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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

stand, saß Aninia; ihr liebliches Gesichten hatte die volle Rosenfarbe früherer Zeiten verloren und die großen dunklen Augen blickten ernster drein als vordem; dennoch wirkte ihre Erscheinung in dieser festfreudigen Umgebung auf Beppo wie eine überirdische, und vor Ergriffenheit und Rührung wäre er in die Kniee gesunken, wenn nicht Clo ihn nach den freien Sitzen gezogen hätte, auf denen beide sich dann niederließen. Als das Lied zu Ende war, folgte eine stille herzliche Begrüßung des Angekommenen, denn die feierliche Stimmung, die alle beherrschte, gestattete diesem Augenblick noch keine lauten Freudenäußerungen.

Diese stille Weihnachtsfeier hatte einen heimlichen Zeugen. Vor dem kleinen Fenster, durch das die Lichtchen des Weihnachtsbäumchens schimmerten und das zugleich einen Blick in die Stube und auf die dort Versammelten gestattete, stand eine große Gestalt, im Dunkel des Hauses geborgen, eng in einen langen Rock gehüllt, den Filzhut tief in die Stirn gedrückt. Mit glühenden Augen, die Lippen zusammengepreßt, blickte der Mann eine ganze Weile starr in die Stube, dann murmelte er vor sich hin: „– Da sitzen sie alle beisammen, so unschuldig, als ob sie kein Wässerlein getrübt hätten, und haben mich doch verhöhnt und betrogen und sind allein an dem ganzen Elend schuld. Da sitzen mein Weib und mein Kind und feiern Weihnachten mit dem gottverd – – Hunde, und ich bin derweil allein in meinem öden Hause, aus dem es mich in die Nacht hinaustreibt. – Sieben Lichtlein haben sie angezündet und es sind ihrer doch nur Sechse! – Das siebente soll wohl für mich sein? – Haha! nicht übel! – Und sie haben nicht einmal unrecht, wenn sie auf meine Dummheit rechnen. Stehe ich nicht hier wie ein Narr, dem die Augen naß werden möchten, statt hineinzugehen und alles zusammen zu schlagen? Verdammt!“ – und mit einem Fluche den Schnee des Bodens stampfend, stürmte Madulani weiter in die dunkle Winternacht hinaus. – –

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.

Fanny Lewald †. Am 5. August starb in Dresden, im Hause von Anverwandten, eine der vorzüglichsten deutschen Schriftstellerinnen, Fanny Lewald, im Alter von 78 Jahren. Auch unserem Blatte ist sie als Mitarbeiterin bis in die jüngste Zeit treu geblieben; wir brachten eine ihrer letzten Erzählungen „Josias“ im Jahrgang 1888. Ihr Bild und eine farbenfrische Skizze ihres Lebens aus der Feder Friedrich Spielhagens theilten wir bereits im Jahrgang 1862 mit; doch sie ist seit jener Zeit rastlos thätig geblieben und hat sich als Veteranin der Romandichterinnen auch unter den jüngeren zahlreich nachdrängenden in ihrer alten Bedeutung behauptet.

Fanny Lewald ist am 24. März 1811 zu Königsberg geboren; ihr Vater war ein jüdischer im Kneiphof wohnender Kaufmann. In der Stadt, in welcher KantDie Kritik der reinen Vernunft“ schrieb, weht noch immer ein Hauch vom Geiste jenes Philosophen, welcher so scharfsinnig die Grenzen der menschlichen Erkenntniß festgestellt hat; auch der ostpreußische Volkscharakter neigt zu ruhiger Erwägung der Dinge und zum ausdauernden Festhalten an der einmal gewonnenen Ueberzeugung. Abhold ist er allem Phantastischen und Ueberschwänglichen. Diese Eigenart finden wir auch bei der Schriftstellerin Fanny Lewald wieder. Sie besaß nicht die Neigung zu brillanten Einfällen, zu geistreichen Spielen des Witzes; sie war keine Jüngerin von Heine und Börne, noch weniger von Saphir; auch die farbenprächtige Einkleidung orientalischer Dichtung lag ihr fern, wohl aber hört man aus ihren Werken das Echo heraus, welches die weihevolle Tiefe und Andacht östlicher Weisheit erweckte.

Ihre ersten Romane fallen in die ostpreußischen Bewegungsjahre. „Der Stellvertreter“ erschien 1841, „Klementine“ 1842, „Jenny“ 1843, „Eine Lebensfrage“ 1845. Diese Werke trugen zum Theil das Gepräge jener Zeit, ohne sich aufdringlich in politische Fragen zu mischen: sie bewegten sich mehr auf gesellschaftlichem Boden; hier traten die Kämpfe religiöser Bekenntnisse und Ueberzeugungen in den Vordergrund, und manches eigene Erlebniß gab den Anhalt für die dichterische Erfindung. Sie hat in ihrem Werk „Meine Lebensgeschichte“ (6 Bde. 1861 bis 1863) mit besonderer Vorliebe ihre Jugenderinnerungen erzählt. Fanny wurde in ihrem siebzehnten Lebensjahre Christin, aus Liebe zu einem jungen Theologen Leopold. Das Glaubensbekenntniß, das sie bei der Taufe ablegte, nennt sie selbst ein Muster von „schwunghaftem Jesuitismus“; denn sie glaubte nicht an die Dogmen des Christenthums und das war auch der Grund, warum sie sich allmählich dem jungen Theologen entfremdete.

Diese Kämpfe schildert uns ihr bester Jugendroman „Jenny“, der zugleich die Frage der jüdisch-christlichen Mischehen behandelt. In „Klementine“ handelt es sich um die Störung des ehelichen Glücks durch eine frühere Jugendliebe; in „Eine Lebensfrage“ um die Ehescheidung. Besonders in dem letzteren Romane überwiegt ein juristischer Scharfsinn, welcher oft die poetische Stimmung stört; überhaupt drängt sich die Vorliebe für verstandesmäßige Zergliederung auch in den anderen Romanen oft in die dichterische Schilderung ein, doch das ernste Streben nach Wahrheit, das die Dichterin beseelt, bietet stets dafür Ersatz, wenn einmal der klare Spiegel der Schönheit getrübt wird. Und dabei wird man an jenes feierliche Gelübde erinnert, das sie ablegte, als sie, angeregt durch die Erfolge einiger kleiner Erzählungen und dem Zureden ihres Vetters August Lewald, eines damals sehr angesehenen Journalisten, folgend, beschloß, sich der Schriftstellerei zu widmen.

„Ich hatte,“ sagt sie selbst, „eine große Vorstellung von der Macht des Dichters auf den Geist seines Volkes und von der Gewalt des Wortes über das Herz der Menschen. Und weil ich die Wahrheit suchte und die Wahrheit über alles schätzte, wo ich sie erkannt hatte, so nahm ich mir vor, ihr in keiner Zeile und mit keinem Worte jemals abtrünnig zu werden und, wie groß oder gering mein Einfluß jemals werden könnte, ihn nie anders als im Dienste desjenigen zu verwenden, was mir Schönheit, Freiheit und Wahrheit heißt. Und das Versprochene habe ich mir treu gehalten.“

Eine entscheidende Wendung für die Schriftstellerin trat ein, als sie 1845 Königsberg verließ, um eine Reise nach Italien zu machen. Hier lernte sie Adolf Stahr kennen, dem sie persönlich näher trat und der ein begeisterter Anwalt ihrer Schriften wurde. Ihre unglückliche Liebe zu dem Politiker Heinrich Simon, einem ihrer Vettern, einem ebenso schönen wie geistreichen Mann, den sie früher in Breslau hatte kennen lernen, dessen Herz aber für eine andere, für die Gräfin Ida Hahn-Hahn schlug, wich jetzt den Empfindungen, die sie für jenen enthusiastischen Kunstgelehrten hegte. Adolf Stahr war ebenso leicht entzündlich als Fanny Lewald kühl besonnen – und so ergänzten sich ihre beiden Charaktere. Der Umgang mit ihm sowie die Eindrücke, die sie von Natur und Kunst des warmen farbenreichen Italiens empfing, gaben ihrer Darstellungsweise, die in der nüchternen Pregelstadt zu erblassen drohte, ein wärmeres Kolorit. Dies merkte man zunächst an ihrem „Italienischen Bilderbuch“ (2 Bde. 1847), welches wie ihre späteren Reiseschriften „Reisetagebuch aus England und Schottland“ (2 Bde. 1851–1852) und „Vom Sund zum Posilipp“ (1883) von scharfer Beobachtungsgabe, von der geistigen Vielseitigkeit, dem Gedankenreichthum und dem edlen Streben der Verfasserin ein rühmendes Zeugniß ablegt; aber auch die Werke ihrer freien Erfindung wurden seitdem belebter und glänzender, ohne gerade dichterischen Schwung und blendendes Kolorit zu gewinnen. Zunächst verschaffte sie noch einmal ihrem kritischen Scharfsinn volles Genügen, indem sie eine Parodie auf die Romane ihrer glücklichen Nebenbuhlerin, der Gräfin Hahn-Hahn, „Diogena“ (1847) schrieb, in welcher sich der schroffe Gegensatz zwischen der Lebens- und Weltanschauung der beiden Schriftstellerinnen, verschärft durch persönlichen Groll, aussprach. Dann machte sie einen Versuch auf dem Gebiete des geschichtlichen Romans: „Prinz Louis Ferdinand“ (3 Bde. 1849), in welchem der Held indeß ein etwas nüchterner Don Juan ist, während das Zeitbild mit den Charakterköpfen der damaligen Berliner Berühmtheiten wohlgelungen erscheint. Kleinere Erzählungen, „Dünen- und Berggeschichten“, „Liebesbriefe eines Gefangenen“ etc., gingen ihren zwei großen Hauptwerken „Wandlungen“ (3 Bde. 1853) und „Von Geschlecht zu Geschlecht“ (8 Bde. 1863–1865) voraus.

Von ihren weiteren kleineren Erzählungen, in denen die Lust am Fabuliren vorwiegt, ist die volksthümlichste „Das Mädchen von Hela“ (2 Bde. 1860), durch die baltische Lokalfarbe, die schlichte und doch spannende Handlung und die treue Schilderung der Volkssitte ausgezeichnet.

In den späteren Romanen der Fanny Lewald trat die Tendenz immer mehr zurück. Der Gang der Zeitereignisse entsprach nicht ihren begeisterten Wünschen und Hoffnungen. Sie wandte sich mehr der italienischen Schule, der Tragik der Herzenserlebnisse in Kloster und Atelier zu, wie in „Benedikt“ (1874), in welchem Roman der Held ein Mönch ist, der ein schönes Weltkind liebt; ja man kann eine Reihe ihrer Werke geradezu Künstlerromane nennen; auch spielen sie alle in Italien. So „Benvenuto“ (2 Bde. 1875), in welchem die Liebe eines Modells Gloria zu einem vornehmen Maler und der Selbstmord dieses Mädchens den Mittelpunkt der Handlung bildet; „Helmar“ (1880), worin die Liebe eines deutschen Malers zu einer italienischen Gräfin geschildert wird; „Stella“ (3 Bde. 1883), dessen Heldin wie Gloria einen englischen Maler liebt. Es war dies eine etwas einseitige Richtung, welcher die Schriftstellerin hier huldigte.

Ihre letzten Werke waren „Die Familie Darner“ (1887), die schon erwähnte, 1888 in der „Gartenlaube“ erschienene gemüthvolle Erzählung „Josias“ und „Zwölf Bilder aus dem Leben (Erinnerungen)“.

Im Jahre 1854 hatte sie sich mit Adolf Stahr vermählt und lebte fortan in Berlin, wo sie auch nach dem Tode Stahrs, 1876, ihren Wohnsitz beibehielt. An praktischen Fragen betheiligte sie sich mehrfach mit Takt, Geschick und Eifer, wie in den „Osterbriefen für die Frauen“ (1863) und in „Briefen für und wider die Frauen“ (1870); in beiden finden sich treffliche Bemerkungen und beherzigenswerthe Rathschläge.

So tritt das Gesammtbild der Dichterin vor uns hin: ein fest auf sich ruhender Charakter, von Ueberzeugungstreue, warmer Liebe für die Menschheit und unerschütterter Begeisterung für die Ideale ihrer Jugend, denen die Zeit zum Theil den Rücken gekehrt hatte.

Hochzeitsbräuche der siebenbürger Sachsen. Eines deutschen Volksstammes Sitte und Brauch hat sich unter sprachlich gesonderten Völkern auf dem siebenbürger Hochlande erhalten. Diese Sitte hat manches Eigenartige, wie es neuerdings Heinrich von Wlislocki berichtet. Das gilt besonders von der Hochzeitsfeier. Die Hochzeiten werden gewöhnlich nach beendeter Feldarbeit im Herbste abgehalten. Der erste Schritt dazu wird durch die Werbung oder das „Heischen“ gethan. Der Bursche begiebt sich in Begleitung eines nahen Verwandten zu den Eltern seiner Geliebten. Der Letztere, der Brautwerber oder „Wortmann“, hält in feierlicher Rede um die Hand des Mädchens an. Sind die Eltern des Mädchens

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