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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

In den letzten Tagen des Augusts und in den ersten Tagen des Septembers beobachtete man ein kurz andauerndes, von Zeit zu Zeit erfolgendes Steigen und Sinken der Barometer. Dies waren die Folgen der Explosion von Krakatoa.

Versetzen wir uns in die Reichshauptstadt Berlin. Zehn Stunden nach der Katastrophe traf hier die erste atmosphärische Welle ein, die zu uns auf dem kürzesten Wege über Ostindien gekommen war. Etwa 16 Stunden später trat eine neue Barometerschwankung ein; sie deutete die Luftwelle an, die uns jetzt auf dem weiteren Wege über Amerika erreichte. Damit war das Erzittern des Luftreichs nicht beendet; nach 36 Stunden stellte sich die erste Welle, nachdem sie den Erdball umkreist hatte, wieder in Berlin ein; ihr folgte nun die Wiederkehr der zweiten. Immer schwächer und schwächer wurde ihre Wirkung auf das Barometer, aber man konnte feststellen, daß sie vier- bis fünfmal die Erde umkreiste, und zwar mit einer mittleren Geschwindigkeit von 310 Metern in der Sekunde. –

Es sollten aber noch andere für aller Augen sichtbare Folgen des gewaltigen Ausbruchs zu uns gelangen.

Im November und Dezember 1883 traten jene wunderbaren Färbungen und Steigerungen der Abend- und Morgendämmerung in Europa ein, die man mit dem wenig zutreffenden Namen „Nebelglühen“ bezeichnet. Professor J. Kießling in Hamburg gebührt der Ruhm, die wahre Ursache dieser Erscheinung durch Versuche nachgewiesen zu haben. Indem er mit Rauch und Wasserdampf in Glasgefäßen Proben anstellte, konnte er die Dämmerungserscheinungen im Laboratorium willkürlich erzeugen, und wir wissen nunmehr, daß diese prächtigen Färbungen des Himmels durch Beugungen des Lichtes hervorgerufen werden, und zwar in Atmosphärenschichten, die wir von jetzt ab „Dustwolken“ nennen. Eine solche Wolke besteht aus überaus kleinen, gleichmäßig gestalteten festen Massentheilchen, welche zugleich die Kerne für die Bildung von Wassertröpfchen abgeben. Ueberaus klein ist ein dehnbarer Ausdruck, wir wollen darum gleich bemerken, daß der Durchmesser dieser Massentheilchen ein Tausendstel eines Millimeters und darunter betragen soll.

Wie waren nun jene Dustwollen entstanden? Das Ergebniß der Krakatoaforschung berichtet darüber.

Der Krakatoa hat während des Ausbruchs etwa 18 Kubikkilometer Bimsstein und Asche herausgeschleudert. Ein Theil der feinsten Massentheilchen wurde durch die Pinienwolke in hohe Luftschichten getragen und verbreitete sich hier in einer Höhenzone von 10 bis 40 Kilometern über der Erde. Er bildete hier eine riesige Dustwolke, die von einer Luftströmung erfaßt und mit Sturmesgeschwindigkeit zunächst zwei- bis dreimal von Ost nach West um den Aequätor gejagt wurde. Darum traten auch in den Tropengegenden jene Dämmerungserscheinungen zuerst auf und wiederholten sich zwei- bis dreimal in Perioden, die durch den Zeitabschnitt von zwölf Tagen voneinander getrennt waren. Die Dustwolke brauchte also zwölf Tage, um den Aequator zu umkreisen, und man berechnete daraus die Geschwindigkeit jener hohen Luftströmung auf durchschnittlich 40 Meter in der Sekunde.

Allmählich sanken jedoch die Dustwollen in tiefere Schichten der Atmosphäre, geriethen in Luftströmungen, welche den Polen zustrebten, und wurden durch diese über den Himmel der gemäßigten Zonen verbreitet. Nun traten die Dämmerungserscheinungen bei uns auf, während sie in den Tropen verschwunden waren.

Wie lange diese Dustwolken in den hohen Regionen von 10 bis 40 Kilometern sich erhielten, kann man ermessen an der Dauer des braunrothen Ringes, der um die Sonne zu sehen war und gleichfalls auf das Vorhandensein der Dustwolken zurückzuführen ist: er wurde zuerst im September 1883 von Bishop in Honolulu beobachtet und blieb bis zum Frühjahr 1886 in Europa sichtbar. Der äußere Durchmesser dieses Ringes betrug nach den Mittheilungen von Professor Förster in Berlin nahezu 45, der innere nahezu 20 Grad. Nach innen ging die braunrothe Färbung desselben ziemlich allmählich in einen matt weißlichen Schein über, der die Sonne unmittelbar umgab. In Verbindung mit der Erscheinung dieses Ringes stand es auch, daß während der ganzen Dauer seiner Sichtbarkeit, sobald die Sonne von Wollen verhüllt wurde, die aber in ihrer Umgebung freie Lücken ließen, die letzteren Himmelsflächen, besonders in der Nähe der Wolkensäume, eine purpurne Färbung zeigten.

Das lange Schweben dieser Dustwolken ist durchaus nicht räthselhaft, wenn man bedenkt, daß die winzigen Massentheilchen Jahre brauchen können, um beim Herabsinken aus höheren Luftschichten die Strecke von einigen Kilometern zurückzulegen.

Die Dämmerungserscheinüngen sind verblaßt, der braunrothe Ring um die Sonne ist verschwunden. Die Eruption von Krakatoa hat uns ungeahnte Aufschlüsse über die Zustände der Atmosphäre in einer Höhe gegeben, in die niemals ein kühner Luftschiffer

Schuhplattler. Nach einer Zeichnung von Schwabenmajer.
Photographie im Verlage der „Photographischen Union“ in München.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 396. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_396.jpg&oldid=- (Version vom 1.4.2020)