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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

kälteren Hochebenen Asiens, deswegen gedeiht unser Hauspferd immerhin noch, wenn eben auch verkümmert, in den kälteren Ländern, wo der Esel nicht mehr fortkommt.

Zu den hier nicht zu übergehenden Ponies gehört nun das auf dem Bilde dargestellte kleine Pferd nicht, es ist dies vielmehr ein eigentliches Zwergpferd, das heißt ein von einer großen dänischen Stute stammendes, aber in der Entwickelung ausnahmsweis zurückgebliebenes Thier. Es fehlen ihm demzufolge der dicke Poniekopf, die buschige Mähne und die feinen Beine, dahingegen ist es durch die gedrungenen Formen, wie sie den Zwerggebilden meist eigen, sehr gekennzeichnet. Die naheliegende Vermuthung, daß von solchen zufälligen Zwergen die kleinen Hausthierrassen, also hier die Ponies abstammen könnten, ist unzulässig, da sich solche seit dem Alterthum einzeln vorkommende Naturlaunen, wie Zwerge und Riesen, weder bei Menschen noch Thieren als dauernd erblich erwiesen haben, was beiläufig nur zu billigen ist, denn sonst würde es von überflüssigen Zwergen und Riesen längst schon wimmeln, während sie jetzt als Schaustücke immerhin noch einen geschäftlichen Werth haben.

Ist bei der Züchtung möglichst großer Pferderassen selbstverständlich die Erreichung großer Kraftleistung der treibende Beweggrund, so bei der Rindviehzucht hingegen, wenn man, als nicht hierher gehörend, von dem Milchertrag absieht, die in kürzester Zeit zu erreichende große Fleischfülle. Das große, schnell mastfähige Rind gilt also als wichtiges Zuchtziel. Die eine hier zu besprechende Eigenschaft, die Größe anbelangend, so ist das osteuropäische graue Rind eine der größten zahmen Rassen, von mitunter 1,88 Meter Höhe. Ursprünglich und noch jetzt im südlichen Rußland lebend, ist es schon längst nach Ungarn und Italien eingeführt worden, und von letzterem Lande, von der romanischen Rasse, stammt der Riesenochse der dargestellten Gruppe, von auch 1,88 Meter Höhe. Noch höhere Thiere dürften selten vorkommen, denn selbst die nächstgrößten Rinder der westlichen Normandie in Frankreich kommen nur bis 1,80 Meter Höhe, die größten Schweizerrassen bis 1,60 Meter. Sonderbarerweise hat auch Frankreich eine der kleinsten Rinderrassen in der Bretagne von nur 1 Meter Höhe, in dieser Kleinheit wohl nur noch übertroffen von dem Zwergzebu in der Mitte unseres Bildes.

Die Zebus sind höchst merkwürdige und in mancher Beziehung noch ganz besonders räthselhafte Rinder. Man kennt sie aus altindischen und ägyptischen Darstellungen als uralte Hausthiere (wohl auch ein Grund mit für Cuvier, sie für die Urform des Hausrindes überhaupt zu halten), und aus einer Zeburasse, dem jetzt sogenannten, nur noch in Abessinien lebenden Sanga-Rind, wurde ja sogar der heilige Apis-Stier gewählt. Ganz besonders merkwürdig sind die Zebus durch ihre außerordentliche Verschiedenartigkeit in der Hörnerform und -Größe, in der Färbung, vor allem aber in der Größe der Gestalt. So konnte denn, um zu dem Riesenthier aus den Rindern bei der genannten Schaustellung den größten Gegensatz zu finden, derselbe nur in der Zeburasse gesucht werden, die bis zu 0,78 Meter Höhe (hinter dem Höcker) herabreicht, von welcher Höhe auch ungefähr das dargestellte Thier ist, welches aus Ceylon stammt. Dort werden diese kleinen Zebus, wie auch auf dem indischen Festland, zum Ziehen kleiner zweirädriger Wagen benutzt, da sie außerordentlich flink und ausdauernd laufen.

Dürfte nun aus der bildlichen Darstellung im Verein mit diesen wenigen Erläuterungen von neuem hervorgehen, daß der Einfluß des Menschen auf die verschiedenartige Entwickelung der Hausthierformen in Verbindung mit dem Klima ein außerordentlich großer ist, so sind die Forschungen nach den Bedingungen solchen Einflusses um so gerechtfertigter, als sie, abgesehen von der wissenschaftlichen Bedeutung, den Thierzüchter immer mehr in Stand setzen, bestimmte Ziele mit Bewußtsein zu verfolgen. Und daß jetzt die Verwendung, d. h. Ausnützung der Hausthiere bei der stetigen Bevölkerungszunahme in den Kulturstaaten eine immer wichtigere Angelegenheit wird, kann von niemand bezweifelt werden. Heinrich Leutemann.




Die Vermählung der Todten.

Von Isolde Kurz.
(Fortsetzung.)


Ein stechender Schmerz brachte Leonardo endlich wieder zur Besinnung, er fand sich im Dunkeln allein auf dem Pflaster liegend und wußte nicht mehr, was mit ihm geschehen war. Aber er wußte, daß im Kirchlein von Sant’ Andrea die Eine auf ihn wartete, die ihm theurer war als das Leben. Er raffte sich auf, um zu ihr zu eilen, doch schon nach wenigen Schritten mußte er sich wankend an ein Haus lehnen und das warme Naß wegwischen, das ihm über die Augen troff. Er befühlte sich am ganzen Körper, und es war ihm, als sei er in einen Brunnen verwandelt, der aus allen Röhren rinnt. Doch tastete er sich im Finstern mit zitternden Händen an den Mauern der Häuser vorwärts, und ein Wunder war es, daß er die Richtung nicht verfehlte. Die Kirche von Sant’ Andrea stand noch klar vor seinen verwirrten Sinnen; dorthin mußte er, und sollte der Weg Jahre dauern. Mehr als einmal stürzte er zu Boden und erhob sich immer wieder, er fühlte, wie mit dem rinnenden Blut seine Lebensgeister hinschwanden, er dachte nur noch die Kirche zu erreichen, dort sein Haupt in Ginevras Schoß zu legen und in ihren Armen zu verbluten.

Wenige Schritte vor dem Portale strauchelte er und stürzte noch einmal; jetzt fehlte ihm die Kraft, sich zu erheben, sein Hirn vermochte nicht mehr zu denken; aber sein Ziel gab er auch jetzt nicht auf, und wie man zuweilen ein schon getödtetes Thier sich noch vom Platz bewegen sieht, krochen die kraftlosen Glieder noch am Boden hin bis zu den Stufen der Kirche, die das Mädchen mit ihrer Dienerin schon lange verlassen hatte.

In der Frühe des folgenden Morgens war dem schaulustigen Volk von Florenz ein aufregender Anblick beschieden: zwei Sbirren hoben vom Portal der Andreaskirche eine leblose, vor Kälte halb erstarrte Männergestalt aus einer großen Blutlache auf, und die herbeigeeilten Nachbarn erkannten in dem Ohnmächtigen, dessen Körper von Wunden bedeckt war, des alten Rondinelli einzigen Sohn. Man wußte nicht, wer die That gethan, noch wann sie geschehen war, denn niemand hatte in der Nacht Waffenlärm oder Hilferuf vernommen, und was die Neugierigen am meisten beschäftigte, war eine starke Blutspur, die von dem Kirchlein weg durch mehrere Gassen auf eine kleine Piazza führte. Warum der Verwundete sich den weiten Weg bis zur Andreaskirche geschleppt hatte, gab den guten Florentinern viel zu denken, sollte ihnen aber auf ewig ein Geheimniß bleiben. Sie legten ihn auf eine Bahre und trugen ihn so vor seines Vaters Haus, eine Menge Volkes drängte sich nach, und wenig fehlte, so wären die beiden Liebenden auf dem traurigen Wege einander begegnet. Denn gleichzeitig setzte sich eine seltsame Prozession vom Markusplatz, wo das Kloster der heiligen Ursula stand, nach dem Mercato in Bewegung; zwei Knechte der Amieri trugen eine verschlossene Sänfte, zu deren Seite Messer Cione degli Amieri und sein Schwiegersohn waffenklirrend einherritten, daß es aussah, als würde ein gefährlicher Staatsgefangener, nicht ein gebrochenes, fieberndes, halb bewußtloses Mädchen des Weges geführt.

Als Messer Cione hoch zu Roß mit seinem Schwiegersohne vor der Pforte des Klosters erschienen war, um seine Tochter zurückzufordern, denn durch Laurella wußte er schon, daß das Fräulein sich nach dem verfehlten Stelldichein unter den Schutz ihrer Tante geflüchtet, da hatte die Aebtissin sich wohl gehütet, den Zorn des Bruders zu reizen, und das unglückliche Mädchen war, von zwei Klosterfrauen mehr geschleppt als gestützt, ihren Verfolgern ausgeliefert worden.

Als sie im fahlen Morgenlicht an der Seite Messer Ciones die hagere Gestalt ihres Verlobten erblickte, richtete sie sich hoch auf, eine rasche Gluth stieg in ihr bleiches Gesicht, um dort als einzelner rother Fleck zurückzubleiben, ihre erloschenen Augen blitzten auf und sie sagte langsam mit lauter Stimme:

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_047.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2020)