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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

solcher Steine durch Behauen mit spitzen und gezahnten Hämmern, „Abspitzen“ oder „Abstocken“ genannt, wie es von den anderen Bruchbesitzern geübt wird, hat außer den Arbeitskosten noch den Nachtheil, daß man aus einem größeren Block eben nur eine Platte erhält. Neuerdings wurde beim Solnhofener Aktienverein auch ein erfolgreicher Versuch mit Dampfschleifmaschinen gemacht, welchen A. Daeschler in Treuchtlingen bereits nachgeahmt hat.

Man nennt einige der Solnhofener Brüche „Goldgruben“, namentlich den Mörnsheimer Bruch, welchen unser großes Bild S. 584 und 585 darstellt und der fast wie ein antikes Amphitheater aussieht; auch der Horstbruch wird so genannt, in welchem sich die blaugrauen Steine finden. Daß aber dieses „Goldgraben“ nicht ohne Mühe die Leute reich werden läßt, wird jeder zugeben, denn nicht nur der Arbeiter hat hier einen harten Stand, auch der Unternehmer ist nicht frei von Last und Sorge. Mehr als in einem anderen Industriezweige hängt hier der Erfolg vom Glücke ab. Die Schätze, die man graben will, sind dem Auge verborgen, und man muß oft nur auf Vermuthung hin graben und brechen. Manche Bruchstätten sind auch in Solnhofen bereits erschöpft und verlassen, aber immer wieder werden neue reiche Lager gefunden. Hoffen wir, daß das Glück den Unternehmern treu bleibt und die Solnhofener Steine nach wie vor über Länder und Meere wandern.




Gold-Aninia.

Eine Erzählung aus dem Engadin. Von Ernst Pasqué.
(Fortsetzung.)


Weißt Du noch, Beppo,“ unterbrach Aninia endlich das glückselige Schweigen, „weißt Du noch, wie wir vor vielen Jahren hier, an dieser selben Stelle, als Kinder spielten? Du warst noch viel kleiner als der Paolo dort oben, da Dein Vater Dich zum erstenmal auf die Surley-Alp brachte, und ich war noch ein so kleines Ding, daß ich hier zu den Alpenrosen auf allen Vieren klettern mußte. – Weißt Du noch? – Da traf ich Dich; Du halfst mir den schönen großen Strauß binden und dann trugst Du mir ihn auch zu Thal.“

„Und Dich nahm ich auf den andern Arm, dort an der schroffen Stelle, die jäh in die Fuorcla und zum Wasser niederführt,“ entgegnete Beppo mit einem Aufleuchten seiner großen, träumerischen Augen. „O, ich habe es nicht vergessen, wie ich mich heute noch jedes Tags erinnere, an dem wir hier Jahr um Jahr spielen durften, bis –“

„Und Dein alter Vater half uns bei unseren Spielen,“ fuhr Aninia, sich immer mehr in die Vergangenheit versenkend, fort, das plötzliche Verstummen Beppos nicht beachtend. „Er schnitzte uns Stöcke und Reifen, die wir in die Luft warfen – um ihnen dann die grünen Hänge hinab um die Wette nachzulaufen.

„Ja, es war schön, und die Heimkehr im Herbst war mir wie das Sterben – mit jedem Jahre, das ich älter wurde, sehnte ich mich stärker nach dem Frühling und nach der Surley-Alp.“

„Weißt Du es noch,“ fuhr Aninia fort „es war im letzten Jahr Deines Kommens, als dort – auf der Schroffe der Fuorcla – ein Bär auftauchte und sich auf die Herde stürzte? Dein Vater stellte sich ihm mit Knüttel und Messer entgegen, sein Wolfshund fiel das Unthier an, und ich konnte vor Zittern keinen Schritt mehr machen und war einer Ohnmacht nahe. Da faßtest Du mich in Deine Arme und bargst mich dort, hoch oben auf dem Tafelstein – dann eiltest Du Deinem Vater zu Hilfe. Ach, es war schauderhaft, ich machte die Augen zu und betete zum lieben Gott um Eure Rettung. Noch jetzt graust mir, wenn ich daran denke!“

„Ja, ja, es war ein böser Augenblick und hatte schlimme Folgen. Der Vater kam zwar mit einer Wunde in der Seite davon, und sie schien nicht gefährlich zu sein, sie heilte noch hier auf der Alpe. Aber als wir im Herbst in unsere Berge, nach Branzi zurückkehrten, da brach sie wieder auf, kein Mittel wollte helfen und kein Gebet; gegen Weihnacht begruben wir ihn denn auf unserem kleinen Camposanto. Dann kamen traurige Zeiten, ich mußte jetzt zu Hause arbeiten und für die Mutter sorgen und durfte nicht mehr mit den Schafen ins Engadin auf die Alp Surley und zu meiner kleinen Aninia.“

„Im folgenden Frühjahr kam ein anderer fremder Schäfer, und ich stieg nicht mehr hinauf zu meinem Lieblingsplätzchen unter den Arven.“

„Meine Mutter war alt und schwach – ich ein kräftiger Bursche von Fünfzehn. Du warst damals zwölf Jahre alt, Aninia. Und sieben ganze, lange Jahre vergingen – ohne daß ich Dich wiedersah. Da starb auch meine Mutter, und im vorigen Sommer durfte ich zum erstenmal wieder mit unseren Schafen ins Engadin. Hinunter zu Euch traute ich mich nicht. Aninia war ja ein großes, schönes Mädchen geworden und hatte den armen Beppo vergessen! – Doch ich gedachte zu jeder Stunde meines Lebens Deiner!“ rief er rasch, als Aninia eine Einrede machen wollte, und auf seine Felljacke deutend, fuhr er fort: „Sieh hier! Dem Bär, der Dich so sehr erschreckte, der mir meinen guten Vater getödtet hat, ihm lauerte ich auf, unablässig, folgte seiner Fährte, so oft ich mich nur von der Mutter entfernen konnte. In seiner Höhle im Val Roseg traf ich ihn endlich, er ging aufgerichtet gerade auf mich los, aber ich sprang ihn an und stieß ihm das Messer des Vaters bis an das Heft in den Leib. Als er nicht verenden wollte, würgte ich seine Kehle mit diesen meinen Händen, denn ich war ein starker Bursche geworden, Aninia! Sein Fell zog ich ihm ab und brachte es meiner Mutter. Als sie es sah, da flammten ihre Augen auf, sie fuhr in die Höhe und unter Flüchen trat sie des Bären Fell mit Füßen. Dann legte sie sich hin und zwei Tage darauf – war sie todt. Aus dem Fell ließ ich mir eine Jacke machen,“ schloß Beppo, in den stillen Ton zurückfallend, der bei ihm oft genug der leidenschaftlichen Aufgeregtheit auf dem Fuße folgte.

Aninia faßte ihn um den Hals, strich ihm den dichten Lockenschwall aus der gesenkten Stirn und sagte: „Guter Beppo! Das hast Du für Deinen Vater gethan! Nun, er ist jetzt im Paradiese und sieht mit Deiner Mutter auf uns herab!“

„Der vorige Sommer,“ fuhr Beppo in seine Gedanken verloren fort, „war der schlimmste, den ich erlebte; ich hatte so große Sehnsucht nach Dir, Aninia, aber Du warst das schönste und reichste Mädchen im Engadin, an das durfte ich, der arme Schäfer, nicht denken. Doch nun ist alles anders geworden,“ rief er jetzt in helle Begeisterung ausbrechend, Aninia leidenschaftlich an sich pressend und mit Küssen bedeckend: „Jetzt bist Du mein geworden für immer und ewig!“

„Und wir bleiben beisammen und wollen uns nie – niemals wieder trennen, mein Beppo!“

Er sah sie etwas betreten mit seinen großen Kinderaugen an und sagte: „Trennen?! Ja freilich müssen wir uns trennen, und bald, wenn auch nur für kurze Zeit. Ich muß doch die Herde meinem Grafen heimführen; der Paolo allein ist zu jung, zu schwach und unerfahren dazu. Aber Fra Battista ist ja bei Dir, der wie ein Vater für uns sorgt.“

Aninias Antlitz war bei diesen Worten bleich geworden, und erschrocken entgegnete sie: „Muß dies – wirklich sein?“

„Es geht nicht anders, Aninia, aber lange bleibe ich auf keinen Fall. Es ist freilich noch Hochsommer, aber der Herbst wird bald da sein und die Herde muß heim, ehe Schnee und Kälte kommt. In Zeit von vier bis fünf Tagen gedenke ich über den Bernina ins Valtellino nach Tirano zu gelangen, und von dort nach Branzi brauche ich wohl ebenso viel Zeit, denn ordentliche Wege giebt es in den Bergamaskerbergen nicht. Aber ehe der Berninapaß zuschneit, in höchstens drei Wochen bin ich wieder bei Dir; je eher ich mit der Herde heimziehe, je früher kann ich wieder da sein!“

Aninia seufzte schwer. „In Gottes Namen denn, wiewohl ich Dich bitter ungern ziehen lasse!“

Beppo erholte sich von dem ungewohnten langen Reden durch ungezählte Küsse auf Aninias frische Lippen, gelobte ihr nochmals und nochmals baldigste Rückkehr und dann traten sie Hand in Hand, wie zwei glückliche Kinder, den Heimweg, den Abstieg von der Alpe an, während auf der Höhe der junge Paolo mit Hilfe

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 590. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_590.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)