Seite:Die Gartenlaube (1889) 581.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

No. 35.   1889.
      Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.


Sicilische Rache.

Ein Kulturbild aus den vierziger Jahren von A. Schneegans.
1.

Die helle Sonne Siciliens glänzte von dem Frühlingshimmel herunter über Land und See. Lustig flatterten im Morgenwinde die farbigen Wimpel der im Hafen von Messina vor Anker liegenden Schiffe. Frohe, singende Scharen zogen die Marina entlang den Bergen zu.

Man zählte damals das Jahr 1847, und aus allen Gauen des sicilischen Eilandes kamen dem neapolitanischen Gouverneur in Messina beunruhigende Nachrichten zu von der immer unheimlicher drohenden Gährung im Volke, von dem immer weiter um sich greifenden Wiedererwachen des Brigantenthums, von dem immer enger sich zusammenschließenden Bunde aller Unzufriedenen zum gemeinsamen, gewaltthätigen Handeln. Nichts aber zeugte an diesem fröhlich lachenden Februarmorgen von den drückenden Besorgnissen, welche die einen, von den dumpfen Hoffnungen, welche die andern erfüllten, – nichts als etwa die von den Mauern der seeumflossenen Citadelle nach der Stadt hin gähnenden Kanonen, oder das Glitzern von den Gewehren der bis zu den äußersten Vorwerken hin- und herwandelnden Schildwachen der Schweizergarde.

Am Fuße der zu den Offizierswohnungen führenden Treppe stampfte, ungeduldig ob des langen Wartens, ein von einem berittenen Diener gehaltenes Roß. Zwei Offiziere erschienen unter der Thür.

„Also auf Wiedersehen heute abend!“ sagte der Major von Büren, indem er seinem jüngeren, durch enge Freundschaft mit ihm verbundenen Kameraden die Hand schüttelte; – „und,“ fügte er lächelnd hinzu, „nimm Dich in acht, Eckart!“

„Verfrühte Sorge!“ erwiderte heiter der Hauptmann; „soweit sind die Herren dort drüben noch nicht, und zu einer sicilianischen Vesper sind die Glocken noch nicht gegossen!“

„Du mißdeutest meine Worte, Hattwyl! Nicht vor den Sicilianern wollte ich Dich warnen, – gefährlicher sind die Sicilianerinnen für Dein junges, warmes Blut!“

„Ach!“ lachte Eckart von Hattwyl, „immer wieder meine schöne Unbekannte, der meine Reitpeitsche so wacker aus dem Gedränge half! Nun, ihretwegen, Robert, habe keine Sorge! – Ich habe sie leider nie wieder zu Gesicht bekommen.“

„Leider, sagst Du aber! Und geforscht hast Du nach ihr, als ob ohne sie das Leben nichts mehr für Dich wäre.“

„Und geträumt habe ich von ihr, das will ich nicht leugnen, als ob mit ihr das Leben zu einem Paradiese sich umwandeln


Der treue Freund in Versuchung.
Nach einem Gemälde von F. Schlesinger.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 581. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_581.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)