Seite:Die Gartenlaube (1889) 449.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

No. 27   1889.
      Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.


Nicht im Geleise.

Roman von Ida Boy-Ed.
(Fortsetzung.)


Alfred ließ sich nieder und stützte den Kopf die Hand. Seine Augen hafteten am Boden. So sprach er mehr zu sich als zu Marbod:

„Der Kampf, der zwischen Gerda und mir herrschte, als wir noch vereint waren, oder doch nach Vereinigung strebten – er hat sich fortgesetzt in meiner Seele, – das Gedächtniß – die Phantasie streitet weiter. Wenn ich vergehe vor Verlangen, einmal nur dieses Augenpaar noch zu sehen, einmal nur diese Lippen zu küssen, die mir die höchsten Wonnen verhießen, dann fährt grell und verderblich zündend wie ein Blitz durch mein Erinnern ein Wort, ein Lachen, eine Geste von ihr; das Verlangen wandelt sich in Haß, die Sehnsucht nach dem Kusse in die Begierde, sie schlagen zu dürfen.“

„Mein Gott, sind das menschliche Gefühle?“ fragte Marbod entsetzt.

„Vielleicht die menschlichsten und ursprünglichsten,“ sagte Alfred tonlos; „sieh, ich weiß es, wenn sie jäh vor mir stände, wir wurden uns jauchzend wie Götter in überirdischen Seligkeiten in die Arme sinken und dann – erwachend in neugeborenem Haß uns gegenseitig zu vernichten wünschen. Aber daß ich dies weiß – siehst Du, dies grauenvolle Bewußtsein – das martert mich so entsetzlich … Ich weiß nun besser als ehedem, was dies alles ist. In ihr und mir sind gerade diejenigen Eigenschaften, die wir vielleicht in stiller Erkenntniß an uns selbst tadeln, daran wir vielleicht schwer tragen, vollkommen gleich. Deshalb haßt einer die Fehler des andern, wie man seine eigenen Fehler haßt, wenn man ihnen bei theuren Menschen begegnet – vielleicht, weil man die möglichen unglücklichen Folgen am besten beurtheilen kann aus der Erfahrung eigener Lebensqual heraus. – Dann aber sind in ihr und mir Wesensseiten, die dem


Die kaiserliche Jacht „Hohenzollern“. Nach einer Zeichnung von Hans Hampke.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1889, Seite 449. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_449.jpg&oldid=- (Version vom 1.1.2023)