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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

lustige Delphine schäumte die Schar der Torpedoboote durch die blaue Fluth und jene Kolosse bewegten sich gleich zierlichen Tänzern.

Heer und Flotte Italiens hatten die große Probe bestanden, und Italiens Name wird fortan mit Achtung, mit höchster Achtung von dem Kaiser genannt, in aller Welt anerkannt werden.

Der Geschichtsforscher erinnert sich mit Lächeln der Zeit, nicht jener, wo ein deutscher Kaiser im Büßerhemd und barfuß von einem Papste gedemüthigt ward, sondern einer früheren, wo Deutschland ungestraft zur See beleidigt werden konnte.

Es war im Jahre 968. Im Palast des Nicephorus Phokas zu Konstantinopel gab es einen harten Wortstreit. Liudprand, Bischof von Cremona und Abgesandter des deutschen Kaisers Otto I., stand vor dem zornmüthigen Griechenkaiser, der ihn und seinen deutschen Herrn in schroffster, frechster Barbarenweise beleidigte.

„Sage Deinem Herrn, daß er in Ermangelung einer Flotte keine Herrschaft auf dem Meere ausübt. Ich allein habe eine Flotte, ich habe Seeleute, und kommt mich die Lust an, so werde ich mit ihnen seine Meerstädte angreifen und sie in Steinhaufen verwandeln …“

Und was ist heute der Orient? −

Und nun kam die Abreise. Himmel und Sonne hatten ihre Schuldigkeit gethan und hüllten sich aufs neue in ihr Herbstgewand.

Es war ein ernster, grauer, doch weicher Tag, der 18. Oktober, der Geburtstag seines unvergeßlichen Vaters, an dem der Kaiser Pompeji besuchte, um durch einen Blick in jene schweigende Vergangenheit das durch die überwältigende Herrlichkeit der letzten Tage berauschte und erregte Gemüth zu sammeln.

Ob er beim Anblick der in Ruinen liegenden Tempel und Häuser an unsere blonden Vorfahren dachte, da diese bei römischen Herren noch verachtete Thürsteherdienste versahen und jenen Kaisern als Leibwache dienten?

Die Nachkommen der alten italischen Völker, der König Humbert, dessen Bruder Amadeo, der Kronprinz standen ihm zur Seite als Freunde, als herzlich Verbündete; hoch über ihren Häuptern dampfte der Vesuv, ein Opferaltar, und drüben an der Station „Pompeji“, wo der Kaiser den Zug bestieg, um gen Norden zu fahren, schmiegten die deutschen und italienischen Fahnen sich eng ineinander und das dichtgescharte Volk schrie:

„Evviva la Germania, Evviva l’Italia, per sempre!“




Blätter und Blüthen.

Das Burgtheater in Wien. Mitte Oktober feierte die österreichische Kaiserstadt eine Reihe denkwürdiger Theatertage. Das alte Burgtheater, das seit etwa 112 Jahren im Dienste gestanden, wurde am 12. Oktober geschlossen, das neue am 14. Oktober eröffnet. Ein grellerer Gegensatz, als diese beiden Schauspielhäuser zu einander bilden, läßt sich unmöglich ersinnen. Im alten Hause nahm weder das verwitterte Gebäude, noch der Zuschauerraum, dessen einziger Schmuck acht einst vergoldete Sterne an der rauchgeschwärzter Decke waren, die Aufmerksamkeit des Publikums in Anspruch. Man hatte sich daselbst mit nichts als mit dem Stücke und dessen schauspielerischer Wiedergabe zu beschäftigen. Da überdies auch auf der Bühne bis zu Dingelstedts Zeit von einer schönen oder stilvollen Ausstattung keine Rede war, herrschte in diesem Musentempel das Wort mit unumschränkter Gewalt. Für das Auge war nichts gethan, dieses fand keine Gegenstände für etwaige Schaulust. Und Laube, der dem Burgtheater seine glanzvollste Epoche bereitete, hatte keinen Sinn für Aeußerlichkeiten. Er beging, was Möbel, Dekorationen u. dergl. betraf, geradezu absichtlich Sünden gegen den guten Geschmack, um darzuthun, daß hier die dramatische Dichtung das Scepter führe, wie Tapezierkünste aber als überflüssig angesehen würden. Unter Laube genoß das Orchester des Burgtheaters einen verzweifelt schlechten Ruf, aber das war ihm eben recht, denn am liebsten hätte er, wie er sich ausdrückte, „eine ganz stille Bude“ geleitet. Mit Dingelstedts cyklischen Unternehmungen kam ein Aufschwung in Beachtung von Kostümen, Zimmereinrichtungen etc., aber nach wie vor legte das schlecht beleuchtete, schlecht ventilirte, gesellschaftliche Neigungen der Besucher ignorirende Haus der Entfaltung wirklichen Prunkes enge Schranken auf.

Aber gerade aus seinen Schwächen schöpfte das Burgtheater seine besten Eigenschaften; seine Gebrechen wurden ihm zur Quelle einer ganzen Reihe unvergeßlicher Erfolge. In einem großen Hause hätte sich die intime, die Wahrheit einfach und ohne Aufdringlichkeit vertretende Wiener Spielweise nicht so rein entwickeln können wie in dem kleinen, das so viele wahrhaft bedeutende Vertreter deutscher Bühnenkunst emporwachsen ließ. Ein La Roche − um nur einen von vielen zu nennen − wäre in einem anderen Theater einen anderen Weg gegangen. Seine Kleinmalerei war in das alte Burgtheater eingefügt wie in einen selbstverständlichen Rahmen.

Und nun das neue Haus, das freilich eine Nothwendigkeit war, weil das andere den modernen Forderungen gar zu arg widersprach! Man sehnte sich − trotz aller Pietät, welche die Stätte üppigen Ruhmes zu ehren wußte − nach einem Theater mit Licht und Luft; man wollte, daß auch im Beiwerk der gute Geschmack sich geltend machen dürfe, und eine junge Generation weiblichen Geschlechtes wünschte sich vielleicht auch eine Möglichkeit, sich selbst mit allen angeborenen und − angezogenen Reizen bemerkbar zu machen. Das neue Burgtheater, das wir in Bild und Wort schon am Anfang dieses Jahres vorgeführt haben (siehe Nr. 4 der „Gartenlaube“), kommt solchen Neigungen gefällig entgegen. Als Bauwerk herrlich, fordert es geradezu, daß die darzustellenden Stücke nicht nur gut gespielt, sondern auch effektvoll und mit einem gewissen Aufwande inscenirt werden, und unsere lieben Frauen laufen − Dank namentlich dem klaren und milden elektrischen Lichte − keine Gefahr, ihren natürlichen Vorzügen oder den Meisterleistungen ihrer Schneider die gebührende Würdigung vorenthalten zu sehen.

Die besagten Festtage begegneten einer getheilten Stimmung. Man freute sich des neuen Hauses, das man herbeigewünscht, und sehnte sich doch ein wenig nach dem alten, über das man sich lustig gemacht hatte.

Der Abschiedsabend in der „Bude“ brachte Goethes „Iphigenie auf Tauris“ und einen Epilog aus der Feder des Direktionssekretärs Alfred Freiherrn von Berger. Dieser Epilog bietet eine gedrängte Rückschau auf die Geschichte des Burgtheaters. Aus der Schar derer, welche mit dankbarer Erinnerung genannt wurden, trat besonders scharf die Gestalt Kaiser Josefs II. hervor. An ihn gemahnte der Epilog:

„Laßt uns getrost die altbewährte Kraft
Verjüngen an dem Bild des großen Kaisers,
Der einst in ahnungsvoller Morgenzeit
mit mächt’gem Schöpferwillen diese Burg
Des Künstlergeistes aus dem Nichts erschuf,
Der, wie ein Seher, mit dem Kaiserscepter
Aus scheinbar taubem Grund die Quelle schlug,
Die, fromm gehütet, bald ein Hain umgrünte,
Ein heil’ger Hain von Lorbeern und von Palmen,
In dem die Nachtigall der Dichtung schlägt!“

Auch Lessing wurde gefeiert als „zweiter geist’ger Ahnherr dieses Hauses“, Laube dagegen − der sich mit seinem Buche über das Burgtheater ein- für allemal die Gunst der officiellen Kreise verscherzt hatte − „todtgeschwiegen“. Dagegen wandte der Epilog sich an die dahingegangenen bedeutenden Schauspieler, die er als Schutzgeister anrief; dann erfolgte die Bitte an die Stammgäste, in Treue zu verharren, und schließlich klangen die Verse in die Zuversicht aus, man werde „im neuen Haus das alte Burgtheater“ wiederfinden. Damit war das Leichenbegängniß beendet, und es folgte die fröhliche Wiederauferstehung. Das neue Haus wurde mit einem „scenischen Prolog“ von Josef Weilen eröffnet, auf welchen Grillparzers Fragment „Esther“ und „Wallensteins Lager“ folgten. Der „scenische Prolog“, eine echte und rechte Gelegenheitsdichtung, führt den „Geist des alten Burgtheaters“ vor, der über die Pracht des neuen erschrickt, aber vom „Genius der Poesie“ beruhigt wird, ein Bestreben, in welchem diesen Thalia und Melpomene unterstützen.

Auch wir wollen hoffen, daß − namentlich nachdem das neue Kunstinstitut in Dr. August Förster einen bewährten Fachmann als Direktor erhalten − der „Geist des alten Burgtheaters“ in der That unberechtigte Schwarzseherei treibt, wenn er bekennt:

„Und doch will Angst und Sorge mir nicht schwinden;
Wo lockend so viel Reiz dem Aug’ sich heut,
An Farbenglanz und marmornen Gestalten,
Da ist es schwer, den Hörer fest zu halten;
man schaut bewundernd, doch man lauscht zerstreut,
Die Stimmung ist, die heil’ge Stimmung fort,
Leicht mit dem Außen wandelt sich das Innen −
Ich soll den Kampf mit all’ der Pracht beginnen,
Und meine einz’ge Waffe ist das Wort.“

Ferdinand Groß.

Die erste chinesische Eisenbahn. Früher hatten englische Ingenieure mit ihrem Plan, im Reiche der Mitte eine Eisenbahn zu bauen, keinen Erfolg; jetzt sind französische Ingenieure, unterstützt von dem Vicekönig Li-Hung-Tschang und dem General Tschenk-ki-Tang, glücklicher gewesen. Es handelt sich zunächst nur um eine Privat- und Luxuseisenbahn, welche Tientsin mit dem sechs Kilometer entfernten Landsitze des Vicekönigs verbinden soll. Land und Volk werden zunächst davon nur geringen Nutzen haben, doch der erste Schritt für China ist damit gethan und das Wunderwerk europäischer Kultur, das so jetzt durch die Wüsten Afrikas und die Steppen Asiens seinen Weg gefunden, wird auch jenseit der chinesischen Mauer sich alsbald einbürgern. Die Wagen dieser Bahn sind in Lyon gebaut worden und haben eine bedeutende Länge (11 Meter). Unter einander sind sie durch kleine Brücken mit Sicherheitsgeländern verbunden. Von den sechs Wagen des Zugs sind drei Luxuswagen; der zweite, für den Vicekönig bestimmt, ist außen in blau gemalt und mit Goldverzierungen versehen; in jeder Längswand wird das mittlere Feld durch das kaiserliche Wappen und den Drachen mit fünf Krallen eingenommen. Das Innere ist im Geschmack Ludwigs XV. eingerichtet, der Salon mit kirschrothem Atlas und Plüsch und einer Decke in grauer Seide ausgestattet. Die zwei andern Luxuswagen sind roth mit goldenen Strichen gemalt, der eine enthält ein Rauchzimmer mit havannafarbigem Saffian und einem großen für die Mandarinen bestimmten Raum in grünem Plüsch und Atlas. Der dritte Wagen enthält einen großen, in violettem Sammet und Atlas ausgestatteten Theesalon.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 787. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_787.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)