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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Händen dem angestammten Thron, sie verwilligten als Geschenk des Landes die Summe von drei Millionen Mark. Sie wollten damit nach den Worten des Präsidenten der ersten Kammer „dem Jubelruf des Volkes etwas Dauerhaftes hinzufügen.“ Das Residenzschloß zu Dresden sei die ehrwürdige Heimstätte geworden, von wo aus die Regenten des Landes den Segen über dasselbe verbreitet haben. „Die Stände bitten Se. Majestät, als Zeichen ehrfurchtsvoller Dankbarkeit eine Ehrengabe zu Füßen legen zu dürfen, die Se. Majestät nach freiem Belieben zu möglichst wohnlicher Ausgestaltung Höchstihrer Heimstätte, sowie nach Befinden des Jagdschlosses Moritzburg allergnädigst verwenden zu wollen geruhen möge.“

In diesen Worten liegt ein längst gehegter Wunsch der Dresdener Bevölkerung, das den Verkehr an der wichtigsten Verbindungsstelle zwischen Alt- und Neustadt hemmende Georgenthor endlich fallen zu sehen. Eine würdigere Fassade thäte der alten Sachsenburg ohnehin noth, die stimmungsvollen Höfe aber müßten selbstverständlich unversehrt bleiben.

Der König nahm das Geschenk mit freundlichen Worten an, auch die Königin dankte in ihrer bekannten herzlichen Weise, und am Abend, als die Mitglieder der Ständeversammlung zur Hoftafel versammelt waren, toastete der König mit ergreifenden Worten auf die Zusammengehörigkeit von Fürst und Volk, dankte für all die Beweise von Liebe und Treue und noch ganz besonders für das Geschenk, welches das Land ihm durch seine lieben und getreuen Stände übergeben habe.

Am gleichen Abend brachten die Studirenden der technischen, sowie der thierärztlichen Hochschule zu Dresden, der Freiberger Bergakademie und der forstwissenschaftlichen Hochschule zu Tharand den königlichen Majestäten einen solennen Fackelzug, der trotz eines heftigen Regengusses ganz glänzend verlief.

Am Vormittag hatte der Festaktus der technischen Hochschule in der festlich geschmückten Aula des Polytechnikums stattgefunden, bei welchem Professor Gaedeke die Festrede hielt, die mächtigen Eindruck machte.

Bei dem Wettiner-Kommers der vier vereinigten Hochschulen sprach wie immer zündend der beliebteste Schönredner Dresdens, Professor Fritz Schultze.

Von dem Augenblick an, da die Majestäten von ihrem Sommeraufenthalt zu Strehlen ins königliche Residenzschloß übergesiedelt waren, schien die Volksbewegung in den Straßen den Gesetzen für den Kreislauf des Blutes zu folgen; die Residenz des Königs an der Elbe war das Herz, von dem alles ausging und zu dem alles zurückströmte. Die Stauungen in der Hochfluth nahmen oft lebensgefährlichen Charakter an; es glaubte schon keiner mehr zu schieben, jeder war froh, wenn er überhaupt geschoben wurde. In den Wogen des Straßenverkehrs litt manches Kostüm, mancher Staatsfrack oder ehrbare Cylinder Havarie, und so leicht die Gedanken über Volksbildung und anderes Humanitäres bei einander wohnen, hart im Raume, der fast schon keiner mehr ist, stoßen sich die Ellbogen.

Das „Armeefest“ war ein völlig einzig in seiner Art dastehender, höchst gelungener Huldigungsakt des gesammten sächsischen Offiziercorps für seinen ruhmbedeckten König und Kriegsherrn.

Wenn man eine militärische Ruhmesthat der Sachsen aus einer Zeit blendender Kostüme und Uniformen zum Mittelpunkt der Huldigung machen wollte, so lag nichts näher, als die berühmte Entsetzung und Befreiung Wiens von den Türken Anno 1683 herauszugreifen, an welcher, wie nunmehr historisch feststeht, Kurfürft Johann Georg III., der „sächsische Mars“, mindestens ebenso viel Antheil hatte wie der darob gefeierte Polenkönig Sobiesky.

Das „Armeefest“ gruppirt sich um die sächsische Beihilfe zu der denkwürdigen That. Die zu dem „Reiterfest“, wie der volksthümliche Ausdruck lautete, eigens erbaute elektrisch erleuchtete Arena in Albertstadt draußen neben der Gardereiterkaserne ward der Schauplatz des glänzendsten und eigenartigsten Schauspiels der ganzen Wettin-Feier. Es war die ungetrübteste Verkörperung des historischen Grundgedankens, es stellte den lebendigen Zusammenhang dar, der von der Lehensgefolgschaft bis zum Volk in Waffen führt. Und wie der Geist, so der Körper: die schönsten Menschen, das erlesenste Pferde- und Kostümmaterial, das je zu einem öffentlichen Schaugepränge verwendet wurde.

Die Einzelheiten: ein mit allen Cirkuskünsten schneidigst ausgeführtes Tatarenfest, eine Dragoner-Quadrille, der Aufzug des polnischen Heeres in geradezu blendender Kostümpracht, das Kaiserliche Heer, ein Ulanenritt mit Schleifenraub, das kurfürstlich sächsische Heer, ein Schulfahren mit echten alten Geschützen, der Einzug der Panzerreiter des Regiments zu Roß „Plotho“, aus welchen die „Gardereiter“ sich entwickelt haben, Kurfürst Johann Georg III. mit Gefolge, die kurfürstliche Infanterie, die Standarte des Hauses Wettin mit der Ehrenwache, alle diese Einzelheiten sammelten sich unter passender Musik am Schluß zu einem überwältigenden Huldigungsakt für den König.

War das „Armeefest“ der Glanzpunkt der Schauspiele, so bildete die Enthüllung des König Johann-Denkmals den eigentlich offiziellen Mittelpunkt der Dresdener Festtage. Es war ein echt königlicher Akt der Pietät, da König Albert bestimmte, daß die Wettin-Feier mit der Enthüllung der Reiterstatue seines hochseligen Vaters zusammenfallen solle.

König Johann war ein Fürst, der in Wahrheit auf der Menschheit Höhen wandelte. Johannes Schillings Meisterhand hat ihn hoch zu Pferd dargestellt, den Krönungsmantel über der Generalsuniform. Als ein echter Fürst des Friedens trägt er das Scepter im rechten Arm, kein Helm bedeckt das Haupt, die Denkerstirn ragt frei empor, die Aehnlichkeit ist geradezu überraschend. Das Denkmal, dessen feierliche Enthüllung, vom schönsten Wetter begünstigt, auf dem Theaterplatz, wo das königliche Haus mit seinen fürstlichen Gästen in einem prächtigen Pavillon versammelt war, programmgemäß verlief, reiht sich den schönsten Monumenten Deutschlands an.

Der Enthüllungsfeier war am Vormittag des 18. Juni eine große Parade über Truppen aller Waffengattungen auf dem Alaunplatz vorangegangen. Zu derselben war Kaiser Wilhelm II., am Leipziger Bahnhof von König Albert empfangen, von Berlin herübergekommen. Von dem denkbar glänzendsten Gefolge von Fürsten und hohen militärischen Würdenträgern umgeben, wurden beide Regenten auf dem Weg dahin und zurück von undurchdringlichen Volksmassen mit unbeschreiblichem Jubel begrüßt.

Der letzte offizielle Festtag, der 19. Juni, brachte die beiden volkstümlichsten Huldigungsfeste: den vom ganzen Land dargebrachten Festzug und das von der Stadt gegebene Abendfest auf der Brühlschen Terrasse mit italienischem Feuerwerk. Der Festzug hat eine seiner Zeit vielbesprochene Entstehungsgeschichte. Gleich mit der ersten Anregung zur Jubelfeier tauchte auch der Festzugsplan auf. Neben dem großen Landesausschuß und den einzelnen Festausschüssen ward auch ein Festzugsausschuß eingesetzt. In Verbindung mit letzterem plante die Dresdener Kunstgenossenschaft einen historischen Festzug. Man erkannte aber bald, daß diese Form zu wenig Raum bieten würde für die Darstellung der Gegenwart und daß ein Huldigungsakt aller Faktoren derselben, wie er vom ganzen Lande gewünscht wurde, auf diese Weise nicht zustande kommen würde. Den Künstlern wurde für ihre bisherige Mühewaltung der Dank ausgesprochen und ein neuer Festausschuß, welcher einen allgemeinen Huldigungszug auf breitester Grundlage ins Leben rufen sollte, gebildet. Die Sache machte manchen anfangs etwas stutzig, bald aber zeigte der Erfolg, daß man just das Richtige getroffen hatte. Kein Stand, keine Bevölkerungsschicht, kein Zweig der Industrie blieb zurück, und so kam der Jubiläumsfestzug zustande, welcher allen Zuschauern unvergeßlich bleiben wird. Er bot eine wunderbar glückliche Mischung von Geschichte und Vergangenheit. Voraus die Ritter der Erblande mit dem Reichsbanner, dann der sogenannte Turnierzug, die Lehnsmannschaft des Markgrafen Friedrich des Ernsthaften; alle Theilnehmer stammten von Geschlechtern ab, die um die Mitte des 14. Jahrhunderts turnierfähig waren. Sie ritten in prachtvollen Kostümen auf prächtigen Pferden in zwei Zügen, die meißnische und die thüringische Mannschaft, die Trompeterchöre bliesen die von Karl Grammann komponirten Fanfaren.

Dann kam die Ritterschaft der Oberlausitz in prächtigen, von Professor Scholz entworfenen Kostümen des 17. Jahrhunderts; ihnen folgten die drei Residenzstädte Meißen, Freiberg, Dresden. Eine unserer Abbildungen zeigt den von Profeffor Rentsch entworfenen Schauwagen der Stadt Dresden, die Figur der Dresda unter einem gothischen Baldachin, auf dem Vordertheil des Wagens drei schilfbekränzte weibliche Gestalten: Elbe, Weißeritz, Prießnitz. Der nächste schöne Schauwagen, vielleicht der gelungenste des ganzen Zuges, war

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 455. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_455.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)