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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Fenster der Festgemächer steht Herzog Albrecht und steht herüber.“

Dorotheas Augen funkelten triumphirend. „Heftet das golddurchwirkte Band an den Rock. Holt die Tulipanen! Nein, nicht in der Hand will ich sie tragen. Knüpft sie an das Band! Macht keine erstaunten Gesichter! Ihr wißt, wir lieben solche nicht bei unsren Dienerinnen. Wir befehlen es also. Auch die holde Schäferin Astrea trägt einen Blumenstrauß am Schäferbändchen.“

Sie ließ sich die goldgestickten Handschuhe überstreifen und rauschte endlich davon. Ein ungnädiger Blick der Frau Witwe empfing sie bei ihrem Eintritt. Abbittend, schmeichelnd küßte Dorothea ihr die Hand. Mit einem leisen Seufzer gab die fürstliche Mutter das Zeichen zum Aufbruch, und in aller Untertänigkeit schlug der Schloßhauptmann einen raschen Schritt an.

Drüben im Rautenkranzgemach waren schon alle Fürstlichkeiten versammelt. Die Dornburger Herrschaften traten als die letzten ein.

Während Herzog Wilhelm mit etwas bedenklich empor gezogenen Brauen die Frau Witwe begrüßte, glitt Dorotheas Blick scheinbar harmlos über die Anwesenden hin. Da stand Herzog Albrecht, nahe der Thür, ganz so, wie sie ihn seit gestern unaufhörlich vor Augen hatte, auf das vergoldete Rappier gestützt. Es war ersichtlich: er hatte ihrer geharrt, und nun begrüßte er sie mit tiefer Verbeugung.

Holdselig lächelnd versank sie auf einen Augenblick in die goldenen und silbernen Wogen ihres Gewandes. Dann aber rauschte sie mit rascher Wendung vorüber.

„Tirho!“ lachte der alte Herzog von Eisenach. „Geht der schmucke Vogel dem jungen Jäger durch das Garn? So wollen wir alter Waidmann einmal unser Heil versuchen.“ Und er vertrat ihr den Weg.

„Mein gnädiger Vetter ist dafür bekannt, daß er scheues Wild zutraulich zu machen versteht,“ erwiderte sie mit kindlichem Ausblick.

Er schüttelte pfiffig den Kopf. „Mein schönster Edelfalk setzt sich gewaltig in die Fittige, so ihm die Kappe übergezogen werden soll.“

„Sperr ihn ein und laß ihn fasten,“ brummte der Koburger dazwischen.

Dorothea schaute den verdrießlichen Herrn feindselig an „Streicheln Sie ihn lieber und füttern Sie ihn mit Zuckerbrot,“ rieth sie.

„Oder geben Sie ihm die Freiheit,“ sprach Herzog Ernst herzutretend. „Was der Zucht sich nicht fügt, soll man fliegen lassen.“

Dorothea wurde dunkelroth, und der Eisenacher Herzog brach in ein Gelächter aus zur Verwunderung der andern jagdverständigen Herren.

Dann warf er einen listigen Blick in die Tiefe des Gemaches. „Aber was müssen wir erleben? Herzog Albrecht hat unser Gemahl förmlich gestellt.“

Dorothea blickte sich um.

Bei der Herzogin Christine stand Albrecht halb abgewandt, daß sie nur den stolzen Schnitt seiner Züge zu sehen vermochte.

Und er änderte seine Haltung auch nicht, da sie plaudernd und scherzend sich durch die andren fürstlichen Herren und Damen näher an ihn heranwand.

Aufmerksam hörte er zu, wie die gelahrte Fürstin ihm von den feurigen Schweifen erzählte, welche die Kometen durch die Himmelsräume schleifen, statt auf den goldigen Schlepprock der schönen Dorothea zu achten, der um ihn herumknisterte.

Nunmehr ließ er sie warten – warten, bis das feine Korallenroth in ihre Wangen stieg.

Endlich wandte er sich ihr zu. Und als das junge Paar nun einander gegenüberstand in der Haltung, die dem Fürsten und der Fürstin geziemte, da sah den beiden niemand an, daß sie eben unter dem Schild höfischer Gravität den Spieß gegen einander gefällt hatten.

„Eure Gnaden erweisen den Tulipanen eine hohe Ehre, indem Sie selbige mit sich führen,“ sprach er mit dankender Neigung. „Und wahrlich,“ fuhr er lächelnd fort, „die leuchtenden Kelche sind alle erschlossen, obwohl ihre Sonne heute erst so spät aufgegangen ist.“

„Die schönen Blumen wägen und markten nicht,“ erwiderte sie ebenfalls lächelnd „Treu bleiben sie ihr zugewandt, wann auch sie ihnen erscheinen mag.“

„Hätten sie dafür nicht vielleicht verdient, am Herzen getragen zu werden, wie deutsche Frauen mit Blumen thun?“ warf er hin.

Sie strich liebkosend an dem Band herab zu den Tulpen. „Ist diese Art der alamoden Schäferinnen, das, was sie lieben, mit sich zu führen, nicht voll Gratia?“

Er sah ihr tief in die goldschimmernden Augen, als wollte er auf dem Grund ihrer Seele lesen. „Fremdes Wort und fremder Brauch. Vergessen Eure Gnaden nicht, daß wir hier sind, um die deutsche Sprache und die deutsche Sitte zu pflegen,“ sagte er sanft mahnend.

Sie warf das Köpfchen überhebend auf. „Ich bin nicht Palmgenoß.“

Er drehte voll guter Laune seinen Schnauzbart. „Darüber wollen wir von Herzen froh sein. Wären Eure Gnaden Mitglied des Palmenordens, so müßte ich Sie jetzt zur Hänselung nach dem Drehstuhl geleiten. Statt solcher Verdrießlichkeit bitte ich um die Huld, Sie zur Tafel führen zu dürfen.“

Er bot ihr mit tiefer Verneigung die Hand.

Trompetenfanfaren und Paukenwirhel tönten durch das Schloß. Sie riefen zur Tafel. Eine Bewegung entstand; jeglicher Herr suchte seine Partnerin. Der Zug ordnete sich. Die Pagen öffneten die vergoldeten Flügelthüren.

Unter dem Vortritt des Hofmarschalls und der andern Hofherren schritten die fürstlichen Herrschaften paarweise durch die tief sich neigenden und dann anschließenden Gäste nach dem Bankettsaal.

Es war ein prächtiges Bild, das sich hier entfaltete. Ein Thronhimmel von Purpursammet wölbte sich über der Tafel, um welche die Fürsten in Hermelinmänteln, die Fürstinnen, mit Perlenschnüren, Demantsternen und Smaragdkugeln geschmückt, sich reihten; Herren von Adel in bunten Atlaswämsern, hohe Räthe in schwarzer, silbergestickter Amtstracht, Offiziere mit der gelben Feldbinde traten an ihre Plätze; wie schimmernde Gewinde zogen sich die Frauen in gewässerten Moor- und geblümten Brokatröcken, goldene Röslein an den Hauben, um die besondren Tafeln, an denen sie untergebracht waren, damit sie nicht von angehumpten Herren molestirt werden konnten. Und am Tischlein im Winkel, wo die Stühle verkehrt gestellt waren, hockten die rothgekleideten Narren des Koburger Herzogs.

Die goldenen Pokale und krystallenen Becher blitzten auf dem Schenktisch; auf dem Pfeiferstuhl hielten die Musikanten die silbernen, mit Fähnlein und Quasten verzierten Trompeten, die von goldstoffnen Wappendecken behangenen Heerpauken bereit. Schaulustige Bürger Weimars in ihrem besten Sonntagsstaat füllten die Galerie.

Der Hofprediger im Ornat trat den Herrschaften gegenüber und sprach mit aufgehobenen Händen das Tischgebet. Die Finger mehr zum Staat denn zur Andacht in einander gelegt, stand Achatius neben der Stufe, welche zur Fürstentafel empor führte. Die frommen Worte gingen an seinem Ohr vorüber; in ihm kochte nur Groll und Rachegelüst.

„Kaltes Blut,“ sagte er sich, als das Amen ertönte. Erst kam der Dienst.

Die Pagen netzten den Herrschaften über silbernen Gießbecken die Hände. In anmuthiger Haltung trat Achatius mit der langen Handquehle heran und warf sie so geschickt, daß sie, aus einander flatternd, an den fürstlichen Personen vorüberflog und jegliche ein Stück davon zu fassen vermochte.

Der Hofmarschall lächelte zufrieden. Nicht an jedem Hof verstand man, diese Kunst so vollkommen zu üben.

Achatius war froh, daß seinen zitternden Händen das schwere Stücklein gelungen war.

Unter erneuten Fanfaren nahten in langem Zuge die Lakaien mit dem ersten Gang. Der Schmaus begann. Die fürsichtigen Leute griffen nach den gesottenen Eiern, welche von den Aerzten als Voressen empfohlen wurden; die Leckermäuler hielten sich an die Schnecken. Die Vorschneider, Hof- und Kammerjunker begannen ihr Werk. Achatius that sich abermals herfür. Er zerlegte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 743. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_743.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)