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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Die Explosionen der Dampfkessel, wie verheerend sie auch wirken, sind jedoch nicht die häufigste Ursache von Unfällen in Fabrikbetrieben. Die Statistik hat erwiesen, daß die schwersten und zahlreichsten Verletzungen durch bewegte Maschinentheile veranlaßt werden. Darum ist schon im Plan der Ausstellung den Schutzvorrichtungen an den Maschinen besondere Aufmerksamkeit gewidmet und darum sehen wir auch auf ihr so viele Maschinen in emsiger Thätigkeit. Das Ganze hat dadurch für den ersten Anblick das Gepräge einer Industrieausstellung erhalten, aber auch nur für den ersten oberflächlichen Anblick. Bis jetzt wurde bei einem derartigen Wettstreit derjenigen Maschine der Preis zuerkannt, welche die größte Leistung vollbrachte. Hier werden die Maschinen nicht von diesem Standpunkt allein geprüft; auf dieser Ausstellung wird diejenige Maschine als die beste anerkannt werden, welche die größte Leistungsfähigkeit mit der geringsten Gefährdung des Arbeiters verbindet; denn hier gilt der Wahlspruch: „Nichts ist gering, was Menschenleben zu schützen und zu erhalten vermag!“

Meißel mit Spanfänger.

Wir müssen leider von vornherein verzichten, diesen Theil der Ausstellung ausführlicher zu besprechen, da wir sonst auf Fachfragen eingehen müßten. Wir ziehen es vor, die Bedeutung des Unternehmens auf einem leichter verständlichen Gebiet unsern Lesern klarzulegen, und wählen hierzu die persönliche Ausrüstung des Arbeiters, die ihn vor Unfällen schützen soll.

Beinschiene für Eisenarbeiter.

Es gab eine Zeit, wo unsere Gewerbe ihre besonderen Trachten hatten. Viele von ihnen waren nur Festanzüge, in denen die Gilden und Innungen bei feierlichen Anlässen erschienen; bei anderen waren auch Rücksichten auf den beruflichen Gebrauch maßgebend. Diese Trachten sind in unserer alles ausgleichenden Zeit fast sämmtlich verschwunden und nur wenige haben sich erhalten, wie z. B. die Knappschaftsanzüge, in denen die Abgeordneten der rheinisch-westfälischen Grubenarbeiter vor dem Kaiser erschienen sind. Die „Arbeiterbluse“, von der sonst so viel geredet wurde und die einen politischen Beigeschmack erhalten hat, kann unmöglich als eine Tracht angesehen werden.

Ein Gang durch die Ausstellung belehrt uns, daß auf diesem Gebiete eine Aenderung im Gange ist. Wir sehen Modelle von Arbeitern und Arbeiterinnen, an denen weiter nichts als der Anzug vorgeführt wird. Die erläuternden Inschriften lauten: „Normal-Arbeiter-Kleider“ oder „Normal-Arbeiter-Schutzanzug“. Es handelt sich aber dabei keineswegs um die schafwollene oder kameelhaarige Normalität, nicht der Stoff, sondern der Schnitt bildet hier die Hauptsache. – Faltige Kleider, Bauschärmel, fliegende Rockschöße u. dergl. passen nicht in Räume, in denen Maschinen schwirren; eine unzweckmäßige Kleidung kann das Eintreten von Unfällen begünstigen, eine zweckmäßige dieselben verhindern, und darum ist von den Fabrikaufsichtsbeamten der Kleidung der Arbeiter eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet worden. Wir bringen die Abbildungen einiger Arbeiterkostüme, die enganliegend, dabei aber gefällig sind und als ungemein praktisch gerühmt werden. Mechanische Kleiderfabriken besorgen die Herstellung derselben und können sie in Anbetracht des Massenbetriebes zu recht billigen Preisen liefern. Ein Blick auf die Abbildungen S. 524 belehrt über die Zweckmäßigkeit dieses modernen Arbeitsgewandes zu Genüge, wir sehen hier die Arbeitertracht des Maschinen-Jahrhunderts.

Es giebt jedoch Betriebe, in denen Köper oder Tricot, aus denen die Normalanzüge zumeist gefertigt werden, durch festere Stoffe ersetzt werden müssen. Sind bei der Fabrikation nur einzelne Körpertheile der Gefahr besonders ausgesetzt, so genügt es, diese zu schützen.

Ein empfindliches und leicht zu verletzendes Organ unseres Körpers ist das Auge. Feine Splitter, die, durch Meißel und Hämmer losgelöst, unberechenbare Bahnen beschreiben, können, wenn sie das Auge treffen, nicht nur langwierige Leiden, sondern auch den Verlust des Sehvermögens verursachen. Nicht minder gefährlich sind auch Rauch und Funken und ätzende Gase; selbst gegen den gewöhnlichen Staub muß in manchem Betriebe das Auge des Arbeiters geschützt werden.

Schuh aus gebrauchten Treibriemen mit dicker Holzsohle.

Dies geschieht durch die Anwendung von Schutzbrillen. Die Zahl derselben ist sehr groß, und allein mit dem Aufzählen von Modellen könnte man viele Seiten füllen. Es giebt Brillen ohne Glas, nur mit Drahtgitter versehen, andere, die starke Gläser und Wandungen aus Drahtgaze haben, andere wieder, bei denen das Glas durch den Glimmer ersetzt wird, und solche, die das Auge luftdicht abschließen. Von den Verfertigern sind ganze Sammlungen solcher Schutzbrillen ausgestellt worden, und wer hier die Wahl hat, der hat auch gewiß die Qual. Aber bei aufmerksamer Prüfung der Ausstellung findet er auch Fingerzeige für die Wahl. Nicht nur die Verkäufer haben die Schutzbrillen ausgestellt, sondern auch die Abnehmer. Da haben wir Tafeln vor uns, auf welchen die benutzten Brillen befestigt sind, und unter einer jeden derselben ist in kurzen Worten mitgetheilt, ob und wie sich die Brille bewährt hat oder warum sie als nicht zweckmäßig anzusehen ist. Diese Sammlungen sind höchst lehrreich, und nicht allein der Fachmann, sondern auch der Laie betrachtet sie mit Interesse. Es befinden sich darunter auch im Gebrauch beschädigte oder zerstörte Brillen, und an den Sprüngen des dicken Schutzglases kann man die Kraft, mit welcher die kleinen Splitter umherfliegen, deutlich erkennen und sich ein Bild von der Schwere der Verletzung machen, die durch die Brille von dem Auge abgewehrt worden ist.

Die obere Brille auf unserer Abbildung ist bei Benutzung vor dem Schweißofen durch Gegenfliegen von Schlacke beschädigt, die untere durch Anfliegen des daneben abgebildeten Eisenstückes zerstört worden.

Athmungsschutzvorrichtungen.

Neben der Sammlung von gebrauchten Schutzbrillen der Firma Friedrich Krupp in Essen steht auch das Modell eines Meißels mit Spanfängern, die zum Auffangen der von kalten und warmen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 525. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_525.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)