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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

somit 10 800 Mal in der Stunde. Die Schleifbahn legt daher an dem gegen dieselbe gehaltenen Schleifobjekte in der Stunde eine Strecke von 52 bis 58 Kilometer zurück. – Auf den Schleifflächen werden Hohl- und Rundkehlen mittels harter Stahlmeißel eingeschliffen, je nachdem dies die Form des zu schleifenden Achatsteines bedingt.

An den Schleifsteinen.

Die Schleifsteine dürfen keine Sprünge haben, weil die außerordentliche Schwungkraft dieselben leicht in Stücke zersprengt und dadurch das Leben der Arbeiter gefährdet. Die mit furchtbarer Gewalt herausgeschleuderten Stücke haben schon Arbeiter getödtet und verwundet und Wände und Fachwerk der Hütte zertrümmert. Sinnverwirrendes Geräusch macht sich beim Eintritt in eine in voller Arbeit befindliche Schleifstube bemerkbar. Sausend drehen sich die viele Centner schweren Schleifsteine an der Welle.

An jedem Schleifsteine können, wie unser Bild zeigt, zwei Schleifer gleichzeitig arbeiten, was unter Benutzung eines der Brustwölbung eines Mannes entsprechend ausgekehlten und an beiden Seiten für die Arme ausgeschnittenen Schemels in liegender Stellung geschieht. Die Arbeiter drücken in dieser Lage den zu schleifenden Achat entweder mit der Hand oder mittels eines an den Stein gekitteten Stäbchens fest an die durch einen stetig fließenden Wasserstrahl abgekühlte Schleifbahn, sich mit den Füßen gegen Querleisten stemmend, welche am Fußboden befestigt sind; nur in dieser Lage kann die ganze Körperkraft wirken. Die Arbeit hat aber in Verbindung mit den in die Lungen eindringenden, mit den feinen Abgängen des Schleifsteins und der Achate vermengten abgeschleuderten Wassertheilchen vielfach ein frühes Siechthum der Schleifer im Gefolge. Auch die unvermeidlichen Erkältungen in dem feuchten Schleifraume wirken ungünstig auf den Gesundheitsstand der Arbeiter.

Maschine zum Schneiden des Steines.

Sind die Achate geschliffen, so werden sie auf der Polirmaschine geglättet; dieselbe besteht aus einem Cylinder von hartem Holze, welcher mittels Treibriemen mit der Welle der Schleifsteine in Verbindung gebracht ist. Der zu polirende Stein wird einfach gegen den sich drehenden, mit Tripel bestrichenen Cylinder gedrückt.

Das Zerkleinern der Steine, welches früher höchst unzweckmäßig durch Zerschlagen mittels eines Hammers bewirkt wurde, wodurch eine Menge Rohmaterial unverwerthet in Abgang gebracht werden mußte, wird jetzt, wie dies unsere letzte Abbildung veranschaulicht, unter Verwendung einer sich drehenden Blechscheibe ausgeführt, deren äußere Kante, die Schneidefläche, sich beim Umdrehen mit einem Gemisch von Petroleum und Diamantstaub selbst bestreicht. Der zu schneidende Stein wird in einen klammerartig eingerichteten Hebel mittels Schrauben eingespannt und gegen die Schneidefläche gehalten.

Das Bohren der geschliffenen Achate geschieht unter Benutzung einer Stahlspitze mit eingesetzten Diamanten, oder von Messingröhrchen, die an dem bohrenden Ende mit durch Oel befeuchtetem Diamantstaube bestrichen werden. Die Stahlspitze, oder das Bohrrohr, wird mit einem Querholz nach Belieben stark angedrückt und durch die Schnur eines Fiedelbogens mit der Hand in kreisende Bewegung gesetzt.

Das Herstellen von Hohlgefäßen ist eine mühsame und langwierige Arbeit und bedarf großer Geschicklichkeit und Geduld.

Das Graviren der Steine wird auf einer Drehbank mit Fußbetrieb in der Weise vorgenommen, daß der zu schneidende Stein mit kunstgeübter Hand und sicherem Blick gegen eine an einer Achse kreisende Stahlspitze oder ein ganz dünnes Stahlrädchen gedrückt wird. Der Graveur bedient sich in der Regel geeigneter Vorbilder, aus Zeichnungen, Gipsabgüssen und sonstigen Abdrücken bestehend.

An die Achatschleiferei haben sich in Oberstein noch andere verwandte Industriezweige angeschlossen. So werden z. B. verschiedene optische Instrumente aus Bergkrystall geschnitten. Vor allem aber entwickelte sich in der Umgegend eine beachtenswerthe Metallschmuckfabrikation, die sogenannte Bijouterie fausse. Halbedelsteine braucht man nicht in gediegenes Gold zu fassen; Talmigold genügt in diesem Falle vollständig. Aber man darf auf die Herstellung des unechten Schmuckes nicht mit Geringschätzung herabblicken; sie beschäftigt mehr Hände und ernährt mehr Leute als die echte Goldschmiedekunst. Zählt doch der Bezirk Oberstein-Idar allein gegen 750 „Goldschmiede“ und verbraucht jährlich Edelmetalle für etwa 500 000 Mark.




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_217.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)