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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Ein Napolitaner.
Nach einem Gemälde von J. Casado del Alisal.
Photographie im Kunstverlage von B. Schlesinger in Stuttgart (J. Laurent & Co. in Madrid).

eines anderen auch gegen dessen Willen zu betreten, kann der Nichtjurist oft schwer beurtheilen, weil ihm die Bestimmungen der Gesetze, welche dieses Recht betreffen, nicht geläufig sind. Unter ganz besonderen Umständen wird allerdings der Richter so urtheilen können: „Das Eindringen des Angeklagten war objektiv widerrechtlich, aber es hat dem Thäter subjektiv das Bewußtsein dieser Widerrechtlichkeit (der dolus des Hausfriedensbruchs) gefehlt, und er ist deshalb freizusprechen.“ Aber in der Regel wird dieses mangelnde Bewußtsein nicht schlechterdings und allein daraus hergeleitet werden können, daß der Thäter sich in Unkenntniß über die einschlagenden Gesetze befunden habe.

Einige Andeutungen zur Erklärung des Begriffs der Widerrechtlichkeit des Eindringens mögen daher, wenn sie auch nicht alle Fälle erschöpfen, doch am Platze sein.

Vorab ist zu bemerken, daß der Zweck des Eindringens kein widerrechtlicher zu sein braucht. Nicht nur, wer in ein Haus eindringt, um die Bewohner zu mißhandeln oder zu beleidigen, oder um Sachen zu beschädigen oder zu stehlen, sondern auch der Vermiether, der ein wirkliches Pfandrecht an Möbeln des Miethers ausüben oder der die Wohnung einem Nachmiether zeigen will, ferner derjenige, welcher einen Besuch machen oder einen Schuldner mahnen will u. dergl., dringt, wenn ihm der Eintritt verwehrt wird, widerrechtlich ein, obgleich sein Zweck ein an und für sich erlaubter ist. Man hat bei den höchsten Gerichten sogar gesagt: „Das Hausrecht ist ein so unverletzliches und weitgehendes Recht, daß gegen den Willen des Berechtigten nur die Obrigkeit in Vollziehung ihres Amtes eindringen darf also z. B. der Gerichtsvollzieher zur Vornahme einer Pfändung oder zur Ausweisung des Miethers kraft eines vollstreckbaren Titels oder das Gericht oder die Polizei zur Vornahme einer gesetzmäßigen Haussuchung oder zur Ergreifung eines Verbrechers u. dergl.“ Also jeder Privatmann soll, wenn ihm der Inhaber eines befriedeten Besitzthums den Eintritt ohne Grund verwehrt, klagen müssen. Die Unterscheidungen, welche die Gerichte in solchen Fällen machen, sind nicht immer für jeden verständlich. Daher ist nach dem Grundsatze: „Vorsicht ist die Mutter der Weisheit“ die Hilfe des Richters oder des Gerichtsvollziehers der Selbsthilfe vorzuziehen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_249.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)