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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

hoben, die Mannschaft von einem halben Hundert Köpfen ungerechnet. Ein Theil der „lebendigen Fracht“ naht sich dort längs des Quais; der Auswandererzug (10), aus Polen, Ruthenen, Litauern oder sonstigen langröckigen Leuten vom Osten bestehend, strebt dem Dampfer zu, der diese Europamüden hinüberbefördern wird, dorthin, wo Milch und Honig fließen soll, wo es nach der Versicherung der Auswandereragenten viel billiges Land und alle Tage Fleisch geben soll. Es muß verlockende Melodei haben, dies alte Lied, denn gegenwärtig strömen wieder so viele Tausende nach dem fernen Westen, daß die Hamburger Packetfahrtgesellschaft zu ihrer stattlichen Flotte noch Schiffe hinzuchartern muß, um dem Andrang zu genügen. Aber auch immer größer wird gegenüber jenem Strom das Bächlein der Rückwanderer“, unter denen es selbst Unfreiwillige giebt. Gerade wie auf unserem Bildchen am Millernthor (6) der Hamburger „Konstabler“ (Schutzmann) den angeblich arbeitsuchenden, in Wahrheit nur der edlen Fechtkunst beflissenen Stromer an dem die Handgelenke umschlingenden Strick hinausführt über die Grenze bis zum „Ausland“, nämlich der preußischen Nachbarstadt Altona, gerade so übt jetzt die nordamerikanische Union strenge Polizei und weist unerbittlich sämmtliche drüben landende „paupers“, Mittellose und Erwerbsunfähige, zurück, so daß die hiervon wenig erbauten Schiffskapitäne sie gratis zurückbefördern müssen zum Elend der Heimath.

Doch wenden wir den Blick ab von diesem trüben Bild; betrachten wir lieber das anmuthige Kabinettstückchen, für welches des Zeichners Stift den kartoffelschälenden Schiffsjungen (8) zum Vorwurf genommen hat. Ich behaupte kühn, daß trotz aller realistischen Auffassung eine tiefe Poesie in demselben steckt, und könnte die schnurrende schwarzweiße Gesellschafterin des Burschen zum Anknüpfungspunkte benutzen, eine Phantasie nach dem berühmten Muster des zum Lordmayor gewählten Whittington und seiner Katze zu entwerfen. Nicht doch! Dieser angehende „Jan Maat“ denkt sicherlich nicht daran, Bürgermeister von Hamburg zu werden, der Theergeruch seiner Umgebung ist hochfahrenden Plänen nicht günstig. Falls er aber, bereits ein „seebefahrener Mensch“, jetzt nach mehrjähriger Reise aus fernen Zonen heimgekehrt ist und nach so langem steten Genuß von Salzfleisch und Schiffszwieback zum ersten Male wieder die geliebten heimischen Kartoffeln schält, da mag er nicht nur im Vorgefühl des schönen Augenblicks schwelgen, in welchem der Koch zum „Volk“ (Schiffsmannschaft) den üblichen Ruf erlassen wird: „Reis’ up tom Schaffen, ünnen un baben!“ (Kommt her zum Essen, aus dem Schiffsraum und aus den Masten!) – da mag er auch des Mütterleins gedenken, das ihn daheim erwartet, und da könnten seine Wimpern feucht werden. Weiter schweift das geistige Auge des jungen Menschen wohl kaum. Auch würde es unglaublich schwer für einen hamburgischen Whittington halten in der Freien Stadt zum Dogensitze emporzuklimmen, dazu gehört mehr als Geld, dazu gehört „Familie“. Selbst zum Besitze einer Vergnügungsyacht, in welcher er auf dem prächtigen Spiegel der Alster (14) pfeilschnell dahinfliegen kann, wird er es schwerlich bringen. Er kann zufrieden sein, wenn ihm am Nachmittage des Lebens ein Pöstchen als Lotse (4) winkt; da darf er das jetzt vor dem Steuermann sorglich verborgen gehaltene Pfeifchen in Ruhe paffen und noch Tabak dazu kauen, in jeder Backe ein „Primchen“, und in den Mußepausen des Dienstes kann er vor dem andächtigem Publikum der „Jungleute“ sein „Garn spinnen“ von den Erlebnissen auf der „langen Fahrt“.

Dies bescheidene Los genügt ihm, auch hierfür ist er der Vaterstadt dankbar, und deshalb setzt er wohl zum Schluß der Erzählung den Wahlspruch so mancher seiner Mitbürger hinzu, der, aus dem urwüchsigen Platt ins Hochdeutsche übertragen, lautet: „Kinder, das ist gewiß, es giebt nur ein Hamburg!“ – und welch wackerer Deutscher er auch ist, des „Seemannslatein“ kann er nicht entrathen und schließt mit dem beliebten Worte: „Old Hamborg for ever!

Gustav Kopal.     




Blätter und Blüthen.

Frühstücksvertheilung an arme Schulkinder. Infolge des Gedichtes „Bitte für arme Kinder“ von Emil Rittershaus in Nr. 40 dieses Jahrganges haben wohlgesinnte Männer und Frauen in verschiedenen Städten sich der Frühstücksvertheilung an arme Schulkinder in dankenswerther Weise angenommen. Auch zahlreiche an die Redaktion der „Gartenlaube" eingegangene Briefe beweisen, daß die Anregung auf fruchtbaren Boden gefallen. Vielen dieser Briefe waren Geldbeträge beigefügt, von kleinen Summen in Briefmarken an bis zu fünfhundert Mark hinauf, je nach den eigenen Mitteln der opferwilligen Einsender. Einen sehr erheblichen Betrag hat ein Stuttgarter Bürger für die Speisung armer Schulkinder, ohne Rücksicht auf die Konfession derselben, gespendet, nämlich hunderttausend Mark, von denen zehn Jahre hindurch je zehntausend Mark zur Verwendung kommen sollen. Möchten solche Beispiele edlen Gemeinsinns auch in anderen Städten gegeben werden, zum Besten der hungernden Kleinen! Der Dank wird nirgends ausbleiben.

Rothe Nasen. Die „rothe Nase“ ist ein scheinbar geringfügiges Ding, aber unter dieser allgemein gebräuchlichen Gesammtbezeichnung verbergen sich verschiedenartige Leiden, die auch verschieden behandelt sein wollen. Der Schnupfen kann unter Umständen vorübergehend eine Röthung der Nase hervorrufen, auch erfrorene Nasen blühen, aber nur beim Eintritt der kälteren Jahreszeit. In diesen Fällen pflegt die Röthe mit dem Schnupfen zu schwinden und erfrorene Nasen müssen wie erfrorene Glieder behandelt werden.

Es giebt aber noch eine andere Art rother Nasen, die zu den entstellendsten Hautkrankheiten des Gesichtes zählen, es sind dies die rothen Nasen par excellence, die auf einem Hautleiden, welches Kupferröthe oder Kupferfinne genannt wird, beruhen.

Jene kleinen „Blüthchen" sind bekannt, die so oft das Gesicht junger Herren und Damen entstellen: die Gesichtsfinne. Eine böse Abart derselben bildet die Kupferröthe. Sie befällt mit Vorliebe die Nase, kann sich aber mitunter auch auf das ganze Gesicht erstrecken.

Diese Kupferröthe ist ein heimtückisches Leiden. Zunächst röthet sich nur die Nasenspitze und sieht täuschend ähnlich einem erfrorenen Riechorgan. Von Zeit zu Zeit schwindet die unerwünschte Farbe, aber eine ganze Reihe von scheinbar geringfügigen Ursachen bringt sie wieder zum Vorschein. Ein Gläschen Wein, eine lebhafte Unterhaltung, ein kalter Wind verhelfen den armen Patienten zur sichtbaren Entfaltung ihres Leidens. In diesem Zustand kann die Krankheit lange verharren, bis sie allmählich in die höheren Grade übergeht. Die sogenannten „Pfundnasen“ mit den schmerzhaften Höckern und erweiterten Blutgefäßen bilden das Endstadium jener rothen Nase.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß übermäßiges Trinken die Entstehung dieses Leidens begünstigt, ja man hat sogar die Trinkernasen zu klassificiren gesucht; und Dr. F. E. Clasen schreibt in seinem populären Buch „Die Haut und das Haar“:

„Der Branntwein röthet vorwagend die Nasenspitze, bei manchen freilich auch die ganze Nase. Die Haut ist dabei meist glatt und trocken und zeigt einen starken Stich ins Blaue. Der Weintrinker erfreut sich einer lebhaften, mehr hellen Röthe, welche sich sehr häufig auch über weite Strecken des Gesichts erstreckt; der geröthete Bezirk pflegt aber nicht glatt zu sein, sonder uneben und dicht mit Knötchen besetzt. Für besonders gefährlich in dieser Richtung gelten namentlich jene deutschen Weißweine, welche wegen ihrer durch reichliche Weinsteinsäure bedingten Säure ohnehin schon einigermaßen gefürchtet sind. Die französischen Rothweine sollen unschuldiger sein, daß sie aber ihre Liebhaber mit der unliebsamen Teintveränderung verschonten, wäre wohl zu viel behauptet. Am besten sind noch die Biertrinker dran, welche verhältnißmäßig selten an der Kupferröthe leiden. Und doch sind sie es gerade, welche es zu den kolossalsten Dimensionen und Verunstaltungen der Nase bringen, wenn sie ja einmal das Unglück haben, der Krankheit zu verfallen.“

Man könnte über diese Klassifikation streiten; der Volksmund spricht z. B. von der „Burgundernase“, und man kann auch mit Bestimmtheit sagen, daß viele, die weder mit „Nordhausen“ noch mit „Nierstein“ in engeren Beziehungen stehen, doch an der Kupferröthe leiden. Wind und Wetter begünstigen deren Ausbruch selbst bei einem durchaus enthaltsamen Droschkenkutscher und auch zarte Mädchen und Frauen, die nur Kaffee trinken, können ihr verfallen.

Ist diese Krankheit weit fortgeschritten, so ist das Heilen mit vielen Schwierigkeiten verbunden und es sind sogar operative Eingriffe nöthig. Darum ist es gut, wenn die „Kranken“ frühzeitig einen Arzt um Rath fragen. Das Herumkuriren mit allerlei Hausmitteln oder den sogenannten Geheimmitteln, die pomphaft in den Zeitungsinseraten empfohlen werden, ist eine Art gewagten Lotteriespiels. In diesem oder jenem Falle mag so ein Mittel helfen, in vielen anderen aber ruft es durch unzweckmäßige Behandlung nur eine Verschlimmerung des Leidens hervor. Ich habe oft Gelegenheit gehabt, zu hören, wie sich Leute nach „Specialisten für rothe Nasen“ erkundigten. Trotz aller Arbeitstheilung auf dem Gebiete der Medizin sind wir noch nicht so weit fortgeschritten, daß wir derartige Specialärzte besitzen. Die „rothe Nase“ wird jeder praktische Arzt behandeln können.

Als allgemeine Verhaltungsmaßregeln möchte ich kurz die folgenden bezeichnen: Man vermeide alles, was einen Blutandrang nach dem Gesichte erzeugt, trinke gar keine Spirituosen oder nur wenig davon; setze sich nicht starkem Witterungswechsel aus, meide auch große Hitze und Kälte – das alles wird der rothen Nase gut thun und die Aussicht auf Heilung befördern.

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Vorlagen für Aquarell- und Porzellanmalerei, an welchen es noch vor einigen Jahren empfindlich mangelte, giebt es jetzt vielfach, aber die guten und brauchbaren darunter sind noch immer zu zählen, weil der vielstufige Farbendruck nicht billig hergestellt werden kann, dagegen an

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 891. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_891.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2019)