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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

„los Americanos“, und zweifelsohne wird gar bald die thätig schaffende angelsächstsche Rasse der Stadt Santa Fé ein anderes, ein amerikanisches Gepräge verliehen haben.

Unter den Handelsfirmen der Stadt befinden sich auch einige deutsche; so unterhalten die Gebrüder Spiegelberg, die Häuser Z. Staab, Ilfeld und Komp. reiche Waarenlager, während bei Lucas und Komp. wahre Prachtstücke jener herrlichen Gold- und Silberfiligranarbeiten zu finden sind, die vornehmlich in Santa Fé, Las Vegas und Chihuahua angefertigt und von den Besuchern der Stadt viel gekauft werden. Auch die hier in Massen aufgestapelten, originell geformten und grellbemalten Thongefäße der Pueblo-Indianer, welche vielfach Thier-, Menschen- und Göttergestalten nachbilden, finden viele Abnehmer.

Von je her war Santa Fé die „Capitale“ des südwestlichen Nordamerika und der Hauptstapelplatz des Handels mit dem alten Mexiko, Arizona, Texas und Kalifornien.

Von den Ufern des Missouri her führte jener wunderbare, über 800 Meilen lange „Santa-Fé-Trail“, eine von blutiger Romantik umwobene Handelsstraße, die gar oft der Schauplatz erbitterter Kämpfe zwischen Händlern und Grenzstrolchen, zwischen Ansiedlern, Wegelagerern und Indianern war. Hunderte von „Prairieschooners“, hochbeladenen Frachtwagen, bildeten eine Karawane, deren Eintreffen nach monatelanger Wanderfahrt ein Ereigniß für die Bewohnerschaft von Santa Fé bedeutete.

Bis vor wenig Jahren bestand der „Santa-Fé-Trail“, bis zum Jahre 1880, wo die erste Lokomotive in die alte Bergstadt einfuhr, die bisherigen Verkehrsmittel ablöste und dem Handel neue Bahnen öffnete.




In den Wolken.

Eine Waldgeschichte von Heinrich Noé.
(Schluß.)
6.

Ein schlimmer Handel das!“ sagte der Forstmeister in der Stadt, nachdem er den Bericht des Eisenhans angehört hatte. „Um so schlimmer, als Ihr, wie Ihr selbst eingesteht, mehr als einmal gefährliche Drohungen gegen den Menschen ausgestoßen habt.“

„Ja, ja, das war mein Fehler,“ sagte zögernd der Eisenhans.

„Für den Ihr jetzt so lange gestraft werdet, als sich der Meßner nicht vorfindet.“

So ging es auf dem Forstamt zu. Es war aber doch viel besser als das, was dem Eisenhans bei Gericht widerfuhr. Denn der freundliche Forstmeister kannte seine Leute und wußte, daß der Eisenhans zu einer That, wie diejenige war, deren er verdächtigt wurde, ganz und gar unfähig sei.

Bei Gericht war es anders. Der Beamte, der die Anzeige aufnahm, machte eine eigenthümliche Miene. Aus seinen Fragen ging geradezu hervor, daß er sich seine besonderen Gedanken machte. Er entließ den Eisenhans mehr als kühl und diesem entging der Blick nicht, mit welchem ihn der Richter verabschiedete. Diese Erfahrungen verfehlten ihren Eindruck nicht. Sie erregten in dem alten Förster ein eigenthümliches Gefühl von Widerwillen und Trotz. „Verlasse sich einer auf die Menschen!“ brummte er vor sich hin, während er durch eine enge Gasse der Stadt schritt. „Wahres Vertrauen hegt zu uns doch nur Weib und Kind.“

Das sagte er in einem Augenblick, in welchem niemand der Zweifel über ihn so voll war wie Regina, sein Liebling.

Jedesmal, wenn der Eisenhans in die Stadt kam, litt es ihn nicht lange zwischen den Mauern. Er dachte an seinen Wald, an die freie, weite Welt, die er von ihm aus überschaute. Heute aber war ihm diese Empfindung zum Heimweh geworden – es verlangte ihn nach einem theilnehmenden Wesen.

Indessen konnte er seinem Drange nicht sofort folgen. Regina hatte ihm einige Kleinigkeiten zu besorgen aufgetragen, welche sich auf den Haushalt bezogen. Auch mußte er noch an ein kleines Geschenk, ein Buch oder dergleichen, denken, welches er niemals unterließ seinem Töchterlein aus der Stadt mitzubringen.

Heute wußte er nicht, wo ihm der Kopf stand, und das Aussuchen eines solchen Geschenkes machte ihn völlig verwirrt. Er rannte herum, ohne zu wissen, wohin. Plötzlich fand er sich statt in der Gasse, in welcher die Verkaufsgewölbe offen stehen, am felsigen Ufer des Flusses. Er blieb stehen und schaute in die blauen Wellen als ob er ihnen das Geheimniß, welches ihn plagte, abfragen wollte.

Da legte sich ihm eine Hand auf die Schulter. „Der Eisenhans!“ sagte eine angenehm klingende Männerstimme.

Der Förster wendete sich um und stieß einen Ruf des Erstaunens aus. Derjenige, welcher ihn so berührt hatte, war Franz, ein alter Forstwart, der seiner Zeit jahrelang bei ihm oben im Bergwalde gedient hatte. Jetzt lebte er von seinem kärglichen Ruhegehalt in der Stadt.

Dieser Franz war ein merkwürdiger Kauz. Unter den Jägern gab es keinen abergläubischeren als ihn. Wild bannen, das heißt, es so bezaubern, daß es vor dem Rohr des Jägers stehen blieb, war eine Kunst, auf deren Wirklichkeit er schwur. Unfehlbare Kugeln gießen, die glücklichen Tage von den unglücklichen von vornherein unterscheiden, wunderkräftige Salben und Mixturen herstellen, das war seine besondere Wissenschaft.

Das plötzliche Auftauchen des vertrauten Gesichtes war dem Eisenhans keine unliebe Ueberraschung. Jetzt hatte er jemand, dem er klagen konnte, wo es ihn drückte. Er schlug Franz deshalb vor, mit ihm vor der Thür einer nahen Schenke Platz zu nehmen, wo sie sich unter den Latten des Rebendaches in den Schein der Frühlingssonne hinsetzten, welche hier im Thale schon angenehme Wärme verbreitete. Die Magd, welche den Wein auftrug, kehrte mit ihrer Schürze die Mandelblüthen weg, welche auf den Tisch gefallen waren.

„Nun!“ sagte Franz. „Was giebt’s denn Neues?“

Der Eisenhans ließ sich nicht zweimal auffordern, sondern erzählte von Anfang an die ganze Geschichte, die ihm in den letzten Tagen begegnet war.

Während er sprach, schaute Franz unter seinen buschigen grauen Augenbrauen fortwährend nach dem weißen Berge hinauf, wie wenn er durch das lichte Gewölk, welches dort lagerte, hindurch zu erspähen suchte, was die Lösung des Räthsels wäre, das er da zu hören bekam.

„Nun, Franz,“ so schloß der Förster seine Erzählung, „Du warst alleweil ein halber Prophet, Wahrsager und Zauberer. Jetzt wende einmal Deine Kunst an!“

Franz blickte unverwandt nach der Höhe, that einen mächtigen Zug aus dem gefüllten Weinglase und sagte ruhig:

„Ich meine, die Sonne wird es schon an den Tag bringen.“

„Das war einmal gescheit geredet,“ erwiderte der Eisenhans, indem er trotz seines Kummers lächelte. „Gerade ungefähr so viel habe ich mir auch gedacht.“

Der Franz aber schien sich aus dem gutmüthigen Spott des Eisenhans gar nichts zu machen. Er schaute unverwandt noch immerfort hinauf, als ob er von dort oben seine Eingebungen bekäme. Nach einer Weile sagte er wieder:

„Ja ja die Sonne bringt’s schon an den Tag. Alles kommt ans liebe Himmelslicht.“

Der Eisenhans sah, daß aus dem Kauze bis auf weiteres nichts mehr herauszubringen sein werde. Er schwieg deshalb eine Weile, dann suchte er das Gespräch auf einen anderen Gegenstand zu bringen, wurde aber von Franz unterbrochen:

„Höre, Eisenhans, heute mußt Du mich mit hinaufnehmen. Ich war schon lange nicht mehr droben. Da wollen wir dann unterwegs und bei Dir daheim weiter sprechen.“

Dem Eisenhans wäre kein Vorschlag gelegener gekommen als dieser.

„Das ist ein Wort,“ sagte er.

Zuerst aber wollte er noch in die Stadt gehen, um die Aufträge seiner Tochter zu besorgen und ihr ein kleines Geschenk zu kaufen. Franz ging indessen nach Hause, um sich für den Gang auszurüsten, nachdem er den Ort des Zusammentreffens am Nordende der Stadt mit dem Eisenhans verabredet hatte.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_195.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)