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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Als auch diese Rufe in der Weite verhallten, griff der Dichter zu einem zeitgemäßeren Mittel, seine Anschauungen zur Geltung zu bringen, zum Romane. Die neuzeitliche Weltanschauung und ihre Einflüsse auf das Leben der Zukunft darzustellen, ist das Thema der „Sebalds“ wie der „Zwei Wiegen“; nur betont das erstere Buch mehr die religiöse und das zweite mehr die ethische Seite.

Schon in den siebziger Jahren vereinsamte der Dichter, indem alle seine literarischen Freunde in Frankfurt in rascher Folge dahinstarben, und so zog er sich noch mehr in den Kreis der Seinen, in das stille Haus am Taunusplatz, zurück, in dem er an der Seite eines geliebten Weibes, umgeben von erwachsenen Kindern und blühenden Enkeln, ein stilles und glückliches Leben führt, bis ihn einmal die alte Wanderlust ergreift und er nicht mehr täglich dichtend unter den Schatten der Kastanien seines Gartens auf- und abschreitet, sondern hinaus zieht in die Fremde, um die Schöpfungen seines eigenen Geistes lauschenden Hörern vorzutragen.




Die Landenge von Panama.

3. Die Durchstechung des Isthmus.
Von Dr. Emil Jung.

Der Gedanke an einen Kanal zur Verbindung des Caraibischen Meers mit dem Stillen Ocean ist so alt wie die Entdeckung der Landenge selber. Schon Cortes befragte den unglücklichen Montezuma nach dem vielgesuchten „Geheimniß der Durchfahrt“ und faßte auch an der Hand einer ihm übergebenen Karte den Plan, den Isthmus von Tehuantepec schiffbar zu machen. Dieser Plan wurde jedoch nie in Angriff genommen und schließlich ganz aufgegeben, als man sich von der Verjüngung der Landenge nach Süden zu überzeugte.

Nun wies Karl V. den Statthalter von Panama an, die passendsten Mittel vorzuschlagen, um eine Verbindung des schiffbaren Theils des Chagresflusses mit dem Stillen Ocean zu bewerkstelligen. Aber zu einem Versuch, ein solches Projekt auszuführen, kam es damals ebensowenig wie in späteren Zeiten, die sich immer noch ab und zu mit allerlei ähnlichen Entwürfen beschäftigten. Mit der Regierung des zweiten Philipp erlosch dann in Spanien das „heilige Feuer der Thatkraft“ wie für vieles andere so auch für dies große Unternehmen.

Freilich ließ Spanien 1781 einige Vermessungen machen, aber nun trat die französische Revolution mit den großen darauf folgenden Kriegen, dann der Abfall der spanischen Kolonien dazwischen, und die darauf in den neukonstituirten Republiken Centralamerikas gebildeten Gesellschaften arbeiteten ohne Erfolg. Ein 1830 im Namen des Königs von Holland mit Nicaragua abgeschlossener Vertrag führte wohl zu einigen Vorarbeiten, aber die Revolution, welche Belgien von Holland trennte, machte der Sache ein Ende.

Zwölf Jahre später wurde das Projekt in Amerika selber abermals aufgenommen. Nun bewarb sich der Mexikaner Garay bei seiner Regierung um ein Privilegium zur Herstellung einer interoceanischen Verbindung. Der Präsident Santa Ana erklärte in hochtönenden Worten, es sei die Absicht, vermöge derselben Mexiko zum Mittelpunkt des Handels und der Schifffahrt der ganzen Welt zu machen. Dabei wußte man von den Niveauverhältnissen des zu durchstechenden Landes blutwenig und dem Urtheil des deutschen Ingenieurs Cramer, welcher 1774 einen Kanal ohne Schleusen für möglich erklärt hatte, trat der Ingenieur Moro mit der Behauptung entgegen, daß man mindestens 150 Schleusen werde erbauen müssen.

Das Privilegium ging durch Kauf von einem Unternehmer zum andern, bis es schließlich sehr zum Mißvergnügen der Mexikaner in die Hände der Yankees gerieth, ohne daß aber das Unternehmen selber dadurch irgendwelche Förderung erfuhr. Und es dauerte nicht lange, so präsentirte sich der Welt Projekt auf Projekt, bis deren Zahl endlich bis zu achtzehn heranwuchs.

Aber gethan wurde nichts; am ernsthaftesten nahm die Sache wohl der Erbauer der Panama-Eisenbahn Totten, welcher sogleich nach Vollendung der Bahn an die Ausführung eines Schleusenkanals zwischen Colon und Panama dachte, denn die Idee eines Durchstiches hatte man bereits für ganz Centralamerika aufgegeben. Ein Schleusenkanal kann aber für den interoceanischen Verkehr eine verhältnißmäßig nur geringe Bedeutung haben; die Amerikaner in der Union freilich sind es schon zufrieden, wenn derselbe nur ihrem Handelsverkehr zwischen den östlichen und südlichen Staaten einerseits und jenen der pazifischen Küste andererseits sich förderlich erweist.

Bis aber Lesseps, der geniale Erbauer des Suezkanals, der Sache näher trat, kam man über Erwägungen, Untersuchungen und Berichte wenig hinaus, kein endgültiger Plan wurde aufgestellt, kein Schritt gethan, dem Unternehmen die nöthige finanzielle Grundlage zu sichern. Erst im Jahre 1876 bildete sich zu Paris ein internationales Komitee, um von neuem selbständige Forschungen zu beginnen und namentlich die Ausführbarkeit eines Kanals im Niveau der Oceane, also ohne Schleusen, ins Auge zu fassen, da nur ein solcher dem Weltverkehr in ausgiebigstem Maße zu nützen vermag. Man beauftragte nun die Schiffslieutenants Wyse und Reclus, eine genaue Aufnahme derjenigen Linien zu machen, welche über die Landenge an ihrer engsten Stelle gehen.

Als am 15. Mai 1879 die Generalversammlung der internationalen Gesellschaft in Paris zusammentrat, lagen acht Projekte vor. Sieben davon gingen durch kolumbisches Gebiet, eines führte durch Nicaragua. Fast alle bedurften zu ihrer Ausführung der Tunnels und eines mehr oder weniger umfangreichen und kostspieligen Schleusensystems. Aber gegen ein solches war die Versammlung fast einstimmig; nach lebhafter und eingehender Diskussion wurde am 29. Mai mit 74 von 98 Stimmen der Kanal im Meeresniveau und ohne Tunnel durch den eigentlichen Isthmus von Panama, und zwar längs der Panama-Eisenbahn, wie Wyse und Reclus es empfohlen hatten, beschlossen. Man verwarf alle Schleusenkanäle, gegen die das schwerwiegende Bedenken sich erhob, daß kaum mehr als 12 Schiffe täglich durch die Schleusen würden fahren können. Die Ausführung des Projektes wurde in die Hände Ferdinands von Lesseps gelegt.

Der Kanal sollte eine Länge von 75 Kilometern haben, wovon die ersten 23 Kilometer von Colon aufwärts, sowie die letzten 11 Kilometer gegen Panama zu aus weichen Bodengattungen bestehen, welche mit Maschinen ausgehoben werden können, während der mittlere Theil durch den Bergrücken des Cerro Culebra aus hartem dolomitischen Gestein gebildet wird, das durch Sprengungen entfernt werden muß. Man berechnete die Masse des auszuhebenden Gesteins auf 100 bis 120 Millionen Kubikmeter, wovon 40 Millionen aus Dammerde, Konglomerate, thonige Schiefer und Schlammboden unter Wasser, dagegen 80 Millionen auf sehr harte eruptive Gesteine kommen. Die Arbeiten wurden durch Lesseps’ unermüdliche Thätigkeit, der die ersten Schwierigkeiten bei Beschaffung des nöthigen Kapitals glücklich überwand, im Jahre 1882 begonnen und sollten 1888 beendet sein. Wir wissen heute, daß man von der Eröffnung des Kanals noch recht weit entfernt ist. Es ist die Vollendung dieses großartigsten Unternehmens der Neuzeit jetzt zu einer Kapitalfrage geworden, deren endliche glückliche Lösung man erwünschen mag, wenn man dieselbe auch als höchst zweifelhaft, zum mindesten als in eine recht weite Ferne gerückt bezeichnen muß.

Der Anfang des Unternehmens ließ sich sehr ungünstig an. Lesseps hatte die Gesammtkosten auf 780 Millionen Franken veranschlagt und bezeichnete eine Summe von 400 Millionen als vorläufig völlig ausreichend, allein trotz des Vertrauens, das man ihm allseitig aussprach, war die Theilnahne der Finanzwelt, namentlich der amerikanischen, eine so geringe, daß die Zeichnung auf die 800 000 ausgegebenen Aktien zu je 500 Franken höchst dürftig ausfiel und die Anzahlungen zurückgegeben werden mußten.

Aber Lesseps’ unermüdliche Thätigkeit überwand im Verein mit seinem großen Ruf als Sachverständiger alle sich entgegenstellenden Schwierigkeiten, so daß 1882 die Kanalgesellschaft sich konstituiren konnte, allerdings mit einen Aktienkapital von nur 300 Millionen Franken. Die Arbeiten konnten nun aber

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_076.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)