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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Der „Vulkan“ in Stettin: Die Werft.

Aus den Werkstätten des Vulkan.

Mit Illustrationen von Fr. Kallmorgen und Willy Stöwer.

Wie lange ist es her, daß man überhaupt von einer deutschen Schiffsbaukunst sprechen kann? Das alte Erbtheil der wackeren Hansen, die ebenso treffliche Schiffsbauer wie seekundige

Auffahrt zum Oberhof mit der neuen Gießerei.

Kaufleute waren, schien für immer verloren; noch im Beginn der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts beschäftigten sich die wenigen deutschen Werften fast ausschließlich mit dem Bau von Fahrzeugen zweiten und dritten Ranges, ja als unter Preußens Leitung eine vaterländische Flotte entstand und erstarkte, war diese für die Beschaffung ihres Materials zunächst beinahe gänzlich auf das Ausland angewiesen. Gerade während sich in England, Amerika und Frankreich der seit der Einführung der Dampfkraft bedeutungsvollste Umschwung im Schiffsbau vollzog, indem die Anwendung des Eisens für die verschiedensten Zwecke der Konstruktion immer weitere Ausdehnung erlangte, lag in Deutschland trotz unserer seetüchtigen Küstenbevölkerung und des keineswegs erstorbenen Unternehmungsgeistes unserer Großkaufleute der ganze Industriezweig brach oder wandelte doch, eines neuen Aufschwungs scheinbar unfähig, die alten, ausgetretenen Geleise.

Es galt unter diesen Verhältnissen geradezu als Wagniß, als im Jahre 1851 die Herren Fürchtenicht und Brock in Bredow bei Stettin eine Maschinenfabrik und Werft errichteten, welche sich in erster Linie mit dem Bau eiserner Dampfer beschäftigen sollte. Gründe waren billig wie Brombeeren, daß ein derartiges Werk nicht gedeihen könne. Die verhältnißmäßig geringe Entwickelung der damaligen deutschen Hüttenwerke, die mangelhaften Verkehrsmittel zwischen ihnen und Stettin, das gänzliche Fehlen eines gut herangebildeten Arbeiterstammes, schließlich vor allem die anscheinend unüberwindliche englische Konkurrenz waren in der That Bedenken, wohl geeignet, selbst einen energischen Mann von einer derartigen Schöpfung zurückzuschrecken, und die anfängliche Entwickelung der Werft schien in der That keine überaus günstige. Zwar lief bereits im Jahre 1853 der erste ganz auf dem Etablissement gebaute und ausgerüstete Dampfer „Dievenow“ vom Stapel und erregte durch die Solidität seiner Konstruktion unter den Stettiner Fachleuten einiges Aufsehen – er ist, beiläufig bemerkt, noch heute nach 36 Jahren im Dienst – aber das Werk wollte trotzdem nicht recht gedeihen, da die ursprüngliche Anlage die Mittel seiner Besitzer geschwächt hatte. Es war unter diesen Umständen ein Glück, daß sich in Stettin einsichtige Männer fanden, welche das Unternehmen in richtiger Würdigung seiner Bedeutung retteten und ihm zugleich eine breitere, gesicherte Grundlage schufen; die mit ausreichendem Kapital ausgerüstete nunmehrige „Stettiner Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft Vulkan“

Inneres der neuen Schiffsmaschinen-Montage.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_108.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2020)