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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

rathsam sein, sich frühzeitig mit den Grundsätzen der Selbsthilfe in der Feuersgefahr vertraut zu machen.

Doch wir müssen weiter wandern.

Da steht ein Glasschrank, der mit Flaschen vollgepfropft ist, auf denen der schwarze Todtenkopf zu schauen oder die Inschrift „Aeskulap!“ zu lesen ist. Das ist auch eine neue Erfindung, denn die Flaschen schließen nicht nur luftdicht, sondern haben auch einen „Patentkapselschraubenverschluß“, der nur vermittelst des dazu gehörigen Schlüssels geöffnet werden kann. Sie eignen sich somit zum Aufbewahren von Giften, ätzenden Stoffen wie z. B. Carbolsäure, und durch ihren Gebrauch lassen sich ohne Zweifel diejenigen Unfälle vermeiden, die aus Versehen in der Verwendung von Giften zu geschehen pflegen. Vor diesem Schrank stand eine Dame und ich hörte sie zu dem Aussteller sagen:

„Aber man kann auch andere Flüssigkeiten in diesen Flaschen aufbewahren?“

„Natürlich, gnädige Frau!“

Sollten vielleicht bei dieser Gnädigen die Dienstmädchen eine Vorliebe für Spirituosen oder Fruchtsäfte zeigen und an einem stillen Schluck ein besonderes Gefallen finden?

Die Ausstellung ist gerecht bei der Vertheilung ihrer Gaben; sie bringt nicht allein Schutzmittel vor Dienstmädchen, sondern auch Schutzvorrichtungen für dieselben. Einer der am häufigsten vorkommenden Unfälle in Dienstmädchenkreisen ist der Sturz auf die Straße beim Fensterputzen. Dies ereignet sich namentlich bei Fenstern, die nach außen schlagen. Man baut solche Fenster, weil man den nach innen schlagenden Fenstern gewisse Nachtheile nachsagt: sie sollen sehr schlecht dichten, Wind und Wetter Eintritt in die Zimmer gestatten, die Gardinen schädigen und höchst unbequem zu öffnen sein, da die Fensterbänke jedesmal geräumt werden müssen. In der Ausstellung finden wir ein Hamburger Fenster, welches alle diese Nachtheile aufhebt. Dieses Fenster wird gewöhnlich nach außen geöffnet, will man es aber nach innen öffnen, so ist dies möglich, nachdem man einige Griffe bei dem Fensterbeschlag, die wir auf unserer Abbildung (Fig. 5) rechts und links unten am Rahmen erblicken, zur Seite gezogen hat. Das Dienstmädchen braucht alsdann beim Fensterputzen nicht auf die Fensterbank zu treten und ein Hinausstürzen desselben ist nicht gut denkbar.

Für alte Häuser wäre die Anschaffung solcher Fensterbeschläge mit großen Kosten verknüpft, es wäre darum wünschenswerth, einfachere Vorrichtungen kennen zu lernen, die bei jedem Fenster sich anbringen ließen. Eine solche Vorrichtung ist für Schlosser beim Befestigen der Jalousien da (vgl. die Abbildung Fig. 6). Sie besteht aus einer starken eisernen Stange, die sich in der Mitte auseinanderschrauben läßt und an beiden Enden in eine viereckige Platte ausläuft. Diese Stange wird nun quer in das Fenster gelegt und so lange auseinander geschraubt, bis die beiden Platten stark genug an die Mauerpfeiler des Fensters drücken und die Stange genügend fest sitzt, um das Gewicht eines Menschen zu tragen. An der Stange ist eine Leine befestigt, an deren Ende sich ein Leibgurt befindet, den der Arbeiter umschnallt.

Mit einigen Abänderungen könnte dieser Apparat vielleicht auch ein nützliches Hausgeräth werden. Dem Scharfsinn der Erfinder auf diesem Gebiete ist übrigens noch ein weiter Spielraum offen gelassen.

Durch Sturz aus dem Fenster pflegen auch Kinder zu verunglücken. Auch dafür ist ein Schutzapparat da.

Die Vorrichtung (vgl. Fig. 7 u. 8) besteht aus einer außen am Fenster anzubringenden schmiedeeisernen Galerie, welche mittels zweier beweglicher Hebel mit den Fensterflügeln derart verbunden ist, daß ein Druck auf die Galerie selbstthätig die Fensterflügel zusammenklappen läßt, welche die dem Sturze ausgesetzte Person sofort einklemmen und festhalten. Je stärker die Belastung dieser Galerie ist, also je weiter der menschliche Körper bereits zum Fenster heraushängt, desto stärker halten die Fensterflügel zusammen, um erst dann wieder nachzugeben, wenn der Körper zurückgezogen wird und sich außer Gefahr befindet. Diese Schutzgalerie ist namentlich für die Fenster in Kinderstuben beachtenswerth.

Da sind wir in jenes lärmvolle Zimmer gelangt, in dem Unfälle, wenn auch kleiner Art, auf der Tagesordnung stehen. Ohne „Unfälle“ wird das Gehen nicht gelernt und kleine Wunden, Nasenblutungen u. s. w. sind in jeder Kinderstube zu beobachten, ebenso manchmal das schon gefährlichere Verschwinden kleiner Körper, wie Perlen, Bohnen u. s. w. in Mund, Nase und Ohr. In der „Bibliothek“ der Ausstellung sahen wir eine kleine Wandtafel, auf der in knapper Form Rathschläge für die erste Hilfe bei Unfällen in der Kinderstube ertheilt werden. Vielen, namentlich jungen Müttern, dürfte sie gute Dienste leisten, obwohl sie sich zu sehr an die englische Vorlage hält, nach der sie bearbeitet wurde, und unsern Verhältnissesn mehr angepaßt werden könnte.

Unser Haus ist, wie wir sehen, bei dieser von den Berufsgenossenschaften veranstalteten Ausstellung nicht ganz leer ausgegangen. Wir suchten aber in ihr vergebens nach mancher praktischen und gemeinnützigen Einrichtung, die uns von anderswoher bekannt war. Eine Sammlung solcher Einrichtungen und Erlasse vorsorglicher Behörden, welche geeignet sind, Unfälle im täglichen Leben zu verhüten, würde gewiß den größten Nutzen stiften.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Ausstellung nicht spurlos vorübergehen wird. Neben dem Hygieine-Museum werden wir später auch ein Museum für Unfallverhütung besitzen und dort wird auch, wie wir hoffen, die Unfallverhütung im Hause nicht vergessen werden.




Unter dem Glockenstuhl.

Novelle von Gerhard Walter.

Ich hatte so ziemlich ausstudiert und bereitete mich aufs große Examen vor. Ursprünglich Mediziner, war ich bei der Botanik hängen geblieben und hatte mit herzlicher Lust und Liebe mich in meine Wissenschaft vertieft. Da starb mein Vater, und bei mir zu Hause sah es traurig aus. Statt des mit gutem Wechsel ausgerüsteten Sohnes eines hohen Beamten war ich plötzlich ein gänzlich mittelloser, so gut wie blutarmer Student, der für sich selbst aus dem großen ungeahnten Schiffbruch des Hauses nichts retten konnte und wollte. Da sagte ich mir: „Gut, so lernst du schon jetzt auf eigenen Füßen stehen!“ und stellte mich zunächst jeden Morgen vor das „Schwarze Brett“ und las die Anschläge durch, ob nicht für mich etwas da wäre. Und die Botanik gab schließlich den Ausschlag. Ich entdeckte eines Tages eine Hauslehrerstelle bei dem Herrn von Mittelstein auf dem gleichnamigen Gut. Ziemlich gleichgültig las ich darüber hin, bis mir am Schluß der Anzeige, hinter dem Namen der Poststation, der Bezirk auffiel, in dem das Gut lag, nahe am Gebirge. Ich ging den ganzen Tag umher und sann vergeblich darüber nach, wo mir der Name dieser Landschaft schon einmal begegnet sein möchte, und zwar in einer für mich bedeutenden Sache. Mit einem Male fiel’s mir blitzschnell erleuchtend in die Seele: das war ja die einzige Gegend, in welcher der böse, gefährliche, aber für unsereins so hoch interessante Giftsumach, Rhus toxicodendron, wild in Deutschland wachsen sollte! Das packte mich. Außerdem schwanden meine letzten Mittel unangenehm schnell, wie sehr ich auch sparte – und kurz entschlossen, setzte ich mich hin, schrieb, bekam Antwort, wurde angenommen – man legte sogar Werth auf einen Naturwissenschaftler dort – und stieg an einem prachtvollen Septembernachmittag in den Wagen, der mich meinem sogenannten „neuen Bestimmungsort“ zuführen sollte, und mein Herz brannte ordentlich darauf, wenn ich nur erst einmal in den Wäldern und Sümpfen dort umherklettern könnte, um mein geliebtes Rhus von Angesicht zu sehen. Die Sonne schien hell durch die Pappeln am Wege; die Fäden des Altweibersommers lagen in der stillen, klaren Luft ausgespannt; munter trabten die Pferde. Auf hoher Bergeswarte rechts lag ein Schloß, weiß und glänzend, aber wir trabten vorbei, immer weiter ins Land hinein, bis wir zur Zeit der sinkenden Sonne mit letzter Anstrengung der anspringenden Pferde auf die Rampe von Schloß Mittelstein hinauffuhren. Ein altes feudales Schloß, mit Thürmen und Erkern und Zinnen und langen dunklen Gängen! Als ich aus dem Fenster meines Zimmers lehnte und hinblickte über das Land, wie’s herbstlich still und schön weithin vor mir lag, übergossen von goldigem, verklärendem Licht, da wurde das Herz mir weit und froh. Endlos schweifte mein Auge in

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 719. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_719.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2022)