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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

No. 34.   1889.
      Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.


Gold-Aninia.

Eine Erzählung aus dem Engadin. Von Ernst Pasqué.
(Fortsetzung.)


Wer in diesem Streite am ruhigsten blieb und doch am eifrigsten und lautesten theil daran hätte nehmen müssen, war der bisherige Bräutigam, der Franzosen-Peider selbst. Seine vorher so gehaltene Miene heiterte sich zusehends auf, die alte lebhafte Beweglichkeit, welche er auf dem Gang zur Hochzeit vollständig eingebüßt hatte, kehrte zurück, er mußte sich wahrhaft Gewalt anthun, um nicht sein Entzücken über die unverhoffte Lösung der Schlinge, in der er sich gefangen sah, allzu offen an den Tag zu legen. Was konnte der fürchterliche Madulani ihm jetzt noch anhaben? – Nichts! und so wollte er, ohne lange zu zaudern, auch den günstigen Augenblick ausnützen, um seine Freiheit vollends wieder zu erlangen und zu sichern. Plötzlich raffte er sich auf, trat einen Schritt vor, machte eine gebietende Armbewegung und rief mit der ganzen Kraft seiner Lungen, sogar mit einem Anflug von Humor, als ob er gute Miene zum bösen Spiele machte, in den Aufruhr hinein:

„Hört mich, Ihr Bündnerleute!“ – und als der Lärm überraschend schnell sich legte, sogar der tobende Madulani sich ruhig verhielt und erwartungsvoll auf diesen neuen Redner schaute, fuhr der Peider also fort: „Ich hoffe, es giebt keinen unter Euch, der bezweifelt, daß ich imstande bin, mein gutes Recht zu verfechten. Ihr habt die Probe davon gesehen. Aber es wäre eines galanten Mannes wenig würdig, eine Schöne, die widerstrebt, zur Annahme seiner Hand zwingen zu wollen, nachdem er fälschlich geglaubt hatte, daß sie den Werth derselben zu schätzen wüßte. Ferne sei es von mir, mich auf die Macht des Vaters zu stützen, nachdem meine bisherige Braut mir einen andern vorgezogen hat. So schlimm steht es mit dem Gold-Peider doch noch nicht, der jeden Tag die größten Partien an besseren Orten als Surley machen kann! Wenn die schöne Aninia so einfach denkt, daß sie am liebsten unter der Schafherde ihr Leben zubringen will, so kann ich begreiflicherweise nichts dagegen haben, und da sie schon vor acht Tagen diesem Jüngling in der Zotteljacke ihre reizende Hand gereicht hat – was bleibt mir übrig, als jetzt alle Feindschaft zu vergessen und den beiden meinen Glückwunsch darzubringen?“

Damit schritt er leichtherzig auf Beppo zu und schickte sich an, zu thun, wie er gesagt hatte.

„Halt!“ schrie der Cavig mit donnernder Stimme, um dann zähneknirschend vor sich hinzumurmeln: „Der elende Feigling!“ Dann sich mit aller Gewalt bezähmend, fuhr er mit starker Stimme fort: „Ich, der Cavig von Surley und Ammann der Pfarrgemeinde, sage: Die Trauung ist ungültig, und hier unser Pfarrer soll es bestätigen. Tretet vor und redet!“

„Unser Cavig und Ammann hat recht,“ sagte jetzt der Geistliche. „Die Trauung


Der „Wilde Mann“ an der Kleinen Windgelle im Maderaner Thal.
Nach einer Skizze von C. Käsli-Schultheß gezeichnet von R. Püttner.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 565. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_565.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)