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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

anderer Ansprüche an die Klugheit, Besonnenheit und Selbstlosigkeit der Offiziere und Mannschaften stellt.

Dann aber kommen die seefahrenden Schulschiffe. (Auch „Mars“ und „Blücher“ gehen zu Zeiten Anker auf, um in See zu manövriren und scharf zu schießen.) Zunächst sind da zu nennen die Schiffsjungenschulschiffe. In diesem Jahre sind als solche für den ersten Jahrgang der Jungen, nachdem dieselben in Friedrichsort die erste nöthige militärische und sonstige Vorbildung erhalten haben – die schmucken kleinen Segelbriggs „Muskito“ und „Rover“ in Dienst gestellt. Für den zweiten Jahrgang werden die Korvetten „Luise“, „Ariadne“ und „Nixe“ benutzt. Mitte Juni ist in diesem Jahr die „Ariadne“ hinausgegangen, um die im Herbst heimkehrende „Nixe“ abzulösen auf der westindischen Station. Der erste Jahrgang übt nur in der Ostsee. Im zweiten Jahre werden die Jungen zum ersten Male auf die große Reise geschickt, die, auf achtzehn Monate berechnet, gewöhnlich nach Südamerika, Westindien und Nordamerika geht. Die alte sturmbewährte kampfgewohnte, bei Jasmund 1864 mit achtzig Schuß gezierte „Nymphe“, das gute, schlanke Seeschiff, ist früher manch liebes Mal mit den braven Jungen hinausgezogen über die Linie und hat draußen die Nase tief, tief ins Salzwasser gesteckt; und wenn die Jungen sonnverbrannt die Lichter des „Eddystone“ wieder aufleuchten sahen, des ragenden Leuchtthurms auf einsamer Klippe am Eingang zum „Kanal“, dann hatten sie gelernt, was sie wissen mußten, um pflichttreue, stramme, behende Matrosen zu werden. Jetzt liegt die „Nymphe“, ihres Schmucks entkleidet und von der Liste gestrichen als Hulk an der Werft zu Kiel, und für sie ist die „Nixe“ eingetreten auf der zur Nachtstunde auf dem weiten Ocean die Wachen einander anrufen mit hallendem Ton und die noch manchmal im wilden Sturm der Winde und Wogen sich neigen wird, stampfend vor der Dünung, schlingernd von Bord zu Bord vor den weißlich überkämmenden Seen und der fauchenden Bö.

Segelfregatte „Niobe“.

Die Ausbildung der Kadetten findet nach wie vor auf der ewig jungen Segelfregatte „Niobe“ statt, die bereits die zweite Generation wiegt. Schon sind jetzt Männer Kommandanten der „Niobe“, die einst zum ersten Mal in ihren Wanten aufenterten, und immer noch gleich stolz drängt sie den eichengewölbten Bug durch die Wellen der Nordsee, wenn sie die hoffnungsvolle Schar der künftigen Offiziere des Reiches hinausträgt zur langen, arbeitsamen Sommerfahrt um England und Irland herum.

In früheren Jahren bis 1883 ging regelmäßig im Oktober eine der großen Kreuzerfregatten, wie „Prinz Adalbert“ oder „Elisabeth“ oder „Leipzig“ oder die längst vergangene „Hertha“, mit den mittlerweile zu Seekadetten Vorgerückten hinaus auf die große zweijährige Reise um die Welt, auf der dieselben als überzählige Unteroffiziere Dienst thaten, um nachher praktisch und theoretisch voll ausgebildet in das Offizierscorps, zunächst als Unterlieutenants, überzugehen. Aber diese Ansammlung von 30 bis 40 jungen Leuten auf einem Schiff hatte auf die Dauer ihre Uebelstände. Es war ihnen schwer gemacht, an ihre eigene Unentbehrlichkeit und wirkliche Verantwortlichkeit zu glauben.

Heckgeschütz.

Neuerdings wurde statt dessen das „Schulgeschwader“ in Dienst gestellt, das im vergangenen Jahr aus den vier Kreuzerfregatten „Stosch“, „Moltke“, „Gneisenau“ und „Charlotte“ bestand, auf denen die Seekadetten – es werden zur Zeit durchschnittlich jährlich 50 Kadetten eingestellt – gleichmäßig vertheilt waren. Gleichzeitig befand sich auf dem Schulgeschwader eine große Zahl der „Vierjährig-Freiwilligen“, Leute, die aus der Landbevölkerung sich freiwillig zum Dienst an Bord statt in der Armee melden und sich für die genannte Zeit verpachten müssen und die, obwohl von Natur richtige Landratten, doch so brave, todesmuthige und gelassene Seeleute werden können, wie’s die Leute der „Undine“ waren – „lauter Schuster und Schneider“ – die in höchster Noth bis zu Ende untadelig jedes Manöver ausführten und noch im Augenblick der Strandung aus der wüthenden Brandung heraus, den Tod vor Augen, das dreifache, brausende Hoch auf den Kaiser riefen: eine schöne deutsche Uebersetzung des alten „Ave Caesar, morituri te salutant“.

Dieses Schulgeschwader ist jetzt außer Dienst gestellt, und an seine Statt ist das „Uebungsgeschwader“ getreten, bestehend aus den Panzern „Kaiser“ als Flaggschiff, „Deutschland“, „Friedrich der Große“, „Preußen“ und dem Aviso „Zieten“, unter dem Kommando des Kontreadmirals Hollmann. Dem gepanzerten Geschwader mit seinen mächtigen Schiffen mag die Ehre werden, den deutschen Kaiser über See zu geleiten, wenn die „Hohenzollern“ die goldene Kaiserstandarte hißt. Nach Beendigung der Sommerfahrten und Sommermanöver wird es dann wieder hinausgehen in Gegenden, wo mildere Lüfte wehen, um auch in der Winterzeit die in der rauhen Heimath nicht mögliche seemännische Ausbildung rastlos zu üben.

Schmied im Vorderschiff an Deck.

Außer diesem wehrhaften Uebungsgeschwader tritt für den Sommer das „Manövergeschwader“ zusammen, in diesem Jahr bestehend aus den Panzerfregatten „Baden“ als Flaggschiff, „Bayern“, „Oldenburg“ und der Kreuzerfregatte „Irene“, letztere unter dem Kommando des Prinzen Heinrich, dazu dem Aviso „Wacht“. Zum Kommandanten des Manövergeschwaders ist der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 466. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_466.jpg&oldid=- (Version vom 1.1.2023)