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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

schöner Wirkung kommen. Am Hauptaltar des Domes legte der große Wettiner Konrad kurz vor seinem Tode 1156 vor einer zahlreichen glänzenden Versammlung von Fürsten und Rittern Scepter und Krone nieder, um lebensmüde den fürstlichen Hermelin mit der Mönchskutte zu vertauschen. So waren die weihevollen Räume des Domes in Lust und Leid die Zeugen der wechselnden Geschicke der Wettiner Fürsten.

Das Schloß, der würdige und freundliche Nachbar des Domes, war in seiner ursprünglichen Form schon von Heinrich I. als Residenz der Markgrafen angelegt worden. Gar oft sah wohl dies alte Markgrafenschloß in seinen Hallen Fürsten und Ritter mit glänzendem Gefolge zu prunkvollen Festen und Turnieren versammelt; nicht selten aber galt es auch, im heißen Kampfe den anstürmenden Feinden Stand zu halten.

Mehr als fünf Jahrhunderte hatte so das alte Schloß allen Kriegs- und Wetterstürmen getrotzt, und „da es endlich sehr eingegangen und bawfellig worden, vnd das Bergkwerg auff dem Schneeberg Anno 1471 mit gewalt angegangen vnd große Ausbeut gefallen, hat Hertzog Albrecht, Ernesti Bruder, das Newe Schloß, wie es jetzund noch steht, von grundt aus herrlich mit fünff gewelben vber einander, als zwey vnter vnd drey vber der Erden, erbawet.“[WS 1]

Im Jahre 1471, als die beiden fürstlichen Brüder Ernst und Albrecht die sächsischen Länder noch gemeinsam regierten, wurde der Bau unter Leitung des genialen Baumeisters Arnold v. Westphalen begonnen, und 1483 war derselben, hauptsächlich gefördert durch das thatkräftige Eingreifen Albrechts, in der Hauptsache vollendet.

Mit Recht bezeichnet man Albrecht als den eigentlichen Erbauer des Schlosses. Darum erhielt dasselbe auch infolge eines Dekrets des Kurfürsten Johann Georg II. vom Jahre 1676 den officiellen Namen „Albrechtsburg“, und seit dem Jahre 1876 schmückt ein herrliches Standbild des Erbauers den Burghof des Schlosses. Der stolze Bau, dessen Architektur die ganze Pracht und reiche Mannigfaltigkeit des gothischen Stiles zum Ausdruck bringt, zerfällt seiner wagerechten Ausdehnung nach in zwei Haupttheile, von welchen der kleinere, das Frauenhaus oder die Kemenate genannt, mit dem unmittelbar an den Dom sich anschließenden eigentlichen Schlosse einen rechten Winkel bildet. Nach der senkrechten Ausdehnung gliedert sich die Burg in sechs Stockwerke. Die fünf unteren, von denen zwei unterirdisch liegen, steigen in großartigen Wölbungen übereinander, das obere Stockwerk bildet ein Giebelerkergeschoß mit flachen Holzdecken.

Als architektonischen Glanzpunkt und als „eine bauliche Sehenswürdigkeit ersten Ranges und seltenster Eigenart“ bezeichnet man vor allem den großen Treppenthurm, in dem eine kunstvolle Wendeltreppe, der „große Wendelstein“ genannt, um eine hohle gewundene Spindel in 113 Stufen sanft bis zum Dachgeschoß hinaufführt. In jedem Stockwerk erweitert sich der Thurm zu Balustraden mit prächtig verzierten Altanen.

Die ganze Anlage des Schlosses bestätigt die Annahme, daß dasselbe ursprünglich zur gemeinsamen Residenz der fürstlichen Brüder Ernst und Albrecht, die schon im alten Schlosse „eines Tisches und einer Schüssel gebrauchten“, bestimmt war. Indeß kam dieser Plan nicht zur Ausführung, da noch während des Baues Dresden zur Haupt- und Residenzstadt des Landes bestimmt wurde. Und zwei Jahre nach der Vollendung, 1485, trat jene Trennung des Wettinischen Hauses in die Albertinische und Ernestinische Linie ein.

Damit aber ging das Interesse der Fürsten an dem herrlichen Bau verloren, und nach den zuverlässigen Angaben des Hofrathes Dr. Wilhelm Roßmann ist „das Schloß zu keiner Zeit in einer der reichen Architektur würdigen und derselben entsprechenden Weise ausgestattet gewesen. Die erste Ausstattung der Burg muß den aus jener Zeit erhaltenen Inventarien nach eine durchaus mangelhafte gewesen sein, und auch die nach dem Dreißigjährigen Kriege erfolgte Erneuerung, die als die verhältnißmäßig reichste bezeichnet wird, war eines Fürstenschlosses nicht würdig und zudem auch nicht dem Stile der Burg entsprechend, sondern dem Geschmack des ausgehenden 17. Jahrhunderts angepaßt.“

Nur noch vorübergehend „zu gelegentlichen Residenzen, zur Erledigung von Regierungsgeschäften oder zum Stilllager, zur Abhaltung von Trauergastmählern gelegentlich der Beisetzungen im Dom“ wurde das Meißner Schloß in der Zeit nach Albrecht von den sächsischen Fürsten benutzt.

Mit der Regierung Albrechts hatte daher auch die Stadt Meißen den Höhepunkt ihrer ersten Blüthezeit erreicht. Als Zeugen jener Zeit eines wohlhabenden Bürgerthums sind die groß angelegten städtischen Bauten Rathhaus und Stadtkirche erhalten, die, Ende des 15. Jahrhunderts errichtet, in ihren Größenverhältnissen den heutigen Anforderungen fast noch voll entsprechen.

Wenn Meißen im 16. Jahrhundert seinen Charakter als belebte, blühende Residenz mehr und mehr verlor, so entfaltete sich hier das kirchliche Leben – allerdings nur in äußeren prunkvollen Ceremonien – um so mehr.

Als in Kursachsen das Reformationswerk sich unter dem sicheren Schutze der Kurfürsten in immer festeren Formen ausgestaltete, war Meißen noch eine Hochburg des Katholicismus, denn Georg der Bärtige, der Sohn Albrechts, hielt die „neue Lehre“ mit allen Gewaltmitteln von den Grenzen seines Landes fern, und gewissermaßen als ein Protest gegen die Reformation wurde auf seinen Antrieb hin der Bischof Benno vom Papste kanonisirt. Vergeblich erhob Luther seine Stimme „wider den neuen Abgott und alten Teufel, der zu Meißen soll erhoben werden“; am 5. Juni 1524 wurden die gesammelten Gebeine Bennos in einem kostbaren Marmorgrab, das sich in der Mitte der Domkirche erhob, beigesetzt, und zwar, wie der Chronist meldet: „in herrlicher Solennitet, in Beysein vieler Fürsten vnd Herren, vnter welchen Hertzog George zu Sachsen vnd seine 2 Söhne vnd Hertzog Heinrich mit seinen jungen Herrlein auch gegenwärtig gewesen vnd sonsten ein grosser zulauff von vielem Volk fern vnd nahe.“

War das Grabmal Bennos schon vorher der Zielpunkt zahlreicher Wallfahrten gewesen, so mußte dieser Akt das Ansehen des Heiligen noch mehr erhöhen. In der Domkirche wurden in jener Zeit Seelenmessen an 56 Altären gelesen, und da diese Zahl noch nicht ausreichte, dem Strom der Wallfahrer zu genügen, so wurden überdies noch Tragaltäre aufgestellt.

Aber durch den plötzlichen Tod Georgs, dessen Söhne ihm alle im Tod vorangegangen waren, trat ein ungeahnter Umschwung ein, und Meißen gehörte mit zu den ersten Städten des Herzogthums Sachsen, in denen durch Heinrich, den Bruder und Nachfolger Georgs (1539 bis 1541), die Reformation eingeführt wurde.

Nach einer vorangegangenen Kirchenvisitation, der Justus Jonas und Georg Spalatin als Theologen beiwohnten, wurde am 15. Juli 1539 in der Domkirche, aus welcher das Grabmal des heiligen Benno entfernt worden war, im Beisein Herzog Heinrichs des Frommen und seiner Söhne Moritz und August sowie des Kurfürsten Johann Friedrich des Großmüthigen der erste evangelische Gottesdienst in Meißen abgehalten und damit die Reformation feierlich eingeleitet.

Die Einführung der Reformation war von weitgehender Bedeutung für die Neugestaltung des gesammten Schulwesens des Landes, insbesondere aber auch für die Einrichtung der Meißner Schulen. Wie anderwärtig, so lag auch hier das Schulwesen sehr im argen. Wohl gab es zwei Schulen, die mit dem Afrakloster und dem Domstift verbunden waren; aber in ihrem ausgesprochenen kirchlichen Charakter und in der engen Beschränkung ihrer Schülerzahl waren sie für die bürgerliche und berufliche Bildung fast ohne jedweden Einfluß.

Lag nun in der Idee der Reformation an und für sich schon die Umgestaltung und Hebung des gesammten Schulwesens begründet, so wurde dasselbe äußerlich noch dadurch wesentlich gefördert, daß die reichen Pfründen der aufgehobenen Klöster zum großen Theil dem Dienst der Schule überwiesen wurden. So erstand 1540 in den Räumen des aufgehobenen Franziskanerklosters eine lateinische Schule, das „Franciscaneum“ oder die „schola senatoria“ genannt, und wenige Jahre darauf, im Jahre 1543, begründete Herzog Moritz (1541 bis 1553) zwei weitere bedeutungsvolle Anstalten, nämlich die Landes- oder Fürstenschulen zu Meißen und Pforta, welchen sich später noch die zu Grimma anschloß, in denen „die Jugend zu Gottes Lobe vnd im Gehorsam erzogen, in denen Sprachen vnd Künsten vnd fürnehmlich in der heiligen Schrifft gelehret vnd unterweiset werde, damit es mit der Zeit an Kirchendienern vnd anderen gelahrten Leuten nicht Mangel gewinne.“ Zum ersten Rektor der Meißner Fürstenschule, welcher man die weiten Räume des aufgehobenen Afraklosters überließ, wurde Hermann Vulpius berufen.

Von den alten Klostergebäuden, die nach ihrer Ueberweisung an die Fürstenschule entsprechend umgebaut wurden, haben sich mehrere

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Laurentinus Faustus: Geschicht vnd Zeit-Büchlein / der weitberühmeten Churfürstlichen Stadt Meissen. Dresden 1588, S. 3 MDZ München
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_382.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)