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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

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Die Frau Majorin.
Von A. Oltroff.

Auf dem Leipziger Bahnhofe in Dresden wogte ein buntes Treiben hin und her, da im Laufe der nächsten Stunde verschiedene Züge nach Leipzig, Meißen und der Lößnitz abgehen sollten.

Droschken und Equipagen fuhren vor und entluden sich ihres Inhalts; Damen in eleganten Reisetoiletten, welchen die geplagten Diener mit einer Last von Regenmänteln, Plaids, Kistchen, Hutschachteln, Kissen und Rollen folgten, Offiziere in Uniform und in Civil, Handelsleute und Marktfrauen, alle drängten sich hastig durcheinander die Stufen hinauf dem Eingang zu, wo der Portier in unerschütterlicher Würde und Ruhe seines Amtes waltete.

Zur linken Seite des Treppenaufganges umbrandete der Strom eine standhafte Apfelsinenfrau, deren kleiner Kram von Pfefferkuchenmännern, Spielzeug, Brezeln und Zuckerdüten nur dem jüngeren Theil der Reisegesellschaft einen Blick des Verlangens abnöthigte. Dienstmänner eilten geschäftig mit Handgepäck hin und her oder schleppten metallbeschlagene schwere Koffer nach den Gepäckbureaus. Ueberall standen kleinere und größere Menschengruppen, ein dichtes Gedränge umgab die geöffneten Billetschalter und steigerte sich von Minute zu Minute.

Durch das Gewühl sich durchwindend, waren zwei Damen glücklich auf den Perron gelangt und näherten sich langsam, Arm in Arm dahin schlendernd, dem Zuge, welcher eine derselben nach Leipzig entführen sollte. Die eine der beiden jungen Freundinnen war groß und schlank und hatte eines jener frischen Gesichter, welche nur angenehm, nicht auffallend wirken; man ging an ihr vorüber, ohne sie zu beachten, während auf der anderen zierlicheren Gestalt die Blicke unwillkürlich haften blieben.

Aus einem pikanten Gesichte schauten zwei dunkelbraune Augen blitzend in die Welt; der brünette Teint zeigte keinen Hauch von Farbe, dagegen leuchteten die Lippen im frischesten Roth und ließen zwei Reihen prachtvoller Zähne sehen. Der Mund war vielleicht etwas zu groß, die Nase nicht fein genug geformt und dennoch war es ein anziehendes Gesicht, das man,




Großmutters Bild. Originalzeichnung von E. Ravel.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 841. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_841.jpg&oldid=- (Version vom 30.7.2017)