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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

unter dem Zeichen des Palmbaumes Fürsten, Edelleute und Gelehrte vereinigt, um die deutsche Sprache von fremden Worten zu reinigen, die heimische Dichtung zu fördern. Und sie laden die Tugendlichen, welche das schlichte Walten der deutschen Frauen pflegen und zu Ehren bringen wollen. Ein hochverdienstliches Unternehmen dünkt uns diese Festivität.“

Die Lippen der jungen Herzogin schürzte ein muthwilliges Lächeln.

„Den Plan, die Palmgenossen einzuberufen, hat gewiß Herzog Albrecht gesponnen. Fremde Wörtlein ins Deutsche zu zwingen, ist sein liebstes Passeletemps.“

Achatius dachte bei sich: Eine erfahrene Dame hätte nicht sogleich den Namen des Kavaliers genannt, der um ihre Holdschaft warb; laut aber sagte er geschmeidig:

„Herzog Albrecht hat allerdings großen Eifer bewiesen, da das Fest geplant wurde. Doch glaube ich nicht, daß Hochderselbe allein an gelehrte Arbeit gedacht hat.“

Dorothea erröthete leise, fuhr aber dennoch fort zu fragen:

„So würde unser Vetter einem anmuthigen Zeitvertreib nicht abhold sein?“

Achatius sah sie erstaunt an. Das war eine sonderbare Frage für eine angehende Braut. Doch mit schmeichelnder Stimme sprach er: „Ich glaube, der anmuthigste von allen wird heiß ersehnt.“

Ein noch dunkleres Roth flog über ihr Antlitz. Aber in ihren Augen war ein Ausdruck, als folge sie einem weitabgelegenen Gedankengang.

„Warum hat Herzog Albrecht alsdann nicht lieber heitere Spiele in Aussicht genommen?“ setzte sie ihr Examen fort.

Holla! Wo wollte das hinaus? Sie wurde dem Hofmeister immer unverständlicher. Mühsam sammelte er sich zu der mit tiefer Verbeugung gegebenen Antwort:

„Weil Hochdemselben jetzo sehr ernst ums Herz ist.“

Sie wehte lebhafter, fast ein wenig ungeduldig mit der Feder, als wolle sie damit alle Weihrauchwölkchen, welche aus den Worten des Hofmeisters zu ihr aufstiegen, verjagen, um klaren Blick zu gewinnen. Dann fragte sie wie mit plötzlichem Entschluß:

„Glaubt Ihr, daß Damen und Kavaliere in Weimar zu finden wären, welche geschickt sind, Diskurse über zarte Gefühle zu führen gleich den Schäfern und Schäferinnen in der ,Astrea’?“

Achatius war gänzlich verblüfft. Sacre Dieu! Das fragte man ihn! Und zu welchem Zweck? Noch mehr auf seiner Hut antwortete er, doppeldeutig gleich einem alten Orakel und jungen Hofmann: „Eure fürstlichen Gnaden werden sich am besten durch eigene Prüfung überzeugen können, daß man in Weimar ebenso gut zärtliche Gefühle zu empfinden und darüber zu sprechen vermag wie an andern Orten.“

Die Frau Witwe hatte schon lange ihre Tochter mahnend angesehen. Jetzt schnitt sie ihr die weitere Rede ab, indem sie die Audienz beendete. „Ueberbringt Eurer Herrschaft Unseren freundlichen Gruß und Dank. Wenn nicht wetterwendische Tage die Wege grundlos machen, gedenken Wir der Einladung Folge zu geben.“

Achatius zog sich mit drei zierlichen Reverenzen zurück.

Die Herzoginnen erhoben sich. Ein leiser Wink der Frau Witwe entließ den Hofstaat.

Die fürstlichen Damen begaben sich allein in das Gemach der Frau Witwe.

„Was schreibt Ihre Liebden von Weimar?“ fragte Anna Maria, auf ihrem hohen Stuhl Platz nehmend.

Dorothea eilte nach einer Fensternische, die sie sich mit der Freiheit eines verzogenen Lieblings eingerichtet hatte. Zwischen Clavicymbel, Stickrahmen und Nähkästchen ließ sie sich nieder, erbrach den Brief und las:

„An die Freudige richtet die Demüthige ihren schwesterlichen Gruß und bittet sie, um ihres Bundesgelübdes willen bei ihr im Rautengärtlein einzukehren. Sie soll finden, was sie sich zum Sinnbild erkiest hat: ein Virginal, das sie meisterlich zu schlagen versteht, und ein Gläslein Wein, von dem die Bibel sagt: Er erfreut des Menschen Herz.“

Ein leises silberhelles Lachen kam über die Lippen Dorotheas. „Die gute Eleonore! Es ist ihr heiliger Ernst mit dem tugendlichen Bund. Wer wird diesmal das längste Hemd genäht haben? Nun, ich für mein Theil gedenke, gegen die ehrbare Langeweile mit diesem Hirtentäschlein zu Felde zu ziehen.“ Sie griff nach ihrem Stickrahmen, über den sich grüne Seide spannte. Ein rosenfarbiges Herz war in dieselbe gestickt, das zierliche Flämmlein zeigte.

„Du willst, die alamode Spielerei doch nicht mit nach Weimar nehmen?“ sagte die Frau Witwe. „Wenn mich nicht alles trügt, so ist Herzog Albrecht den französischen Bräuchen gram. Er zog nachdenklich die Brauen empor, als Du bei der Jagdtafel die Silberspitzen trugst, gegen welche die Geistlichen als eine zu große Ueppigkeit eifern, und sah Dich mahnend an, so Du ein französisches Wörtlein fliegen ließest.“

„Aber er sah mich doch an, und meine gnädige Mutter hat soeben gehört, er will mich wiedersehen,“ antwortete Dorothea übermüthig und zog einen Goldfaden durch die Nadel.

„Ja, er will Dich wiedersehen,“ sprach Anna Maria wie aufathmend. „Nimm nun die gute Stunde wahr! Zeige ihm, daß Du es vermagst, Dich seiner ernsten Lebensführung zu fügen.“

Dorothea hob eigenwillig das Köpfchen. „Es wird plaisirlicher sein, ihn zu unsrer heitren zu bekehren.“

Die Frau Witwe schüttelte seufzend das Haupt. „Ein Mann läßt sich nicht durch die Frau umwandeln. Nur aus höchsteigener Entschließung schlägt er zuweilen einen andern Weg ein. Steter Widerspruch aber erzürnt ihn und löscht die Liebe aus.“

„Meine gnädige Mutter wolle mir vergeben,“ erwiderte Dorothea mit heitrer Sicherheit, „wenn ich ihr entgegen die Hoffnung hege, daß durch kleine Disputationen eine wohlmeinende Affektion angefacht wird wie der Funke durch das Blasebälglein.“ Und sie stickte die Flammen noch einmal so lang und zackig.

Die Gedanken, die hinter der weißen darüber geneigten Stirn ihr Spiel trieben, waren nicht minder funkelnd und aufstutzig. Sie schoben die Warnungen der Herzogin-Mutter bei Seite, wie frisch aufsprießendes Laub das welke der vergangenen Zeit. In der Abgeschiedenheit der Dornburg war der gebeugten fürstlichen Witib die Welt fremd geworden.

O, Dorothea kannte sie besser. Sie wußte, daß die Zeit sich wendete. Wie die Morgenröthe die Gipfel der Berge zuerst küßt, so wurden allgemach die Fürstenhöfe von dem neuen schönen Leben ergriffen, das aus Frankreich stammte.

Eine Reihe heitrer Bilder gaukelte an ihrer Erinnerung vorüber.

Wie sie in Altenburg bei ihrem ältesten glücklich verheiratheten Bruder das Ballet der Paysans mittanzte, das ihre Schwägerin dem haushälterischen Gemahl abgeschmeichelt hatte, wie sie in Kassel der reizenden Landgräfin Agnes half, die französische Sprache am Hofe einzuführen, und in Köthen mit der Fürstin Amöna die Académie des vrais amis stiftete. O, und was hatte die alte kurfürstliche Witib ihr hinter dem Faltfächer zugeflüstert, als sie jüngst bei ihr zum Besuch auf der Lichtenburg weilte? Am Hofe der Pfalzgräfin Elisabeth werde jeglicher, der seine Rede nicht mit französischen Worten würze – mit Permission solle es gesagt sein – für einen unverständigen Esel verschrieen. Ueberall waren es die Damen, welche die französischen Bräuche einführten. Und mit Fug und Recht. Denn sie errangen durch selbige die hohe Stellung, die ihnen gebührte.

Während der Audienz war ihr die Offenbarung geworden, daß auch sie zu diesem Werk berufen war. Ihr fiel die Aufgabe zu, in Weimar, das noch im finsteren Thale lag, das neue Licht anzuzünden.

Für das Gewebe, das ihre Gedanken nun zu spinnen begannen, fand sie keine deutschen Worte. Alamode Praktiken, Intriguen und Finessen wirbelten durcheinander wie draußen die weißen Blüthenblättchen im Frühlingswind. Aber immer deutlicher trat aus denselben ein Bild hervor: ein hoher fürstlicher Herr, der sein vergoldetes Rappier gegen einen Schäferstab vertauscht hatte und seufzend mit einem Messerlein ein Madrigal an sie in die Baumrinde schnitt. –

Ihre Zuversicht hatte die Frau Witwe in ihren eigenen Ansichten schwankend gemacht. Wie alle Menschen, die nicht viel Glück gehabt haben, mißtraute Anna Marie ihrem Urtheil. Und doch lasteten das Hirtentäschlein und die kleinen Disputationen, mit denen Dorothea sich und den Herzog Albrecht erlustiren wollte, wie eine Sorge auf ihr.

Schwerer Gedanken voll trat sie an das andere Fenster.

Es war ein heitrer Frühlingstag. Flaumige Wolken segelten über den blauen Himmel hin. Die Schlehenbüsche an dem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 710. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_710.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)