illustrationen von Fritz Bergen.

Den vielen nichtigen Dingen dieser Erde, die keinen selbständigen, auf den Schmuck, den Genuß, die Bequemlichkeit des Menschenlebens gerichteten Daseinszweck haben, sondern nur im niederen Dienste eines anderen höheren Zweckes stehen, ist nicht am letzten der Korkpfropfen zuzuzählen; er, der bloß berufen erscheint, das Amt eines Pförtners für die Behausung eines großen Herrn flüssigen Charakters zu vertreten, und der, wenn dieser seinen Bann durchbrochen hat, verächtlich zur Seite geworfen wird. Und doch ist dieser kleine, äußerst nachgiebige Geselle von einem nicht gewöhnlichen Herkommen. Er hat erst eine Reise übers Meer gemacht, ehe er den deutschen Boden betrat, stammt er doch aus jenem schönen Lande, wo sich nach des Dichters Wort

„bei der Zither Tönen
Jeder Fuß beflügelt schwingt,
Und der Knabe mit der Schönen
Glühend den Fandango schlingt.“

Und doch ist er wieder kein Fremdling, denn er hat die ganze Heimlichkeit des deutschen Hauses genossen. Dort hat er seine Form und Gestalt erhalten. Er ist auch nicht von heute und gestern, hat vielmehr schon ein langes Leben hinter sich, ehe er den Charakter seiner Brauchbarkeit erlangte. Zudem ist er an und für sich ein Kunstwerk, denn er ist kein Produkt willenloser Maschinenkraft, sondern ein Erzeugniß der von dem Willen regierten, formenden Menschenhand.

Die Benutzung des Korkholzes als Verschlußmittel dürfte wohl erst seit dem fünfzehnten Jahrhundert datiren. Ehe man die Eigenart des Korkholzes, die durch kein anderes Material in gleichem Maße ersetzt wird, kannte, war man auf weit sprödere Stoffe angewiesen. So ist auch die Korkindustrie in Deutschland noch keine sehr alte. Die rührige Handelsstadt Bremen war es wohl, welche zuerst das Korkholz aus seiner südlichen Heimath auf dem Seewege nach Deutschland einführte und seine Bearbeitung zu Industriezwecken anregte. Wir schließen dies aus einem Bericht im Oldenburger Staatskalender vom Jahre 1789, dem zufolge schon im Anfang des vorigen Jahrhunderts in Stuhr, einem oldenburgischen Dorfe, etwa eine Meile von der Stadt Bremen entfernt, auf Rechnung eines Bremer Kaufmanns, Namens Hensch, das „Pfropfenschneiden“ betrieben wurde.

Von Stuhr aus verbreitete sich die Industrie dann weiter im oldenburgischen Flachlande, indem sie sich zugleich von der Bremer Abhängigkeit befreite. So wurde durch Friedrich Cordes, der beim Kaufmann Hensch Unterricht in der Pfropfenschneiderei erhalten hatte, in Hasbergen bei Delmenhorst bald eine Korkschneiderei auf eigene Rechnung gegründet. Im Jahre 1789 arbeiteten die Gebrüder Cordes mit 26 Personen – ein Geschäftsumfang, der für die damaligen schlichten Verhältnisse schon etwas besagen will. Bald darauf entstanden, ebenfalls aus kleineren Anfängen hervorgehend, neue für eigene Rechnung arbeitende Korkschneidereien, unter anderen die von Lürssen in Hasbergen und wohl noch etwas später die von Müller in Bremen. Nachdem im Verlaufe der letzten dreißig Jahre sämmtliche Geschäfte von Hasbergen nach dem gewerbreicheren, an der Straße von Bremen nach Oldenburg belegenen Delmenhorst übersiedelten, wurde der Hauptsitz der deutschen Korkindustrie nach diesem jetzt etwa 6000 Einwohner zählenden Städtchen verlegt und ebendaselbst besitzt auch heute noch ein Nachkomme jener Cordes eines der größeren Korkfabrikgeschäfte unter der Firma „Cordes und Ellgaß“.

Auf dem Wege nach einem norddeutschen Seebade hielten wir in dem vielfach schon einen holländischen Charakter tragenden halb städtischen, halb ländlichen Orte, der uns Mitteldeutschen durch die eigenthümliche Bauart seiner meist nur aus einem hohen Giebel mit Parterregeschoß bestehenden Häuser auffällt, kurze Einkehr und hatten da Gelegenheit, in der genannten Fabrik uns über die Specialitäten der Pfropfenindustrie unterrichten zu lassen.

Eine solche Korkfabrik hat äußerlich wenig Imponirendes. Es finden sich da weder die großen Arbeitssäle mit ihren langen, einförmigen Fensterfronten, noch die himmelanstrebenden mächtigen Dampfessen, nicht das pustende Geräusch keuchender Dampfmaschinen noch das Rasseln des Rädergetriebes. Die Thätigkeit in der Fabrik selbst beschränkt sich, abgesehen von dem rein kaufmännischen Theile des Geschäfts, fast lediglich auf das Sortiren und Verpacken der von den Arbeitern in die Fabrik abgelieferten Korke. Aber schon das Rohmaterial, mit welchem die Fabrik arbeitet, das Korkholz, hat, wenn es den deutschen Boden betritt, eine Vorgeschichte, ja es ist sogar bereits durch eine Fabrik hindurchgegangen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 656. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_656.jpg&oldid=- (Version vom 13.5.2018)