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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

aber sie hob den Blick nicht von der Mappe und ihre Stimme verrieth auch nicht das mindeste Interesse an der verheißenen Ueberraschung.

„Merkwürdig, daß er Dir so oft schreibt, obgleich er Dich täglich sieht!“ meinte Alice, die allerdings an solche Aufmerksamkeiten seitens ihres Verlobten nicht gewöhnt war. „Und dabei überschüttet er Dich förmlich mit Blumen; mir scheint nur, Du bist sehr wenig dankbar dafür.“

„Ich fürchte, daran trägt Ernst selbst die Schuld,“ war die ruhige Antwort. „Er verwöhnt mich allzu sehr und ich lasse mich nur zu leicht verwöhnen.“

„Ja, ich finde auch, daß etwas Uebertriebenes in seinen Huldigungen liegt,“ warf Alice ein. „Mir kommt seine Liebe immer vor wie ein Feuer, vor dem man sich in Acht nehmen muß, das mehr brennt als leuchtet.“

„Er ist nun einmal eine außergewöhnliche Natur,“ sagte Erna. „Man darf ihn nicht mit dem Maßstabe anderer messen, und das habe ich auch nie gethan. Glaube mir, Alice, man kann viel, kann alles ertragen, wenn man voll und glühend geliebt wird.“

Sie legte den Zeichenstift nieder und blickte wie träumend in die Ferne hinaus. Es hatte doch einen eigenthümlichen Klang, das Wort „ertragen“, und es wurde auch durch kein Lächeln gemildert. Ueberhaupt trat der Zug von Ernst und Kälte in dem Gesichte der jungen Braut schärfer hervor und in ihren Augen lag etwas, was sich nicht nennen und beschreiben ließ, aber von Glück sprach es nicht!

In dem kurzen Schweigen, das nun eintrat, hörte man das Rollen eines Wagens, der vorn am Hause vorfuhr. Erna bebte leise zusammen; sie wußte ja, wer kam, wenn man auch von hier aus den Weg nicht übersehen konnte. Langsam schloß sie die Mappe und erhob sich; aber noch ehe sie die Veranda verließ, flog eine junge Dame herein, die sie mit einer stürmischen Umarmung förmlich überfiel und sich dann ebenso stürmisch zu Alice wandte.

„Wally, Du bist es!“ riefen beide wie aus einem Munde.

Es war wirklich Frau Doktor Gersdorf, die vor ihnen stand, rosig, lachend und übermüthig wie gewöhnlich, und hinter ihr wurde Ernst Waltenberg sichtbar, dem man die Freude über die gelungene Ueberraschung ansah.

„Ja, ich bin’s leibhaftig!“ sagte die kleine Frau. „Albert hat in Heilborn einen unendlich langweiligen Prozeß zu führen, und da bin ich natürlich mitgegangen. Man muß dem armen Manne seine Dienstreisen doch einigermaßen erträglich machen. Ich gehe überhaupt immer mit, wenn es irgendwie möglich ist. Ich glaube, wenn es ihm einfiele, den Montblanc oder den Himalaya zu erklettern, so würde ich mich aufopfern und mitklettern. Gott sei Dank, daß er nicht daran denkt, denn da oben giebt es keine Prozesse zu führen, und er ist ein entsetzlicher Aktenmensch. Nun, und wie geht es Euch denn hier? Ihr seid ja ganz verschollen für die Residenz! Eigentlich braucht man gar nicht zu fragen, denn Alice blüht wie eine Rose und Erna macht jedenfalls schon Pläne für die Hochzeitsreise. Wohin geht es denn zunächst? Nach den Südseeinseln oder nach dem Nordpol? Ich meinestheils würde mich für die Südsee entscheiden, die Temperatur ist dort angenehmer.“

Und nach dieser aus Fragen und Erzählen gemischten Begrüßungsrede, die ohne jede Pause vorgetragen wurde, warf sich die junge Frau in einen Sessel und erklärte, sie sei so müde, daß sie überhaupt kein Wort sprechen könne.

Ernst war nach der ersten allgemeinen Begrüßung zu seiner Braut getreten und überreichte ihr einen Strauß köstlicher, fremdartiger Blumen, die aus irgend einem Treibhause stammten, farbenprächtige Blüthen, welche einen berauschenden Duft ausströmten.

„Habe ich Wort gehalten?“ fragte er, auf Wally deutend. „Ich hatte schon gestern mit Albert die Ueberraschung geplant und wußte, in dieser Begleitung würde ich willkommen sein.“

„Das bist Du ja doch immer!“ entgegnete Erna, indem sie mit freundlichem Danke den Strauß in Empfang nahm.

„Immer?“ wiederholte er, während ein herber Ausdruck um seine Lippen zuckte. „Wirklich? Bisweilen zweifle ich daran.“

„Aber Ernst, ich bitte Dich!“


Alarmirung der Feuerwehr.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 697. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_697.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)