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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

sich erweiternden Predigtstuhl einen seltsamen Eindruck macht. Um ihrer Schönheit willen soll nach der Sage der Geselle, welcher sie gefertigt hat, von dem darüber eifersüchtigen Meister erschlagen worden sein, weshalb sie wohl auch hie und da die „Teufelskanzel“ genannt wird. An der Südseite des Domes umschließen gothische Kreuzgänge den ehemaligen Friedhof, und in der Begräbnißkapelle des Domes selbst schläft eine Anzahl sächsischer Fürsten den ewigen Schlaf.

Rings um die alte Bergstadt her hat die Natur keine Reize ausgestreut, als wollte sie selbst den Sinn nicht ablenken von dem, was im Schoße der Erde ruht; in den Tiefen aber entfaltet sich weithin ein reges Leben, von welchem die überall dem Auge begegnenden Förderungswerke Zeugniß geben, und eine Einfahrt in einen der zahlreichen tiefen Schachte ist von höchstem Interesse. Was man hier gewinnt, das wird in den nahen Muldner Hütten, wie z. B. in der Halsbrückner Hütte, bergmännisch weiter behandelt, und so eigenartig ernst und grau, fast wie an Bilder aus einer fernen, fremden Landschaft gemahnend, diese Hüttenwerke sich dem Blicke darstellen, so fremdseltsam ist auch das Treiben in ihnen. Die Werke, welche in der „Gartenlaube“ 1879, Nr. 40, eine ausführliche Beschreibung gefunden haben, sind Staatseigenthum, und seit 1887 befindet sich selbst die königlich sächsische Münzstätte in den Muldner Hütten.

Annaberg.

Barbara Uttmann’s Grab   Spitzenklöpplerin.

Eine Fülle charakteristischer Eindrücke, wie man sie in dieser Art in Deutschland wohl kaum wiederfindet, bietet sich, wenn man nach dem südwärts gelegenen Stollenhaus wandert und, nachdem man hier noch einmal auf das freundliche Städtebild zurückgeschaut hat, den Weg nach der benachbarten kleinen Bergstadt Brand einschlägt. Da geht es unaufhörlich vorüber an Schächten und Stollen, an grauem Geröll und an karg überwucherten Berghalden, an modernen Dampf- wie an alterthümlichen Pferdegöpeln, durch welche die metallischen Schätze aus der Tiefe gehoben werden; um uns her tönen die Glöckchen aus den Werken, fleißige Knappen in ihrem eigenthümlichen Anzug, die Grubenlampe an der Brust, eilen von oder zu der Schicht und der treuherzige Bergmannsgruß schlägt uns ans Ohr. Die Landschaft selbst ist grau und einförmig, aber wer sich nach rauschenden Waldwipfeln und duftigem Föhrenhauch sehnt, den führt der Schienenweg von Freiberg schnell genug in das an der Freiberger Mulde gelegene und von den herrlichsten Forsten umrahmte Mulda, das neuerdings auch als Luftkurort in Aufnahme gekommen ist.

Von hier aus empfiehlt es sich, an dem Burgberg vorüber nach Frauenstein zu wandern, einem freundlichen Städtchen, das anmuthig und wie unter der sichern Hut des stattlichen Schlosses und der mächtigen alten Thürme ruht, welche sich über dasselbe erheben; denn der neuere aus dem Jahre 1588 stammende Schloßbau lehnt sich an altersgraue, weitausgedehnte Ruinen, die zu den ansehnlichsten vielleicht in ganz Deutschland zählen. Von hier hatten schon die Meißner Burggrafen und nachmals Sachsens Kurfürsten weit ins Land hinein gesehen, und noch heute ist der „Lärmstange“ genannte Thurm, von welchem wohl in mancher Kriegesnoth ehedem die warnenden Feuerzeichen aufflammten, ein trefflicher Luginsland und bietet eine entzückende Fernsicht auf des Erzgebirgs ragende Höhen und grüne Wälder. Weiter unten an der auf drei Seiten bewaldeten Berglehne steht der Thurm, welchen man den „dicken Märten“ nennt und dessen Tiefen ernste, düstere Geschichten zu erzählen wissen.

Von Frauenstein führt die Straße über Bienenmühle, das freundlich in der Niederung liegt, und durch den prächtigen Wald des Klötzerwegs nach Kämmerswalde und hinab in das Thal der Flöha, die mit ihrem hellen, munteren Wasser uns leitet, bis uns aus den grünen Gehägen seines Parkes das hochragende, thurmgeschmückte Schloß Purschenstein, der Edelsitz der Herren von Schönberg und ehedem ein böhmisches Krongut, begrüßt. Unweit davon liegt das zu dieser Herrschaft gehörige Bad Einsiedel, das mit seinen schwefelhaltigen Eisenquellen manchen Badegast anlockt. Dem Laufe der Flöha das freundliche Thal hinabfolgend, kommen wir hart an die Grenze des Königreichs Sachsen, in das reizend gelegene Grünthal, in dessen ehemaliger Saigerhütte Peter der Große sich einst auf einen der riesigen Hämmer setzte und auf und nieder schwingen ließ, und von da nach Olbernhau, einem gewerbfleißigen Orte, der von seinen landschaftlichen Schönheiten bei Touristen und Sommerfrischlern einen sehr guten Namen hat. Vom Bruchberg aus bietet sich ein entzückendes Bild auf die theils lieblichen, theils, wie das malerische Thal der Natschung, trotzig wilden Flußniederungen und auf die prächtigen Bergwälder mit ihren dunklen Fichten und Tannen und dem helleren Grün der herrlichsten Buchen. Im Kriegwald steht auch die Königstanne, eine Fürstin des Waldes, deren Alter man auf 500 Jahre schätzt, deren Stamm über den Wurzeln einen Durchmesser von 2,10 Metern hat und deren Scheitel 47 Meter hinauf zum Himmel ragt. Der Leser findet eine Abbildung derselben in der „Gartenlaube“ 1883, Nr. 4.

Von Olbernhau aus läßt es sich wandern, als ob man im Harzgebirge mit seinen gerühmten düsterschönen Thälern wäre, und wir gerathen allmählich immer tiefer in das mittlere Erzgebirge mit seinen wildromantischen, zerklüfteten Felsen und seinen von dichter Waldesdämmerung beschatteten Thälern, durch welche klar und lustig die Gebirgswässer eilen. Durch das herrliche

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verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1889, Seite 540. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_540.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)