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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

theilweise daraus, daß die relative Feuchtigkeit an verschiedenen Stellen eines geheizten Zimmers nicht gleich groß ist. Bei dem Zusammenwirken genannter Umstände können Abweichungen von 25 Prozent und mehr in den Ermittelungen der relativen Feuchtigkeit bei Zimmern mit thatsächlich gleicher relativer Feuchtigkeit wohl vorkommen.

Nach meinen vieljährigen Beobachtungen halte ich es für zweckmäßig, daß die Zimmerluft künstlich befeuchtet wird, wenn in Kopfhöhe an einer Wand von mittlerer Temperatur oder in der Mitte des Zimmers die relative Feuchtigkeit geringer ist als 40 Prozent der Sättigung, daß aber die Luftbefeuchtung höchstens bis zu 60 Prozent fortgesetzt wird.

Zwischen diesen Grenzen findet jeder die Luftfeuchtigkeit angenehm, nicht aber weit darüber und darunter. Eine relative Feuchtigkeit von 70 Prozent in einem geheizten geschlossenen Zimmer wird mir lästig, eine von 80 Prozent fast unerträglich, während einige Personen meiner Umgebung sich auch in so feuchter Luft behaglich fühlen, dagegen eine Luft von etwa 30 Prozent der Sättigung, wobei ich nicht das mindeste Unbehagen fühle, unerträglich trocken finden.

Nicht außer Berücksichtigung zu lassen ist auch, daß in sehr trockener Luft Möbel und Bautheile aus Holz schwinden und reißen, auch Tapeten abspringen, daß dagegen starke Luftbefeuchtung schädliches Aufquellen mancher Gegenstände, Rostbildung und feuchte Wände mit ihren für Eigenthum und Gesundheit verderblichen Folgen verursacht.

Damit ergiebt sich die Zweckmäßigkeit der Anwendung von Mitteln, welche die relative Feuchtigkeit bestimmen lassen. Wo es genügt, bedeutende Zunahme und Abnahme der Luftfeuchtigkeit zu erkennen und verschiedene Feuchtigkeitszustände ungefähr zu schätzen, kann man sich der weniger genauen Hygroskope, Feuchtigkeitsanzeiger, bedienen. Um aber den Grad der Sättigung der Luft mit Feuchtigkeit genauer zu beobachten und zu messen, braucht man Hygrometer. Alle Vorrichtungen dieser und jener Art können als Feuchtigkeitsprüfer bezeichnet werden.

Solche Feuchtigkeitsprüfer hat es vor Jahrhunderten schon gegeben. Von jeher hat es die Naturgelehrten beschäftigt, die Feuchtigkeitszustände der Atmosphäre und deren Zusammenhang mit der Witterung zu erforschen. Im Dienste der Wetterkunde sind daher Hygrometer und Hygroskope längst bekannt, und zwar in großer Menge und Mannigfaltigkeit.

Die Wahrnehmung, daß gewisse Körper in feuchter Luft schwerer, in trockner Luft leichter werden, mußte schon in den ältesten Zeiten darauf führen, die Vermehrung des Gewichts eines solchen Körpers durch aufgenommene Feuchtigkeit als Maß dieser dienen zu lassen. Man hängte den wasserziehenden (hygroskopischen) Stoff an einem Wagbalken auf, und ein Zeiger auf der anderen Seite gab durch seine höhere oder tiefere Stellung die Grade der Feuchtigkeit oder Trockenheit an. So benützte man das Meergras, häufiger noch einen mit Salmiak getränkten Badeschwamm, ferner Kochsalz, Weinstein und andere Salze in gepulvertem Zustande. In gleichem Sinne wird von der Eigenschaft der Schwefelsäure, Wasser aus der Luft aufzunehmen, seit 200 Jahren Gebrauch gemacht.

Zu den am frühesten zur Bestimmung der Luftfeuchtigkeit angewandten wasserziehenden Stoffen gehört das Papier. Auf der Londoner internationalen Ausstellung wissenschaftlicher Apparate 1876 waren zwei Papierhygrometer zu sehen. Das älteste, vielleicht über 260 Jahre alte aus King Georges III. Museum ist ein Gewichtshygrometer; es läßt die Feuchtigkeit aus dem Gewicht einer Anzahl angehängter Papierscheiben bestimmen. Das andere, 1664 von Folli da Poppi hergestellt, beruht auf der durch Feuchtwerden erfolgenden Längenzunahme; es zeigt einen in wagrechter Richtung mit den Enden auf Säulen befestigten Papierstreifen, in der Mitte mit einem Gewicht und Zeiger belastet, dessen höherer oder tieferer Stand Trockenheit oder Feuchtigkeit anzeigt.

Zu den schon vor mehr als 200 Jahren benützten Hygrometern gehören ferner die von Darmsaiten, bei welchen die Zunahme der Luftfeuchtigkeit Aufdrehen und damit Drehung eines daran aufgehängten Zeigers oder anderen Gegenstandes bewirkt. Darauf beruht auch die Einrichtung des sogenannten holländischen Wetterhäuschens, um 1685 von Molyneux erdacht und mit unwesentlichen Veränderungen heute noch ein beliebter Beobachtungsgegenstand. Auf einer Scheibe, welche an einer Darmsaite hängt, sind einander gegenüber zwei verschiedene Figuren stehend befestigt, gewöhnlich ein Mann mit einem Regenschirm und eine Frau mit einem Fächer oder Sonnenschirm, oder auch ein Gärtner mit einer Gießkanne. Bei feuchter Luft kommt die erstere Figur durch eine Thüröffnung zum Vorschein, bei trocknem Wetter die andere.

Die Wahrnehmung, daß eine zwischen zwei festen Punkten gespannte Darmsaite in feuchter Luft tiefer, in trockner Luft höher tönt, war Veranlassung zur Anfertigung von akustischen oder Tonhygroskopen.

Kurze dicke Stückchen von Darmsaite hat man stehend befestigt und oben mit einem Zeiger versehen. In gleicher und ähnlicher Weise haben andere feuchtigkeitziehende Körper Anwendung gefunden: ein dünn geschabter und schraubenförmig geschnittener Federkiel, Grannen von Wildhafer, die gewundenen Spitzen von Geranien und Pelargonien, die spiralförmigen Grannen des Storchschnabels oder Reiherschnabels. Feuchtigkeitsprüfer letzterer Art werden in neuerer Zeit wieder angeboten. Bei manchen derselben sieht man die Granne vollständig und die Spitze dient unmittelbar als Zeiger oder trägt ein vergoldetes Blättchen (Wetteranzeiger von Gangwisch in Hätzingen), bei andern verdeckt das Gehäuse die stark gekrümmte Granne und nur ein daran aufgestecktes gefärbtes Strohröhrchen ist sichtbar, welches als längerer Zeiger sich über eine ziemlich große Bogenskala hinbewegt (Hygroskop von August).

Einen dünn geschabten Federkiel, mit Quecksilber gefüllt, verwendete 1783 Chiminello, und Gefäßhygrometer nach gleichem Princip machte man von Cylindern aus Buchsbaumholz oder Elfenbein, auch von Rattenblasen, indem man bis zu gewisser Höhe Quecksilber in dieselben einfüllte und ein Glasröhrchen einsetzte.

Am meisten hat man band- und fadenförmige feuchtigkeitziehende Körper benutzt, um aus deren Verkürzung in trockner und Verlängerung in feuchter Luft auf den Grad der Luftfeuchtigkeit zu schließen. So außer dem Papierstreifen des Folli da Poppi auch Pergament, ferner einen Streifen Goldschlägerhaut (J. Baptiste), ein Stück Froschhaut, Eihaut, dünne Brettchen und Hobelspäne, quer über die Fasern geschnittene Fischbeinstreifen (De Luc 1773), dünne Hanffäden, Hanfschnüre ohne weitere Zubereitung oder in Salzwasser gesotten (Smeaton 1770), Seide, den Darm des Seidenwurms, Coconfäden, Haare.

Von allen aus den genannten Stoffen angefertigten Vorrichtungen zur Erkennung der Luftfeuchtigkeit hat nur das Haarhygrometer, welches Horace de Saussure, Professor der Physik in Genf, vor mehr als 100 Jahren erfand, allgemeines Ansehen erlangt und fast unverändert bis in die Gegenwart Anwendung gefunden. Die Einrichtung ist folgende:

Ein durch Kochen in Kalilauge oder durch Einlegen in Schwefeläther entfettetes blondes Menschenhaar ist an dem einen Ende befestigt, an dem andern um eine Rolle geschlungen, welche den Zeiger trägt. Ein kleines Gewicht an der Rolle hält das Haar gespannt. Der Zeiger deutet auf eine Kreisbogenskala, welche gleichmäßig getheilt ist.

Hierzu muß bemerkt werden, daß Haare sich nicht gleichmäßig mit der Zunahme der Feuchtigkeit verlängern, sondern von der größten Trockenheit, dem Nullpunkt der Skala aus, anfangs am meisten, dann immer weniger und in der Nähe des Sättigungsgrades, dem Punkt 100 der Skala, nur noch sehr wenig. Daher entsprechen die Hygrometergrade der gleichmäßig getheilten Skala nicht den Prozenten der höchstmöglichen Feuchtigkeit, der Sättigung. Um die relative Feuchtigkeit unmittelbar erkennen zu lassen, müßten die Theile der Skala nach einem bestimmten Verhältniß ungleich sein, von 0 bis 100 immer enger werden. Bei einer relativen Feuchtigkeit von 50 Prozent der Sättigung stellt sich der Zeiger des gleichheitlich getheilten Saussureschen Haarhygrometers auf ungefähr 72. Dieser Umstand, wenig bekannt, mag zu der viel verbreiteten irrthümlichen Annahme geführt haben, daß ein sehr hoher Feuchtigkeitsgehalt der Zimmerluft wünschenswerth sei.

Bald nach Saussure suchte man dessen Hygrometer dadurch zu verbessern, daß man anstatt eines Haares mehrere, drei oder sogar acht mit einander verbundene Haare nahm. Aber wegen der ungleichen Beschaffenheit derselben und der ungleichmäßigen Spannung, auch wegen der nicht mehr so allseitigen Berührung der Luft mit den an einander liegenden Haaren, machte man

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_187.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)