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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Frau Barbla stand hochaufgerichtet, ihre Augen strahlten in einem heiligen Feuer; so hatte Aninia die Mutter noch nie gesehen. Schüchtern faßte sie ihre Hand, führte sie an die Lippen und fragte dann, nach einer langen Pause, zaghaft:

„Aber was wollt Ihr thun, Mutter, um es zu verhindern?“

„Das sollst Du bald sehen,“ erwiderte die Frau entschlossen. „Wir haben nur einen Weg, Dich vor dem Peider zu retten und Dir den Beppo zu gewinnen; – freilich wird Dich dadurch der Zorn Deines Vaters treffen. Also bedenke wohl, hast Du den Muth, ihn zu ertragen, wenn er über Dich hereinbricht? Es wird ein schwerer Augenblick werden bei seinem Starrsinn, seinem harten Herzen. Fühlst Du die Kraft in Dir, alles für den Beppo zu wagen und zu ertragen? – Deine Mutter steht Dir bei und sagt Dir zum Trost: es ist zum Guten, was wir thun. – Jetzt rede!“

„Alles! – Alles, das Schlimmste und Schwerste will ich freudig ertragen, denn wenn Du meinst, daß es so recht ist, dann habe ich auch den Muth dazu,“ rief Aninia in hellauflodernder, freudiger Begeisterung mit fester Stimme. „Und der Vater, wenn er sich ausgetobt hat, wird auch zuletzt seinen Sinn ändern und mir vergeben.“

„Darauf rechne nicht – Du würdest Dich betrügen! Ich kenne Gian Madulani seit fünfundzwanzig Jahren und weiß sicher, daß er niemals vergiebt und vergißt, um so weniger, wenn er unrecht gethan hat, um sein Ziel zu erreichen. Das müssen wir in Gottes Hand stellen. Aber auf seine Gnade darfst Du hoffen und auch auf den Trost Deiner armen Mutter. – Jetzt komm!“

Damit schritt sie auf eine Seitenthür zu, die durch mehrere Gelasse in die Stube führte, wo der Verwundete und nun Genesene lag. Wie im Traume folgte ihr Aninia.

(Fortsetzung folgt.)




Im Sächsischen Erzgebirge.

Von Anton Ohorn. Mit Abbildungen von Olof Winkler.

Frauenstein.

Die fröhlichen Tage sind gekommen, da die Schreibtische und die Pulte in den Amts- oder Studirstuben sehr ansehnliche Lücken zeigen, da die Lehrsäle der Universitäten, die Thore der Schulhäuser geschlossen bleiben und auf den Bahnhöfen die ränzchenbelasteten Gestalten mit derberen oder zarteren Stäben sich drängen, da in den Städten die vornehmeren Häuserzeilen mit ihren geschlossenen Läden ein merkwürdig ungastliches Gepräge tragen, als ginge eine Seuche darin um oder „stünde der Schwed in der Nähe“. Die Wanderzeit und Wanderfreude ist überall erwacht und fessellos bricht der Erfrischung suchende Strom nach allen Seiten aus.

Die Steige des grünen freundlichen Thüringerwaldes, die malerischen Bergschluchten des Harzes, die tannenschattigen Pfade des schönen Schwarzwalds beleben sich, denn längst begründeter Ruf und alte Gewohnheit locken dahin, und nur die Sächsische Schweiz darf sich allenfalls noch rühmen, mitgenannt zu werden, wo man von Deutschlands landschaftlichen Reizen spricht. In neuerer Zeit bemühen sich aber mit Recht auch das Riesengebirge und das Erzgebirge, zur gebührenden Geltung zu kommen. Letzteres zumal war immer als eine Art Aschenbrödel angesehen worden, als ein nüchterner, unfruchtbarer Gebirgsstrich, ohne besondere landschaftliche Schönheiten und mit einer dürftigen, oft wohl auch hungernden Bevölkerung; und doch darf es sich kühn neben seine vielgepriesenen Genossen stellen, denn es vereinigt in sich Gegenden von dem rauhen, malerischen Ernst des Harzes mit solchen, welche an die lieblich idyllischen Thäler Thüringens gemahnen, und der rührige Sinn und der Gewerbfleiß seiner Bewohner, der in den freundlichen Städten, in den zahlreichen schön gelegenen und wohlgebauten Dörfern jedem Auge sich bemerkbar macht, verleiht ihm noch einen besonderen Reiz.

Das Erzgebirge dehnt sich wie ein langgestreckter, mächtiger Wall zwischen Böhmen und Sachsen hin, der nach Süden ziemlich steil abfällt, nach Norden zu sich langsam verflacht, so daß seine Ausläufer sich weit ins Sachsenland hinein erstrecken. Stattliche Gipfel heben ihre stolzen Häupter über den grünen Kamm empor, und mancher von ihnen, wie der Keilberg (1238 m) und der Fichtelberg (1213 m), überragt die höchsten Höhen des Harzes und des Thüringerwaldes um ein gutes Stück. Durch die anmuthigen Thäler brechen muntere, forellenbelebte Flüsse sich ihre vielgewundene Bahn, und stattliche, thurmreiche Herrensitze spiegeln sich in ihren Wellen. Herrliche Fichten- und Buchenwälder sind des Erzgebirges Schmuck und Stolz und durch Jahrhunderte hieß es schlechthin „Waldgebirge“ oder „böhmischer Wald“, bevor die jetzige Bezeichnung sich Bahn brach. Es verdankt sie dem Reichthum an Erzen, zumal an Silber, die seit langem besonders in der Freiberger und Schneeberger Gegend gewonnen werden.

Freiberg ist noch heute der Mittelpunkt des Bergbaus im Erzgebirge und eine seit alten Zeiten hochangesehene Stadt. Sie gehört dem östlichen Theile des Gebirges an und nahe an ihrem Weichbilde fließt die Freiberger Mulde vorüber. Salzfuhrleute, die von Halle aus durch das Meißner Land gegen Böhmen zogen, sollen mit dem Einschnitt ihrer Wagenräder Silbererz hier angeschürft haben, und Harzer Bergleute begannen den Abbau mit solchem Erfolge, daß Freiberg schon 1175 durch Markgraf Otto den Reichen zur Bergstadt erhoben ward. Und den Charakter einer solchen verleugnet es auch heute nicht, trotzdem der Silberbau gering geworden ist; in seinen Gassen und seiner ganzen Umgebung lebt bergmännisches Wesen und Treiben und seine 1765 gegründete Bergakademie hat einen Weltruf. Die alte Bergstadt wird freundlich umrahmt von einem Kranze grüner Baumanlagen und sieht noch immer, obwohl ihre eigentliche Glanzzeit entschwunden ist, recht stattlich und wehrhaft drein mit ihren grauen Mauerresten, ihren alten Thürmen, vereinzelten ansehnlichen Giebelhäusern und ihrem ehrwürdigen Dom, dessen sogenannte „goldene Pforte“ ein wunderbar schönes Denkmal romanischer Kunst ist. Die Wölbungen des Gotteshauses selbst ruhen auf 10 stattlichen Säulen, welche dasselbe in drei Schiffe theilen. Bemerkenswerth sind die beiden steinernen Kanzeln, von welchen die ältere völlig freisteht und mit ihrem aus kunstvollen steinernen Verschlingungen

sich aufbauenden Fuß und ihrem zu einer mächtigen, schönen Tulpe

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 539. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_539.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2020)