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Lorbeerkränze zu bringen – da traf ihn als Mahnung des Schicksals der Tod seines Freundes Hephästion, der ihm vorausging wie Patroklos dem Achilles, und ganz wie Achilles warf sich Alexander laut stöhnend und verzweiflungsvoll über den Leichnam. Ihn zu bestatten, wie noch kein Fürst bestattet worden war, brach er nach Babylon auf, trüben Muthes, denn seine eigene Seele war voll Todesahnung, und als seine Seher ihn warnten, „gegen Westen“ (die Unterwelt) schauend, in die Stadt einzuziehen, suchte er, den Euphrat überschreitend, einen östlichen Eingang zu gewinnen, stieß aber auf ausgedehnte Sümpfe, so daß er unwillig den Vorsatz aufgab, und, dennoch nach Westen sehend, in Nebukadnezars Stadt einritt, deren Burgen und Thürme damals theilweise noch wohlerhalten standen.

Die brennende Qual um Hephästion, das Gefühl der furchtbaren Oede wich nicht mehr von dem Könige, auch nachdem er ihm einen goldüberdeckten Scheiterhaufen, ein architektonisches, statuengeschmücktes Prachtgebäude von ungeheuerem Werth, errichtet und 10 000 Stiere bei der Verbrennung geopfert hatte. Mit dem Freund war der beste Theil seiner eigenen Kraft vernichtet; keine der Frauen, die er sich zueignete, hat je seiner Seele nah gestanden, nicht die Dariustochter Statira, nicht Roxane, das wunderschöne baktrische Fürstenkind, das er auf seinem Zuge aus dem eroberten Felsennest ihres Vaters geholt. Von ihr aber hoffte er, in Bälde den Sohn zu erhalten, den Erben eines Weltreiches, das diejenigen der Pharaonen, Perser und Assyrerkönige weit übertreffen sollte. Riesenhafte Pläne wüchsen in seinem Geist: er wollte neue, kolossale Flotten bauen, Afrika damit umschiffen, Karthago erobern, ganze Völker von Europa nach Asien versetzen, und umgekehrt, keine Schranke mehr sollte ihm gebieten, den neuerdings die Götter selbst als einen der Ihrigen anerkannt …

Plötzlich, Anfang Juni 323, befielen ihn Fieberschauer. Er achtete ihrer nicht und saß noch mit seinen Generalen eine Nacht durch beim Wein. Am andern Morgen brach das Fieber aus. Zum Schutz vor dem glühenden Sonnenbrand ließ sich Alexander in die kühlen Terrassengrotten der „hängenden Gärten“ tragen; dort besorgte er von seinem Lager aus noch alle Regierungsgeschäfte, badete und opferte jeden Morgen und plauderte tagsüber mit seinen Freunden. Aber jeden Abend kehrten die Schauer wieder und setzten bald auch des Tags nicht mehr aus. Am siebenten Tag ließ sich der König in Nebukadnezars Burg zurückbringen, und als am achten früh seine Generale bei ihm eintraten, erkannte er sie wohl, konnte aber nicht mehr sprechen. Nun durchflog die Schreckenskunde: Alexander stirbt! mit Windeseile die Stadt, und das Heer, die Soldaten eilten schmerzerfüllt herbei, man konnte ihrem Andrang nicht gebieten und mußte ihnen das Sterbegemach öffnen. So zogen sie denn, Offiziere und Krieger, Mann für Mann, schweigend in tiefer Trauer an dem Todeslager ihres Königs vorbei. Er sah sie an und winkte einigen schwach mit der Hand; die ergrauten Veteranen schluchzten in fassungslosem Jammer bei seinem Anblick.

Diesen Vorgang hat Piloty zu der ergreifenden Darstellung gewählt, die zugleich die letzte Arbeit seines eigenen Lebens war und nicht zu völliger Vollendung gedieh. Aber wenn auch nur skizzirt, hebt sich doch des sterbenden Königs Haupt machtvoll heraus und die schon starr werdenden Augen lassen noch die Gewalt seines Blickes ahnen. Am Fußende des Bettes steht Roxane in feingefälteltem Byssosgewand mit traurig gesenktem Haupte, sie hält Alexanders Linke, während seine Rechte stürmisch umfaßt und geküßt wird von den Kriegern, die, das Stillegebot des chaldäischen Arztes nicht achtend, von ihrem Schmerz hingerissen zu seinen Füßen knieen. Andere drängen nach, herrliche Griechenjünglinge, wildaussehende Asiaten, sie haben Lorbeerkränze mitgebracht und werden sie zu Füßen des Götterbildes niederlegen, das die erflehte Heilung so wenig zu bewirken vermag wie der Kühltrank, welchen junge nubische Sklaven in der eisumgebenen Amphora bereiten. Die Schatten des Todes schweben über dem Haupte, das sonst siegreich voranleuchtend im kriegerischen Schmuck sein Heer von Triumph zu Triumph führte, das Heldengedicht von Alexanders Leben findet hier den Abschluß, welchen die Poesie für ihre glänzendsten Lieblinge fordert: auf schönster Höhe schnell zu enden, ohne den Rückschlag menschlicher Schicksale zu erleben.

Daß seine Figur mit ihrer leidenschaftlich glühenden Seele und fast übermenschlichen Thatkraft einen Künstler wie Piloty mächtig anzog, ist sehr begreiflich. Er hat sich mit dem gewaltigen Stoff des Bildes zwanzig Jahre lang getragen und ihn in immer wieder neuen Entwürfen geformt, bis er endlich die gegenwärtige Gestalt gewann. An ihre Ausführung hat der bereits Schwerkranke seine letzte Kraft gesetzt, und wo ihm der Pinsel entsank, da endete zugleich sein eigenes Leben. Das solchergestalt doppelt bedeutungsvolle Bild befindet sich heute in der Berliner Nationalgalerie, zu deren edelsten Zierden es gehört. R. A.     

Johanna Stegen, die Heldin von Lüneburg. (Mit Illustration S. 869.) Der zweite April des Jahres 1813 brachte einen wichtigen Sieg der Verbündeten über das Kriegsheer des französischen Eroberers in der Schlacht bei Lüneburg, an welchem ein heldenmüthiges Mädchen einen vollwichtigen Antheil hatte: Johanna Stegen, das Mädchen von Lüneburg. Sie reiht sich jenen tapferen Frauen an, die in edler Begeisterung zur Waffe griffen, um gegen den Erbfeind zu Felde zu ziehen, oder denen sonst kein Opfer für die Sache des Vaterlandes zu hoch war. Eleonore Prochaska und Anna Lühring dienten in der Lützowschen Freischar als Jäger Renz und Kruse, Magdalena Eckert pflegte drei Jahre lang in Düsseldorf unermüdlich Freund und Feind, Ferdinande von Schmettau legte ihr prachtvolles Haar auf den Opferaltar des Vaterlandes – nicht minder Rühmliches vollbrachte Johanna Stegen, und wie die Namen der erstgenannten Frauen ist auch der ihre mit der Geschichte der Befreiungskriege unlöslich und ehrenvoll verknüpft. Sie hielt es in dem sicheren Versteck, in welchen sich die Ihren geflüchtet hatten, dem Keller eines benachbarten Kaufmanns, nicht aus, als die Sturmglocken läuteten und die Schlacht tobte. Sie eilt hinaus, findet Fässer, mit Patronen gefüllt bis oben hin, und trägt diese, so viel ihrer die Schürze nur zu fassen vermag, den mit gefälltem Bajonett gegen die Franzosen anstürmenden Preußen zu, die alle Munition verschossen hatten und mit Jubel das neue „Kraut und Loth“ begrüßten. Johanna Stegen achtet nicht auf die Kugeln, die sie umpfeifen; furchtlos und unermüdlich eilt sie immer wieder zu ihrem Funde und mit gefüllter Schürze kehrt sie zurück, bis der Sieg entschieden ist, entschieden zu Gunsten der todesmuthigen Preußen. Major von Borcke, der Führer des von Johanna Stegen mit Patronen versorgten Bataillons, erhielt nach der Schlacht einen Ehrensäbel und das Eiserne Kreuz zweiter Klasse, so entscheidend war das Eingreifen der kaum 150 Köpfe zählenden Braven und – der unerschrockenen, opfermuthigen Heldin gewesen, welche ihnen das todbringende Blei durch Pulverdampf und Schlachtengraus begeistert und anfeuernd zugetragen. * *     

Aus Studienmappen deutscher Meister. (Mit Illustration S. 873.) Die „Gartenlaube“ hat es von jeher als eine dankbare Aufgabe angesehen, ihre Leser mit den großen Kunstschöpfungen der hervorragenden deutschen Meister durch Holzschnittwiedergaben bekannt zu machen, und in den verschiedenen Jahrgängen findet sich ein wahrer Schatz von Nachbildungen der besten Werke deutscher Malerei. Aber ihre Aufgabe war es zugleich, allen Meistern in gleicher Weise gerecht zu werden, sie konnte deshalb nicht bei einem derselben länger verweilen, konnte nicht eine größere Reihe seiner Schöpfungen bringen, um an ihnen gemeinsam seine Eigenart zu veranschaulichen. Diese Aufgabe ist jetzt von anderer Seite aufgenommen, welche sie durch Zusammenstellung sorgfältig ausgeführter Blätter aus den Studienmappen der Künstler zu lösen sucht und nach den ersten Proben auch in dankenswerther Weise zu lösen verspricht. „Aus Studienmappen deutscher Meister“, so lautet der Titel zweier Mappen in großem Format (Breslau, Verlag von C. T. Wiskott), welche je 10 Blätter von Ludwig Knaus und Franz v. Defregger nebst kurzen textlichen Einleitungen von Julius Lohmeyer enthalten und in der That als eine treffliche künstlerische Charakteristik in knappem Rahmen gelten können. Die zarten, mit vollendeter Sicherheit ausgeführten Bleistiftskizzen von Ludwig Knaus athmen den ganzen Zauber lebensvoller Anmuth dieses Meisters, und Franz v. Defreggers klare und markige Oelstudien fesseln ebenso durch die treue, schlichte Wahrheit wie durch den hohen malerischen Reiz, der allen seinen Bildern eigen ist. Wir bieten unseren Lesern eine dieser Studien Defreggers, einen alten wettergebräunten Tiroler Jäger (Leo Dorn aus Hindelang) in frappanter Naturwahrheit wiedergebend, in gelungenem Holzschnitt und begrüßen zugleich die Sammelmappen als vorzügliche Bereicherungen der Kunstschätze für das deutsche Haus, welches es auch dankbar willkommen heißen wird, daß Mappen weiterer Meister wie Menzel, Geselschap, Meyerheim, Werner, Grützner, Kaulbach etc. den bereits vorliegenden folgen sollen. * *     

Unser Bild Kaiser Friedrichs III. Die Kunstbeilage „Kaiser Wilhelm I.“ zu Nr. 11 der „Gartenlaube“ des laufenden Jahrgangs hat in vielen Abonnenten den Wunsch erregt, ein ähnliches Bildniß auch von Kaiser Friedrich III. als Gegenstück zu besitzen. Heute kommen wir diesem in zahlreichen Briefen ausgesprochenen Wunsche nach und bieten zu dem Porträt Wilhelms I. ein solches Friedrichs III., das nach einer vorzüglichen Photographie von Reichard und Lindner in Berlin gezeichnet ist und die allbekannten Züge des edeln Todten treu wiedergiebt. Das Bild ist ein Pendant zu dem Wilhelms I. und bildet mit diesem einen schönen und würdigen Zimmerschmuck.


manicula 0 Hierzu die Kunstbeilage „Kaiser Friedrich III.“

Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das vierte Quartal dieses Jahrgangs unserer Zeitschrift. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das erste Quartal des neuen Jahrgangs schleunigst aufgeben zu wollen.


Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen Reichspostamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig).

manicula 0 Einzeln gewünschte Nummern liefern wir pro Nummer incl. Porto für 35 Pfennig (2 Nummern 60 Pf., 3 Nummern 85 pf.). Den Betrag bitten wir bei der Bestellung in Briefmarken einzusenden.

Die Verlagshandlung.     

Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.0 Druck von A. Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1888, Seite 876. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_876.jpg&oldid=- (Version vom 5.4.2020)