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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Alles verschneit. Nach dem Oelgemälde von Marie Laux.
Photographie im Verlag von Franz Hanfstängl in München.

noch seine Farben und Devise nennen, denn ich wagte nicht ihn zu betrachten, ich fühlte nur seinen Blick, der mich beharrlich mit einem verlangenden, gebieterischen, unaussprechlich qualvollen Bann umfing; es war mir, als ob die düstere Gluth dieses Auges mich verzehre, meine Wangen brannten, ich wollte hinter dem bewimpelten Pfeiler der Tribüne Schutz suchen, da fiel mir ein weißes Tüchlein aus den Händen. Ich sah, wie der Ritter das Tuch mit der Degenspitze auffing, es an die Lippen und die Brust drückte und es dann auf seinem Helm befestigte.“

„Ich weiß, wer der Ritter war,“ murmelte Messer Cione.

„Das Gewühl des Turniers verschlang den Ritter, ehe ihn Madonna Gianetta, der ich ein Zeichen machte, bemerken konnte. Aber mir ward es bang und weh zu Muthe und ich wünschte mich weit weg vom Fest zu Euch nach Haus in die kühle Halle. Sobald das Kampfspiel zu Ende war, zog ich Madonna Gianetta fort; in der Menschenmenge verloren wir die Diener aus den Augen und mußten froh sein, uns aus dem Gedräng in eine stille Seitengasse zu retten. Da hörten wir hinter uns Sporengeklirr und der Schatten eines Mannes fiel breit aus das Pflaster. Wir drängten uns fester zusammen und beschleunigten den Schritt, der Verfolger that das Gleiche. Endlich, als wir uns dem Platz der Signoria näherten, glaubten wir ihn verloren zu haben, aber an der Straßenecke stand er wie aus dem Boden gewachsen vor uns. Ich kann Euch schwören, daß ich an ihm vorüberging, ohne die Augen zu ihm aufzuheben, aber ich fühlte wieder den düstern, verzehrenden Blick, der auf meinem Gesicht brannte. Er trat an meine Seite und sprach zu mir – Worte, die ich kaum verstand, die mir aber eine eiskalte Angst in die Glieder jagten. Wir eilten, so schnell wir konnten, aber der Unbekannte, obwohl sein Schritt hinkend und ungleich war, holte stärker aus und hielt sich immer an meiner Seite. Da blieb Madonna Gianetta stehen und fragte ihn, ob es eines Ritters würdig sei, zwei schutzlose Frauen zu erschrecken und zu verfolgen. Sie drohte, um Hilfe zu rufen, wenn er uns nicht verlasse, und da soeben der junge Herr Leonardo, der Madonna Gianettas Schwestersohn ist, vorüberkam und unsere Lage bemerkend schnell vom Pferde stieg und auf uns zutrat, entfernte sich der Ritter, welcher glauben mochte, daß Herr Leonardo mein Bruder sei, indem er mir noch zuflüsterte:

,Edles Fräulein, Euer Tuch behalte ich als Pfand, Ihr sollt es dereinst von mir auslösen an einem Tag, welcher der schönste meines Lebens sein wird.‘ –

Ich zitterte so stark, daß ich mich auf Herrn Leonardos Arm stützen mußte. Ach, wenn Ihr ihn da gesehen hättet, wie er in seinem gestickten Wams dem heiligen Georg, dem Lindwurmstödter, glich, wie zart und ritterlich er uns beide schutzlose Frauen geleitete; wenn Ihr gehört hättet, mit welcher Verehrung er von Euch sprach, den er die Blume der florentinischen Ritterschaft nannte – dann – o dann, Vater, würdet Ihr Euch nicht verwundern, daß er das Herz Eurer Tochter so rasch gewonnen hat.“

Messer Cione antwortete etwas besänftigt:

„Ich sehe schon, wie Du in Deiner Ganshaftigkeit glaubtest, der Ritter wolle Dich fressen und dieser Gelbschnabel habe eine große That verrichtet, daß er durch sein Hinzukommen eine Erklärung abschnitt, gegen die ich nichts einzuwenden habe, als daß sie nicht in Gegenwart des Vaters gemacht ward. Wenn alles wäre, wie es sollte, würde sich der Laffe wohl gehütet haben, einem Ritter wie diesem in den Weg zu treten. Denn wenn Du wissen willst, wer der fremde Herr war, dessen Gegenwart einen solchen Bann auf Dich ausübte, so will ich es Dir sagen: es war niemand anders als Messer Ricciardo, Dein Verlobter; die Geschichte von dem Tuch kenne ich aus dem Mund seines Vaters, und Du wirst das Pfand von ihm auslösen an dem Tage, den Dein und sein Vater bestimmen werden. Stehe jetzt auf und schlage Dir die Kindereien aus dem Kopf. Daß Dein künftiger Gatte Dir schon beim ersten Anblick solche Scheu eingeflößt hat, das bedeutet

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_029.jpg&oldid=- (Version vom 29.6.2023)