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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

verließ er die sächsische Residenzstadt wegen dort „gemachter übler Erfahrungen“ und siedelte nach Berlin über, woher er 14 Tage später zwei Thaler an seine Mutter schickte. Von da soll ihn eine Strikebewegung nach Hamburg getrieben haben, das er, wahrscheinlich um auszuwandern, verlassen hat. Schmidt war ein strebsamer, intelligenter Arbeiter seines Faches; die Mutter, welche große Stücke auf ihren Sohn hält, lebt der festen Überzeugung, daß sie mit Hilfe dieses Aufrufs in der „Gartenlaube“ ihren verlorenen Sohn wiederfinden werde.

154) Der Küfergeselle Michael Kohl, geb. 1. Febr. 1862 in Koblenz, wandte am 14. Dez. 1886 seinem Heimathsort den Rücken. Wohin sich derselbe begeben, der seiner Eltern einziges Kind ist, hat trotz der eifrigsten Nachforschungen und erlassenen Aufrufe nicht ermittelt werden können. Der Vater nimmt in tiefer Betrübniß an, daß, wenn sein Sohn nicht verunglückt ist, derselbe unter Führung eines anderen Namens in die französische Fremdenlegion oder in die holländische Armee eingetreten ist. Ermittelungen bei den deutschen Gesandtschaften in Paris und Rotterdam hatten keinen Erfolg.

155) Der Matrose Julius Wilhelm Ferdinand Wiedekowsky, geb. 18. Januar 1831 zu Wollin in Pommern, schiffte sich im Jahre 1847 von Stettin nach Livorno ein und unternahm später die Reise nach China, wo er seit Jahren in Lotsendiensten stehen soll. Die letzte Nachricht kam im Jahre 1848 von Livorno. Wiedekowsky wird von seiner Schwester gesucht.

156) Der Webermeister Emil Eugen Rudolf Streubel, geboren 24. Sept. 1868 zu Braunau in Böhmen, von Statur mittelgroß, dabei schlank; Haltung nach vorn geneigt, das Gesicht regelmäßig, Augen blau und groß, Brauen schön, das Kopfhaar lichtbraun und sehr üppig, die Vorderzähne des Oberkiefers etwas nach auswärts gebogen, Sprache in leisem Thone, ist verschollen. Als er am 30. August 1885 das Elternhaus verließ, hatte er unter anderem eine silberne Ankeruhr mit Kette und einen goldenen, nicht gravirten Siegelring bei sich. Er gab an, nach Reichenberg fahren zu wollen, um dort Garderobe, Bücher etc. einzukaufen. Seitdem ist Streubel verschollen. Die Ungewißheit über das Schicksal des jungen Mannes lastet schwer auf der Familie.

157) Der Schreiner und Bergmann Friedrich Wilhelm Steinhauer, geb. 5. Sept. 1853 zu Bergneustadt, Kr. Gummersbach, wollte Pfingsten 1874 nach Mülheim a. d. Ruhr, um in einer Kohlengrube für Tagelohn zu arbeiten. Einige Tage darauf jedoch schrieb er aus Holland in einem Brief, daß er es vorziehe, sich der ihm bevorstehenden Militärdienstzeit durch die Flucht zu entziehen. Seine Mutter, jetzt eine alte und kränkliche Frau, warnte ihn in einem Brief, der aber unbeantwortet blieb. Die letzte Nachricht traf dann vor etwa 11 Jahren aus Holland und Belgien ein, laut derselben wollte der Verschollene nach der Türkei.

158) Ohne daß seine Angehörigen eine Ahnung davon hatten, verließ der stud. phil. Tilemann Wiarda aus Emden am 14. Dez. 1885 Jena. Die bekümmerte Mütter richtet an jeden, der etwas über das Schicksal ihres Sohnes weiß, die herzliche Bitte, der „Gartenlaube“ Nachricht zu geben.

159) Der Maschinentechniker Robert Götze, welcher 1. Mai 1856 in Döben bei Grimma in Sachsen geboren wurde und die letzte Nachricht vor etwa 5¼ Jahren aus Baku am Kaspischen Meere dem Seelsorger seines Geburtsortes gegeben hat, wird von seinen Eltern gesucht. „Seine kranke Mutter möchte vor ihrem Ende doch wissen, unter welchem Himmelsstrich ihr Sohn lebt.“

160) Nathan Nathan, genannt Ludwig Hauser, geb. 16. Febr. 1854 zu Wollstein in Posen, schrieb vor ungefähr drei Jahren aus Perth (Australien), daß er Inhaber eines Pfandleihhauses und Garderobegeschäftes sei, daß es ihm gut gehe und er beabsichtige, im Jahre 1887 nach Berlin zu kommen. Seitdem fehlt Jede Nachricht von Nathan, der sich auch in Berlin noch nicht hat sehen lassen. Die Mutter des Verschollenen hat sich verschiedene Male an das deutsche Konsulat in Perth gewendet, aber nichts in Erfahrung bringen können.

161) Eine ganze Familie gesucht! Ernst Groeßt, Handarbeiter und Bäcker, geb. 16. Juli 1856 zu Berlin, wanderte nebst Frau und Töchterchen im Mai 1883 nach Brasilien aus und hielt sich längere Zeit in Bahia, Para und zuletzt in Rio de Janeiro auf, wo sie „4 Rua da Alfandega“ wohnten. Seit beinahe 3 Jahren ist der besorgten Mutter des Mannes, die sich nach einer Mittheilung über ihre Kinder und ihr Enkelchen sehnt, keine Nachricht mehr zugekommen.

162) Carl Gustav Alfred Püschel, geb. zu Niederhermsdorf bei Waldenburg, Regb. Breslau am 26. August 1861, begann seine Laufbahn als Seemann auf der norweg. Bark „Appia“; seine Reisen führten ihn nach Nordamerika, Norwegen, Rangun in Hinterindien, England etc. Die letzte Nachricht kam aus Philadelphia im August 1881. Der Gesuchte hat sich dann zu wiederholten Malen bei Verwandten um die Adresse seiner inzwischen nach Brasilien ausgewanderten Eltern bemüht, dieselbe aber nicht erhalten können. Die Eltern, die das erst später erfuhren, haben nun der „Gartenlaube“ ihren Aufenthaltsort angegeben und bitten ihren Sohn inständigst, ihn da zu erfragen und ihnen baldigst zu schreiben.

163) Am 1. Nov. 1886 verließ die Messerschmiedsfrau Wilhelmine Peter geb. Nölting aus Steinbach in S.-Meiningen, geb. 28. Jan. 1837 zu Großenberkel b. Hameln, ihre Wohnung und ist bis heute noch nicht zurückgekehrt. Sie ist von Statur mittel, die Haare schwarz, Nase spitz, der Mund klein. Die Verschollene war tiefsinnig angelegt und schon früher oft Monate lang von Hause weg, indem sie mit Messern hausirte. Im Dezember 1886 soll sie sich noch in Cassel aufgehalten haben, aber alle Aufrufe in verschiedenen Zeitungen haben sie nicht nach Hause zurückgeführt.

164) Heinrich Tannert, Friseur und Barbier, geb. 11. Juni 1851 zu Trautenau in Böhmen, schloß im Juni 1887 sein Friseurgeschäft, dem er in Zürich vorstand, und sandte noch von dort eine Kiste mit Geschäftsutensilien an seine Kinder ab. Seit dieser Zeit sind keine Nachrichten mehr von ihm gekommen. Schon im Jahre 1884 ging der Verschollene nach New York und soll sich dort ein Bürgerpapier (?) haben ausstellen lassen, das er später wieder zu gebrauchen hoffte. Mittel kann Tannert bei seinem Weggang von Zürich kaum gehabt haben; trotzdem kam von anderer Seite die Nachricht, der Verschollene habe nach Australien gehen wollen. Nachforschungen dort aber haben festgestellt, daß der Name „Tannert“ in den Auswandererlisten nicht vorkommt.

165) Die beiden Brüder, der Maurergeselle Johannes nunmehr 78 und der Schmiedegeselle Georg Schölpple 64 Jahre alt, geb. zu Scharnhausen bei Stuttgart, sind in den Jahren 1844/46 nach Amerika ausgewandert; Johannes nebst Frau und Kindern, Georg noch unverheirathet. Der in Leipzig lebende Bruder bittet dringend um Nachricht über den Verbleib der Verschollenen.

Eine Ehrenrettung der Schwiegermütter. Die Schwiegermütter sind jedenfalls besser als ihr Ruf, aber in allen Zeiten sind sie bei den Dichtern, besonders bei den satirischen, schlecht weggekommen. Selbst ein berühmter Redner wie Cicero sprach sich in einer sehr unholden Weise über die Schwiegermütter aus: „Man kann nicht zu gleicher Zeit sich mit der Philosophie und mit einem Weibe befassen, geschweige denn mit zwei Weibern, wovon das eine eine Schwiegermutter ist! Ich muß annehmen, daß Ihr mein größtes Unglück wünschet; denn obschon es viele Leiden giebt, womit die sterblichen Menschen von den unsterblichen Göttern heimgesucht werden, bin ich nach der Meinung meiner Väter gleichfalls der Ansicht, daß die Schwiegermutter das größte Unglück ist.“ Aehnlich sprach sich der Philosoph Seneca aus. Die spanischen Dichter sind überreich an boshaften Ausfällen gegen die Schwiegermütter; wir erinnern nur an das auch in Deutschland aufgeführte Lustspiel „Recept gegen Schwiegermütter“. Natürlich ist in den deutschen Lustspielschwänken die Schwiegermutter eine unvermeidliche Hauptperson; denn wenn den Dichtern der Humor ausgeht und sie doch noch einen Trumpf ausspielen wollen, so genügt ein satirischer auf die Schwiegermutter abgeschossener Pfeil, um die Sympathien des Publikums wieder zu gewinnen und ein beifälliges Gelächter hervorzurufen.

Eine reichhaltige Auswahl von Bosheiten, welche der erfinderische Witz der Dichter und Schriftsteller aller Völker den Schwiegermüttern gewidmet hat, findet sich in der kleinen Schrift von Dr. Adolf Kohut: „Das Buch von der Schwiegermutter“. Wir sind mit dem Verfasser darin einverstanden, daß diese Bosheiten, die sich sogar in volksthümlichen Sprichwörtern finden, weit übers Ziel hinausschießen und daß eine Ehrenrettung der Schwiegermütter wohl an der Zeit ist. Eine solche hat in dem genannten Buche unter anderem eine Schriftstellerin, Frau Silvia Brand, den Schwiegermüttern zutheil werden lassen: „Wer sollte so willig hereilen und die häuslichen Pflichten erledigen, wenn ein Dienstbote plötzlich den Laufpaß erhält? Doch nur die Schwiegermutter des Hausherrn. Wer sollte die schweren Krankendienste an seinem Bette verrichten, wer die Nachtwachen ohne Murren übernehmen; wer unterzöge sich so gern, so selbstlos der Mühe, dem ersten kleinen Schreihals, den der Storch ins Haus bringt, menschliche Manieren beizubringen; wer wird nicht müde, die Wiege zu hüten, wenn die junge Mutter aus ihrem Lager bleich und kraftlos die Augen zu wohlthätigem Schlummer schließt? Abermals die Schwiegermutter! Wen ruft man in den Stunden der Noth und Gefahr, wen zieht man in die bittersten Sorgen, in den Kampf um das tägliche Brot unbedenklich herein? Die Schwiegermutter. Wem schickt man die herangewachsenen Kinder in den Ferien, den Tagen, die Vater und Mutter aus Ausflügen und Erholungsreisen finden, zu? Der Schwiegermutter. Wem vertraut man das undankbare Amt an, dem unfolgsamen Sohn, der flatterhaften Tochter den Kopf zurechtzusetzen? Der Schwiegermutter. Mit einem Worte, in allen ernsten und heiklen Lagen des Lebens ist die Schwiegermutter gut genug. Erscheint sie aber einmal ungebeten, nicht programmmäßig, so wittert der dankbare Schwiegersohn sofort ein Unglück, Eingriffe in seine Rechte.“

Nach dieser glänzenden Ehrenrettung können die Schwiegermütter die Ausfälle der Komödie, der Witzpresse, der Anekdote ruhig über sich ergehen lassen.

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Bleiche Thierarten. Die Naturforscher suchen noch immer eifrig nach neuen Beweisen für die Begründung der Entwicklungstheorie, deren Grundzüge durch Darwin und seine Schule entworfen wurden, und ihre Bemühungen sind vielfach von Erfolg gekrönt worden. Wenn äußere Einflüsse Arten verändern und neue Thierformen hervorrufen sollen, so muß dies am deutlichsten vielleicht bei denjenigen Thieren zum Vorschein treten, welche durch irgend welchen Zufall aus der Erdoberfläche in die unterirdischen Höhlen und Gewässer eingewandert sind. In solchen Fällen sind die äußeren Einflüsse außerordentlich stark; hier waltet der denkbar größte Unterschied zwischen dem lichten Tag und der ewigen Nacht. Wir wußten längst, daß die Grotten und Höhlen eigenartige Thierformen beherbergen. Der Olm, der Grottenmolch der Krainer Kalksteinhöhlen, dürfte unter ihnen die bekannteste Thierart sein. Er ist bleich und blind, und einige Zeit hindurch glaubte man, daß ihm der Gesichtssinn vollständig fehle. Später fand man jedoch, daß unter der Haut desselben ein Auge versteckt ist, welches zwar verkümmert erscheint, aber dennoch die einzelnen Bestandtheile noch genau erkennen läßt; nur die Linse fehlt. Aus diesem Befunde schloß man, daß der Olm einst auf der Oberfläche der Erde gelebt und, nachdem er in die Höhlentiefen hinabgestiegen, die Hautfärbung und das Auge verloren habe. Der Schluß, wie gerechtfertigt er auch scheinen mochte, gab doch zu Zweifeln Anlaß, da keine Verwandten des Grottenmolches unter den lebenden Thieren nachgewiesen werden konnten.

In den letzten Jahren ist es jedoch gelungen, deutlichere Zeichen der Veränderungen von Thierarten unter dem Einfluß des Grottenlebens nachzuweisen, und eine interessante Zusammenstellung der bezüglichen Forschungsergebnisse wurde vor kurzem von der „Naturwissenschaftlichen Wochenschrift“ (Berlin, Verlag von Riemann und Möller) veröffentlicht.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 706. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_706.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2019)