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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

mit Deinem Ringen und Streben auf dem festen Boden der Wirklichkeit konntest eine Natur wie die Ernsts nicht verstehen.“

„Möglich, wir waren von jeher zu schroffe Gegensätze, um gegen einander gerecht zu sein. Doch heute nichts mehr von dieser Erinnerung, Erna, heute gehört all Dein Denken und Fühlen nur mir allein! Die erste steile Höhe ist ja nun erstiegen, mit der Vollendung der Wolkensteiner Bahn ist mein Ruf und meine Zukunft fest begründet – aber leicht war der Weg wahrlich nicht.“

„Und er war doch schön, trotz Klippen und Abgründen!“ sagte Erna mit leuchtenden Augen. „Hatte ich nicht damals recht, Wolf? Es ist so schön, emporzusteigen aus der Tiefe; mit jedem Schritt, den man vorwärts thut, mit jedem Hinderniß, das man überwindet, die eigene Kraft wachsen zu sehen und endlich droben zu stehen auf der freien Höhe, im Gefühl des selbsterrungenen Sieges, wie Du jetzt dastehst!“

„Und mein Weib zur Seite!“ ergänzte Wolfgang mit leidenschaftlicher Zärtlichkeit. „Du tratest ja damals zu mir in der dunkelsten Stunde meines Lebens, als alles um mich wankte und stürzte, und mit Dir kam mir das verlorene Glück wieder. Jetzt halte ich es fest, und nun mag es weiter aufwärts gehen – zu neuen Zielen!“ –

Langsam sank die Nacht nieder, die alte, heilige Mittsommernacht mit ihrem Geisterweben. Heute war sie nicht erfüllt von träumerischem Mondesglanze, aber ein klarer, funkelnder Sternenhimmel breitete sich darüber aus, und nun begann es auch hier und dort an den Bergen aufzuglühen wie leuchtende Sterne – die Sonnwendfeuer, die überall emporflammten, und das größte und mächtigste loderte wie damals am Abhange des Wolkenstein. Sie grüßten das Reich der Alpenfee, das bezwungene Reich, in dem der Menschengeist sich nun doch Bahn gebrochen hatte, trotz aller Schrecken der Vernichtung, in dem er endlich doch Sieger geblieben war gegen die blinde Wuth der Elemente. Das große Riesenwerk war vollbracht. Neu geschaffen und fest gesichert stieg der eiserne Weg aus der Tiefe empor, mächtig schwang sich die Brücke über die Felsenschlucht und entschleiert blickte der Wolkenstein darauf nieder. Ein großes leuchtendes Sternbild stand über seinem Gipfel, über dem Haupte der Alpenfee.




Blätter und Blüthen.

Geschenkwerke für den Familientisch. Wenn auch die alte Klage über die Unlust der Deutschen, Bücher zu kaufen, im allgemeinen immerhin noch berechtigt sein mag, bei festlichen Gelegenheiten gilt jedenfalls ein werthvolles Buch als ebenso passendes wie schönes Geschenk, und namentlich zur Weihnachtszeit ist die Sorge vieler darauf gerichtet, den Festtisch mit dem einen oder andern guten Buche zu schmücken. Da aber die Wahl oft recht schwer ist, wollen wir, wie in früheren Jahren, so auch jetzt wieder, eine kleine Anzahl von Geschenkwerken für den Familientisch namhaft machen, um denen, welche in der „Gartenlaube“ Rath suchen, die Auswahl zu erleichtern.

Außer den von uns bereits an anderer Stelle empfohlenen Prachtwerken möchten wir nur noch einige wenige nennen. Den Freunden der bekannten Hendschelschen Skizzen wird die Nachricht willkommen sein, daß ein neuer, dritter Band „Aus A. Hendschels Skizzenbuch“ (Verlag von M. Hendschel in Frankfurt am Main) erschienen ist. Einer besonderen Empfehlung bedürfen diese Skizzen nicht mehr; sie haben sich ein Heimathsrecht in jeder kunstliebenden deutschen Familie erworben, und der dritte Band ist nicht weniger werthvoll als seine beiden Vorgänger. – „Die neue Spitzweg-Mappe“ (München, Braun und Schneider) enthält Kupferdruckreproduktionen von zwölf hervorragenden Gemälden des Meisters und bildet eine Fortsetzung der im vorigen Jahre in demselben Verlage erschienenen „Spitzweg-Mappe“, ist aber handlicher und billiger als diese. Sie wird hoffentlich dazu beitragen, den so stimmungsvollen Schöpfungen des zeitlebens allzu bescheidenen Meisters auch in weiteren Kreisen Anerkennung zu verschaffen – Edwin Bormann legt zwei Ausgaben seines „Liederhorts“ (Selbstverlag) auf den Weihnachtstisch, eine illustrirte Prachtausgabe und eine Textausgabe. Bormanns Poesien sind in seiner engeren Heimath, Sachsen, längst geschätzt; die vorliegende Prachtausgabe seines „Liederhorts“ mit ihrem reichen Bilderschmuck von Fedor Flinzer, Karl Gehrts, Erdmann Wagner und anderen namhaften Künstlern scheint ganz dazu angethan, seine Popularität in Nah und Fern zu erhöhen. – An die schweren weltgeschichtlichen Ereignisse des verflossenen Jahres gemahnt uns das Prachtwerk „Kaiser Wilhelm und seine Zeit“ von Professor Dr. Bernhard von Kugler (München 1888, Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft, vormals Friedrich Bruckmann). Wer an der Hand dieser Blätter das Leben Kaiser Wilhelms von seiner frühesten Jugend bis ins hohe Alter verfolgt, wird aufs neue überzeugend erkennen, welch eine außerordentliche und beispiellos erfolgreiche Laufbahn im März dieses Jahres mit dem Tode des greisen edlen Monarchen ihren Abschluß gefunden hat. Das umfangreiche Werk trägt die Berechtigung zu einem Hausbuche ebenso in seiner lebensvollen historisch treuen Darstellung wie in seinem reichen Illustrationsschmucke.

Nicht vergessen dürfen wir, hier ein kleineres Werk zu erwähnen, welches ebenfalls das Leben des entschlafenen Kaisers behandelt: Ernst Scherenbergs Gedenkbuch für das deutsche Volk: „Kaiser Wilhelm I.“ (Leipzig, Ernst Keils Nachfolger), aus dem wir Mitte dieses Jahres einzelne Abschnitte in der „Gartenlaube“ zum Abdruck brachten. Wem das Kuglersche Prachtwerk zu kostspielig ist, der findet in Scherenbergs trefflichem Gedenkbuch um geringen Preis einen werthvollen Ersatz.

Mit besonderer Freude haben wir ein Buch begrüßt, welches uns Aufzeichnungen aus dem Leben einer unvergeßlichen deutschen Frau bringt. Wer kennt nicht den Namen Ottilie Wildermuth, wer nicht ihre gemüthvollen Erzählungen für Jung und Alt! Die Schriften von Ottilie Wildermuth gehören ohne Zweifel noch heute zu dem Allerbesten, was für die deutsche Familie und die Kinderwelt geschrieben ist; aus dem Leben der Schriftstellerin aber war nur wenig bekannt. Und doch, wie sehr verdient auch dieses die Beachtung jeder deutschen Frau! Es bietet keine spannenden Ereignisse und ungewöhnlichen Begebenheiten; aber es entrollt die einfache, schlichte Geschichte einer edeln Frau und gerade darin liegt sein Werth. Wer sehen will, wie die Erzählerin, die in ihren Schriften so gemüthvoll und eindringlich der Frauenwelt die Erfüllung ihres Berufes ans Herz legt, im eigenen Leben ihre Ideale bethätigte, der wird in dem Buche („Ottilie Wildermuths Leben“. Nach ihren eigenen Aufzeichnungen zusammengestellt und ergänzt von ihren Töchtern Agnes Willms und Adelheid Wildermuth. Stuttgart, Verlag von Gebrüder Kröner) des Erfreuenden und Erquickenden unendlich viel finden.

Das erste Jahr im neuen Haushalt“, eine Geschichte in Briefen von R. Artaria (ebenda), ist unseren Lesern durch die Veröffentlichung in der „Gartenlaube“ bekannt. Viele Wünsche veranlaßten die Herausgabe der bedeutend vermehrten Briefe in Buchform und der jetzt vorliegende elegante Band ist eines der reizendsten Geschenke für den Festtisch. Wer einer Braut oder einer jungen Frau zu bescheren hat, wird eine passendere Wahl nicht treffen können. – Ebenfalls an die Frauenwelt wenden sich das Gedenkbuch „Von Tag zu Tag“ von Richard Schwinger (Stuttgart, Friedr. Frommanns Verlag), das Perlen deutscher Dichtung enthält und zugleich leere Blätter zur Führung eines Tagebuches bietet, und „Sang und Klang“ (Leipzig, Fr. W. Grunow), ein Hausschatz deutscher Lyrik, von kundiger Hand zusammengestellt und geschmackvoll ausgestattet.

Ueberaus reichhaltig in die Auswahl erzählender Schriften, welche der Verlag von Ernst Keils Nachfolger in Leipzig darbietet. Wir erwähnen zunächst die illustrirte Ausgabe von E. Marlitts gesammelten Romanen und Novellen, von welcher jetzt zwei Bände vorliegen. Der erste bringt „Das Geheimniß der alten Mamsell“, der zweite „Das Heideprinzeßchen“. Hunderttausende von Lesern haben sich an E. Marlitts Romanen erfreut und diese üben auch heute noch ihre unverminderte Anziehungskraft, wenn auch der liebenswürdigen Erzählerin die Feder durch den Tod für immer entwunden ist. Ihr letzter, als Bruchstück hinterlassener Roman „Das Eulenhaus“, vollendet von W. Heimburg, liegt setzt ebenfalls in eleganter Buchausgabe vor. – Sieben Novellen von W. Heimburg (Am Abgrund – Unsere Hausglocke – Unser Männe – Jascha – In der Webergasse – Großmütterchen – Aus meinen vier Pfählen) tragen den Sammeltitel „Unter der Linde“. In vorzüglicher Geschenkausstattung erschienen auch Fanny LewaldsJosias und Johannes Proelß anmuthiger Novellenkranz In der Schutzhütte. Den Lesern der „Gartenlaube“ ganz neu ist dagegen der dreibändige Roman „Das Loggbuch des Kapitäns Eisenfinger“ von Balduin Möllhausen, ein spannender, groß angelegter Roman, den kaum jemand ohne innerste Befriedigung aus der Hand legen wird.

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Weihnachtsbüchertisch für die Jugend. Die ungleichmäßige geistige Entwickelung der Kinder läßt es oft schwer erscheinen, bei jedem Buche eine genaue Grenze des Alters anzugeben, für welches es in erster Linie passend ist. Wenn wir trotzdem wieder eine Eintheilung der Weihnachtsbücher nach den Altersstufen geben, so geschieht dies deshalb, weil eine annähernde Bestimmung, bei welchem Alter hinreichendes Verständniß für das eine oder andere Buch vorauszusetzen immerhin möglich ist und weil wir nur eine kleine Zahl von wirklich guten Schriften anführen, denen sich das mehr oder minder entwickelte kindliche Verständniß sicher anschmiegen dürfte. Bei dem knapp bemessenen Raume, der uns diesmal zu Gebote steht, müssen wir von eingehenderen Besprechungen absehen.

Den Kleinsten im Alter von 5 bis 7 Jahren, bietet der Weihnachtsmann eine Reihe von Bilderbüchern, deren schöne künstlerische Ausführung nichts zu wünschen übrig läßt und bei denen auch auf die Texte alle Sorgfalt verwandt ist. „Wenn der Frühling blüht“, mit stimmungsvollen Bildern von H. M. Bennett und Gedichten von Fanny Stockhausen (München, Th. Stroefers Verlag) und „Augenweid und Herzensfreud“ von L. Mack und Emil Wolff (ebenda) werden das Entzücken aller Kleinen bilden und ohne Zweifel auch den erwachsenen Familiengliedern Freude machet. Einen belehrend unterhaltenden Zweck verfolgt das Bilderbuch „Unterricht im Thierreiche für unsere Kleinen“ von Anna Lieboldt und Hans W. Schmidt (Leipzig, E. Twietmeyer), ein echtes Kinderbuch, das namentlich in der Hand der Mutter für die Erweiterung des kindlichen Anschauungskreises ersprießlich werdet kann. V. P. Mohn, der bekannte Berliner Künstler, und G. Chr. Dieffenbach legen „Nesthäkchens Zeitvertreib“ (Bremen, M. Heinsius) auf den Festtisch, und ein Buch, das durch diese beiden bewährten Kinderfreunde eingeführt ist, empfiehlt sich dadurch am besten. Warme Anerkennung verdient auch der „Zeitvertreib für die ganz Kleinen“ (Dresden , C. C. Meinhold und Söhne), welchen E. Limmer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 859. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_859.jpg&oldid=- (Version vom 6.5.2019)