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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

beimessen darf, da ich ihren Geschmack in europäischer Küche erprobt habe, noch ein Gericht für Götter sein, die sich schon an Nektar und Ambrosia fast gesättigt haben.

Genau so verhält es sich mit den übrigen Thierklassen. Aber ehe ich auf diese näher eingehe, sei es mir erlaubt, eine Zwischenbemerkung einzuschalten.

Mannigfaltigkeit ist nicht immer Verbesserung; Einförmigkeit schließt nicht nothwendig nur niedere Sorten ein.

Es existirt wohl ein Gegensatz zwischen Wasser und Land in Beziehung auf Genüsse der Nahrung und man kann fast, unbeschadet des Ruhmes unserer gemäßigten Klimate, den Satz aufstellen, daß die Wärme die schmackhafteren Landprodukte, die Kühle die vorzüglicheren Nährstoffe des Wassers erzeugt.

Man kann streiten über mancherlei Anwendungen dieses Satzes; es mag manche Ausnahme geben, aber im allgemeinen wird er wohl seine Geltung haben.

Für das Pflanzenreich ist er wohl unbestreitbar. Unsere Aepfel sind vortrefflich, unsere Birnen ausgezeichnet – sie halten nicht Stand gegen die Königin aller Früchte, die Ananas und tausend andere Erzengnisse, nach denen die Kolonisten sich sehnen, nachdem sie einmal davon gekostet und sich an das Aroma gewöhnt haben, das ihnen eignet.

Nicht minder gilt der Satz für das Meer und die süßen Gewässer. Es giebt nur wenige Fische im Mittelmeer, welche es an Wohlgeschmack mit den nordischen Stock- und Schellfischen aufnehmen können; die Familie der Forellen, Lachse und Maränen, diese hochadelige Familie ist nur im Norden und den kälteren gemäßigten Zonen heimisch; die Fische des Nils, so mannigfach in ihren Gestalten, munden nur den Arabern und den Fellahs. Vergleicht man zwei verwandte Arten derselben Fischgattung aus verschiedenen Meeren, so wird man stets finden, daß diejenige Art, welche die nordische im Süden vertritt, wenn sie auch vielleicht reicher gefärbt, schöner gestaltet ist, doch hinsichtlich des Geschmackes dem nordischen Vetter weit nachsteht.

Bei manchen Thierklassen lassen sich solche Vergleiche deshalb gar nicht anstellen, weil sie in dem Norden entweder gänzlich fehlen oder so verkümmern, daß sie nicht als Nahrung in Betracht kommen können.

So war es mit den Schildkröten, von welchen wir früher sprachen, so verhält es sich mit den Krokodilen, Eidechsen, Schlangen, Fröschen und Molchen.

Der protestantische Europäer wendet sich im allgemeinen mit Abscheu von allen diesen Thieren ab; der Katholik liebt mit vollem Rechte die Frösche als Fastenspeise, und zwar ißt er im Norden nur die Schenkel derselben, während er im Süden den ganzen abgehäuteten und ausgeweideten Frosch sich schmecken läßt. Wo die beiden Konfessionen einander berühren oder durchdringen, hat der Frosch auch protestantisches Gebiet erobert. Auch die Nationalität spielt mit hinein – unter gleichen Verhältnissen wird der Franzose Frösche essen, der Engländer nicht, und die Anrede jenes englischen Generals ist bekannt:

„Wollt Ihr Engländer, die Ihr alle Tage Roastbeef eßt, Euch von diesen Froschessern schlagen lassen?“

Als ich im Sommer 1835 zum ersten Male als Flüchtling französischen Boden im Elsaß und zwar in Straßburg betrat, wunderte ich mich nicht wenig über die pittoreske Krönung der Festungswälle in den Nachmittagsstunden. In Reihen saßen die Rothhosen auf dem Gesimse und angelten mit langen Rohrstengeln, an deren Schnüren feine Haken mit rothen Läppchen geködert waren, nach den Fröschen in den Festungsgräben. Aber die Straßburger Frösche waren meist sehr gewitzigt; sie saßen reihenweise am entgegengesetzten Ufer des breiten Grabens gegen das Glacis hin, wohin die Soldaten mit ihren Ruthen nicht gelangen konnten, und quakten ihre Verfolger etwas höhnisch an. Die Frösche wußten offenbar sehr wohl, daß die Angler die Thore der Festung nicht passiren durften.

Nicht minder maßlos war mein Erstaunen, als einer meiner Schicksalsgenossen, der die gemeinsame Flüchtlingsmenage zu besorgen hatte, eines Tages mit mehreren Sprenkeln zu je fünfzig Beinpaaren vom Markte kam: „die Froschschenkel seien heute sehr billig gewesen!“ Ich unterdrückte mannhaft einige Regung von Ekel, als die Dinge, appetitlich gebraten, auf den Tisch kamen, erinnerte mich einiger Sprichwörter, wie „Prüfet alles und das Beste behaltet!“ oder „Was der Bauer nicht kennt, das frißt er nicht“, und da ich kein Bauer sein wollte, prüfte ich und war von dieser Zeit für Froschschenkel, nicht nur als galvanische Instrumente, sondern auch als Nahrungsmittel eingenommen.

So weit es in den südlichen Klimaten Erdfrösche von der Größe unserer Teich- und Grasfrösche giebt, wird ihnen auch eifrig nachgestellte; die Ochsenfrösche der Vereinigten Staaten Nordamerikas, die bis zu 300 Gramm schwer werden können, sind von der östlichen Küste bis zu dem Mississippi hin eine gesuchte Jagdbeute, denn man angelt und fängt sie nicht nur in Netzen und Fellen, sondern schießt sie auch, wie die kleineren Entenarten. Die Kröten aber werden nirgends angerührt und ebenso wenig habe ich gehört oder gelesen, daß die doch sonst so appetitlich aussehenden Laubfrösche, die in den Tropengegenden oft sich in Scharen unter den Dächern der Häuser zusammenfinden und durch den Höllenlärm, den sie machen, eine wahre Nachtplage werden, von den ihres Schlafes beraubten, rachgierigen Bewohnern zur Strafe verzehrt worden seien. Wohl aber giebt es zwei Wassermolche, die zur lokalen Ernährung dienen und beide auch in anderer Beziehung wohl allzuwenig bekannt sind.

Die eine Art ist der japanische Riesenmolch (Cryptobranchus maximus), ein wirklich scheußlich häßliches Thier, das bis anderthalb Meter lang werden kann. Der bekannte Erforscher Japans, Ph. F. v. Siebold, entdeckte das Thier in den südlichen Gebirgsgegenden der Insel Nipon und brachte ein Exemplar, ein Männchen, im Jahre 1820 nach Lehden, wo es, wenn ich nicht irre, noch heute lebt. Siebold besaß ein Pärchen, aber der liebende Gatte fraß sein Weibchen während der Ueberfahrt auf. Das Thier lebt in klaren Gebirgswässern, in Höhen bis zu 1500 Fuß über dem Meere, ist außerordentlich träge, schnappt aber gierig nach Fischen und Würmern. Als Siebold in Japan reiste, war es noch ein beliebtes Wild, dem man mit der Angel eifrig nachstellte, um es auf die Märkte zu bringen. Heute haben Museen und Aquarien die größte Mühe, sich Exemplare zu verschaffen, und es ist mehr als wahrscheinlich, daß das seltsame Thier, dessen Skelett auffallend demjenigen eines in den Oeninger Steinbrüchen gefundenen und von Scheuchzer für ein vorsündfluthliches Menschenkind gehaltenen fossilen Molches gleicht, in nicht langer Zeit wird ausgerottet sein.

Gleiches Schicksal würde vielleicht den Axolotl (Siredon pisciformis) bedrohen, wenn nicht das wissenschaftliche Europa sich ins Mittel gelegt und ihn in großen Mengen gezüchtet hätte und noch züchtete.

Als die Spanier unter Cortez die Stadt Mexiko eroberten, fanden sie den dortigen Markt mit eigenthümlichen Fischen aus dem die Stadt umgebenden See befahren, welche eine schuppenlose, schwarz- und braungefleckte Haut und vier Füße hatten wie die Eidechsen, deren Zehen aber nagellos waren, wie bei den Fröschen. Das Thier, meint der Chronist Hernandez, habe seinen mexikanischen Namen, welcher Wasserspiel bedeute, von der seltsamen, lächerlichen Gestalt erhalten. Wer einmal einen Axolotl gesehen, wird das dunkel gefärbte Thier mit dem platten, breiten Kopfe, den kleinen Augen, den schwarzen Kiemenbüscheln hinter dem Kopfe, den hellfarbigen, winzigen Füßen, dem plumpen Leibe und breitgedrückten Ruderschwanze sehr häßlich, aber gewiß nicht lächerlich finden. Aber das Fleisch schmeckte gut, ähnlich dem der Aale, und man bereitete den Axolotl wie andere Fische, man kochte, schmorte und briet ihn, stets mit viel Gewürz und spanischem Pfeffer, wie dies in heißen Klimaten üblich. Die Spanier nahmen ihn sofort unter die Fastenspeisen auf, und da der Axolotl nur im See von Mexiko vorkam, richtete man nicht geringe Verheerungen unter ihnen an. Zu Humboldts Zeiten waren sie schon seltener geworden; doch konnte Cuvier an zwei Exemplaren in Weingeist, die Humboldt ihm brachte, feststellen, daß das Thier zwar die Organisation einer Molchlarve habe, aber doch ein fortpflanzungsfähiges Wesen sei. Vor zwanzig Jahren kamen zum ersten Male lebende Axolotls nach Paris, legten Eier, die auskrochen, und einige der Jungen verwandelten sich später in Erdmolche ohne Kiemen, die man schon vorher aus Amerika erhalten hatte. Nun war begreiflicherweise des Versuchens, Züchtens und Pröbelns an dem Thiere, das merkwürdigerweise sich unter beiden Gestalten, als Larve und als Salamander fortpflanzt, kein Ende und heutzutage leben in Aquarien und Teichen Europas ganz gewiß mehr Axolotl als in dem ganzen See von Mexiko. Einer meiner Freunde in Genf hatte ihrer genug gezüchtet, um eines

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 675. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_675.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)