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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Der nordamerikanische Turnerbund. Seitdem die deutsche Einwanderung nach Nordamerika größeren Aufschwung genommen, seit 1850 besteht der Turnerbund, dessen Vorort seit einer Reihe von Jahren St. Louis im Staate Missouri ist. Ueberall wurden seit jener Zeit dort, wo sich Deutsche in größerer Anzahl niedergelassen, Turnschulen errichtet; die Lehrer waren zwar geschickte Turner, doch meist einseitig nur auf körperliche Ausbildung bedacht, ohne auf Geist und Gesinnung zu wirken. Erst im Jahre 1866 wurde ein Seminar für Turnlehrer in New-York errichtet, und mit jener Zeit begann die Blüthe des deutschen Turnwesens in den Vereinigten Staaten. Von New-York wurde das Seminar 1874 nach Milwaukee verlegt, von wo mehr als 100 tüchtige Lehrer in alle Staaten der Union ausgegangen sind. Auch größere Erziehungsanstalten, wie die Militärschule zu Westpoint, einzelne Realschulen und Universitäten pflegen die Turnkunst und beziehen ihre Lehrkräfte von dem Seminar. Die geistigen Bestrebungen des Turnerbundes liegen in den Statuten und Beschlüssen der Tagsatzung von Chicago (Mai 1888) klar zu Tage. Die Verbreitung von Bildung und Pflege von Sittlichkeit werden als die einzigen Mittel zur gründlichen Reform auf socialem, politischem und religiösem Gebiete anerkannt; die Entwickelung des Volksstaates auf wahrhaft menschlicher Grundlage wird als erstrebenswerthes Ziel hingestellt, gegen jede Beschränkung der Gewissensfreiheit und alle Rechtsverkürzungen Verwahrung eingelegt. Der Turnerbund befürwortet allgemeine Schulpflicht, unentgeltlichen Unterricht für die Mittellosen, kräftiges Eintreten zur Einführung des deutschen Unterrichts und des Turnens in die öffentlichen Schulen, progressive Einkommen- und Erbschaftssteuer und Ueberführung aller der Allgemeinheit dienenden Verkehrsmittel (Eisenbahnen, Telegraphen etc.) an den Staat. Der ganze Turnerbund bestand beim Beginn des Jahres 1888 aus 34 Bezirken, von denen die in St. Lonis, Chicago und New-York weit über 3000 Mitglieder zählten; die Zahl der Riegen war 3310, die der Vorturner 483. Das Bürgerrecht der Vereinigten Staaten besaßen 23 564 Turner.

Wenn bei den großen Bundesturnfesten, die alle vier Jahre abgehalten werden, Diplome und Ehrenkränze als Bundespreise ausgetheilt werden, so sind damit die Auszeichnungen nicht erschöpft, die der Turnerbund ertheilt; es giebt auch Preise für litterarische Arbeiten, wie ja auch alle Vereine belehrende Vorträge, Vorlesungen und Debatten wenigstens einmal monatlich abhalten. Die gleichmäßige Ausbildung von Körper, Geist und tüchtiger Gesinnung stellt den Bestrebungen des nordamerikanischen Turnerbundes das günstigste Zeugniß aus.

Sprachbegabte Vögel der Heimath. Wir haben schon wiederholt auf das vortreffliche „Lehrbuch der Stubenvogelpflege, -Abrichtung und -Zucht“ von Dr. Karl Ruß (Magdeburg, Creutzsche Verlagsbuchhandlung) hingewiesen. In den neuesten Lieferungen desselben finden wir einen hochinteressanten Abschnitt über die sprachbegabten Vögel, in dem auch unseren heimischen gefiederten Rednern eine ausführliche Betrachtung gewidmet ist. Dieselben sind nicht so hochbegabt wie die Papageien, bieten aber dem Liebhaber immerhin reichlichen Stoff zu einer erfreulichen Unterhaltung. Die Zahl derselben ist keineswegs gering: der Rabe, die Dohle, die Elster und der Eichelheher lernen in der Regel einige Worte nachplappern. Die Rednerkünste der Staare sind allgemein bekannt; sprachbegabt ist auch der Kanarienvogel, den wir wohl ebenfalls zu den heimischen Vögeln zählen dürfen; seine Sprachfähigkeit ist bis jetzt in sieben verbürgten Fällen nachgewiesen. Endlich soll auch ein Gimpel neulich einige Worte gesprochen haben. Dr. Karl Ruß, der als Herausgeber der Zeitschrift „Die gefiederte Welt“ ein überaus reichhaltiges Beobachtungsmaterial sammeln konnte, führt bei den einzelnen Gattungen höchst interessante und charakteristische Beispiele an. Wir wollen nur eins herausgreifen: die Elster des Herrn L. Hügel. Sie ist diebisch wie alle Elstern, zeichnet sich aber durch ungemein große Anhänglichkeit an die Familie ihres Herrn aus. Sie kennt alle Personen in der Familie aufs genaueste und ruft jede beim Namen. Bleibt jemand aus der Familie einen oder mehrere Tage fort, so äußert sie sich bis zu dessen Rückkehr mißmuthig, und kommt er zurück, so zeigt sie ausdrucksvoll ihre Freude, läuft ihm mit halbgeöffneten Flügeln entgegen, begrüßt ihn mit Freudegeschrei, fliegt ihm auf die Schulter und bleibt dort so lange, bis sie fortgejagt wird. Das Merkwürdigste an ihr ist der Umstand, daß sie alljährlich eine Reise in die Rheinpfalz mitmacht, am Bestimmungsorte angelangt, frei umherfliegt, den Tag über mit wilden Elstern verkehrt und abends zu ihrem Herrn zurückkehrt. –

Außerdem giebt uns der Verfasser kurze, aber sehr zutreffende Anleitungen, wie man die Vögel sprechen lehren soll. Man muß mit dem Unterricht möglichst früh anfangen, die Staare z. B. müssen schon frühzeitig aus dem Nest genommen und von ihrem künftigen Sprachlehrer zunächst geatzt werden, bis sie flügge werden und in das „Schulalter“ gelangen.

Bei manchen heimischen Vögeln, wie z. B. bei der Steindrossel, ist die Sprachbegabung bis jetzt überzeugend noch nicht nachgewiesen worden, und weitere Versuche nach dieser Richtung hin erscheinen wünschenswerth.

So bietet uns die heimische Vogelwelt, wenn sie in der Stube gepflegt wird, den interessantesten Beobachtungsstoff, und in dem verdienstlichen Werke von Dr. Karl Ruß findet namentlich der Anfänger eine reiche Quelle von Belehrung und vielfach auch zweckmäßigste Anregung. *

Auf dem Ararat. Die hohe Kaukasusspitze, auf der bekanntlich die Arche Noah gelandet sein soll, wurde neuerdings von einem russischen Forscher, Eugen Markow, bestiegen. Die Eingeborenen glauben, daß der Berg nicht zu besteigen ist, und um dieses Vorurtheil gründlich zu zerstören, hat Eugen Markow mit seinen Begleitern auf der zum Theil mit Schnee bedeckten Spitze eine 5 Fuß hohe Steinpyramide errichtet, die durch ein Fernrohr vom Fuße des Berges aus gesehen werden kann. Außerdem wurde auf der Spitze ein Minimalthermometer niedergelegt, so daß spätere Ersteiger des Ararat die niedrigste Temperatur werden ablesen können, welche in der bedeutenden Höhe von über 5100 Metern während einer geraumen Zeit vorgekommen ist. – Die Arche Noah und ein Minimalthermometer – das sind zwei grundverschiedene Dinge, von denen nunmehr die Geschichte dieses gewaltigen Bergriesen zu erzählen weiß. *




Hieroglyphenräthsel.

Zur Erläuterung: Die Hieroglyphenbilder stellen die Mitlaute vor, z. B. für G = Glocke, für W = Wage etc., während die Punkte dazwischen die Selbstlaute bilden, die dem Worte richtig einzufügen sind.

Auflösung der Skat-Aufgabe Nr. 2 auf S. 308:

Die Hinterhand fängt den Ramsch mit zwei Jungfern, wenn die übrigen Karten so vertheilt sind:

Vorhand: sW, eZ, e7, gZ, gO, g8, sD, sZ, s8, s7;
Mittelhand: eD, eK, eO, e8, gD, g7, rD, rK, r9, rz,

Skat: gW, sK, denn Vorhand wird am besten sW anziehen und Mittelhand gD darauf abwerfen. Hinterhand kann dann ausspielen, was sie will, die Mitspieler werden immer durch niedrigere Karten ausweichen können. Vorhand hat 46 Augen und Mittelhand 44 Augen in der Hand.




Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

Ph. in Darmstadt. Die Schilderung des Lebens der Karoline von Linsingen und also auch der Bericht über ihren Scheintod ist einem Werke entnommen, das im Jahre 1880 bei Duncker und Humblot in Leipzig herausgegeben worden ist, und zwar, wie Sie S. 796 des Jahrgangs 1888 der „Gartenlaube“ genau angegeben finden, herausgegeben „nach ihren (d. h. der Karoline von Linsingen eigenen) Briefen und Aufzeichnungen“. Eine noch nähere Bezeichnung der Quelle ist unmöglich.

J. L. in Budapest. In dem Sprichwort „Wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen“ ist „sungen“ ohne allen Zweifel Vergangenheit. Die Form ist allerdings jetzt in der täglichen Sprache nicht mehr üblich, aber im Sprichwort ist sie, durch den Reim geschützt, erhalten geblieben.

O. in L. Der von Ihnen angeführte Satz ist grammatikalisch nicht anfechtbar, aber trotzdem dem Sinne nach zweideutig und darum verwerflich. Es hätte heißen müssen: „Die Herren Hauptlehrer M und (beispielsweise) Sekretär N“ oder „Herr Hauptlehrer M und Herr N.“

Fräulein Th. D. in F. Sie fühlen den Wunsch, Ihre Kräfte fürs Allgemeine anzuwenden, und wissen „nicht recht, wo und wie anfassen“. Wir wünschten, es befänden sich recht viele selbständige Damen in derselben Verlegenheit, wir könnten ihnen ein Arbeitsgebiet bezeichnen, das lohnend genug wäre: die Fürsorge für Arbeiterinnen und weibliche Dienstboten in der Weise, wie sie in einigen Städten Deutschlands bereits von aufopfernden einsichtsvollen Frauen geübt wird. Lesen Sie in der ausgezeichneten Vierteljahrsschrift „Die Frau im gemeinnützigen Leben“, herausgegeben von A. Sohr und M. Loeper-Houselle, den Artikel von R. Osius „Die Arbeiterinnenfrage“ (I. Heft 1889, Verlag von Hofmann, Gera) und überlegen Sie, wie in Ihrer Stadt die darin aufgestellten Forderungen nach Lehre und Aufmunterung für Arbeiterinnen und Dienstboten erfüllt werden könnten. Wie viele dienende Mädchen würden auf dem guten Wege beharren, wenn ihnen am Sonntag nachmittags ein geheiztes Lokal zur Verfügung stände, wo sie, statt in Wirthshäusern mit zweifelhafter Gesellschaft zu verkehren, mit guten Freundinnen sich unterhalten könnten, auch ein gutes Buch vorfänden und ein paar freundliche Frauen, die den Schlechtgewöhnten und Belehrungsbedurftigen ihre Pflichten und die Gründe derselben in zwanglosem Vortrage oder im Wechselgespräch auseinandersetzten! Freilich müßte eine Tasse Kaffee oder Thee und Weißbrot auch verabreicht werden; aber wie gering sind die Kosten für alles dieses in Anbetracht des großen Nutzens, den es schaffen könnte, wie leicht würde ein Verein von Frauen und Mädchen imstande sein, es herzustellen! Nicht Ihnen allein, sondern vielen unserer Leserinnen möchten wir diesen Gedanken ans Herz legen: Anschluß und praktische Rathschläge finden Sie bei den Herausgeberinnen der genannten Zeitschrift, die bereits seit Jahren rastlos dieselben Ziele verfolgen. Also nur frisch ans Werk – der Lohn an äußerem Erfolg und innerem befriedigenden Bewußtsein wird nicht ausbleiben!


Inhalt: Nicht im Geleise. Roman von Ida Boy-Ed (Fortsetzung). S. 325. – Maiglöckchen. Illustration. S. 325. – Bitte! Bitte! Illustration. S. 329. – Eine zweischneidige Tugend. Von W. Sonntag. S. 330. – Die Frauenarbeitsschule in Reutlingen. Mit Abbildung. S. 333. – Seine Mutter. Von A. Merck. S. 334. – Lenzeslust. Illustration. S. 337. – In Rotten Row. Ein Bild aus dem Londoner Leben. Von Wilh. F. Brand. S. 338. – Blätter und Blüthen: Die Sonne als Brandstifterin. Von C. Falkenhorst. S. 339. – Das ABC der Küche. S. 339. – Der nordamerikanische Turnerbund. S. 340. – Sprachbegabte Vögel der Heimath. S. 340. – Auf dem Ararat. S. S40. – Hieroglyphenräthsel. S. 340. – Auflösung der Skataufgabe Nr. 2 auf S. 308. S. 340. – Kleiner Briefkasten. S. 340.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1889, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_340.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)