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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

No. 43.   1889.
      Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.


Sicilische Rache.

Ein Kulturbild aus den vierziger Jahren von A. Schneegans.
(Schluß.)


Der Abbate trat in den Hof. Er schaute sich nach den Tarantellatänzern um. Eine Maske schritt auf ihn zu. Dort an der Treppenthür hielt ein herrschaftlicher Wagen. Die beiden Männer traten in dessen Schatten.

„Höre!“ sagte Scaglione leise, „der Hauptmann ist in dem Fischerhäuschen, wo Ninas Verwandte wohnen …“

„Tod und Teufel! Felicita ist heute abend dort!“

„Vor Mitternacht kehrt er nicht zurück.“

„Vor Mitternacht muß Felicita bei ihrem Vater sein!“

„So handelt rasch! Wie lautet Deine Losung?“

„Tod!“

„So lautet auch der Gräfin Befehl!“

Er hatte das Wort noch nicht ausgesprochen, als eine mächtige breite Hand aus dem Wagen herausfuhr und ihn beim Kragen faßte, und wie ein Strauch auf der Heide von der Windsbraut, so wurde Scaglione von dem in wilder Wuth tobenden Marchese geschüttelt.

„Diesmal hab’ ich Dich ertappt, Du Schurke! Bis unter die Fenster Eurer Paläste bestellt Ihr Eure Mordgesellen, Ihr niederträchtiges neapolitanisches Gesindel! Ja, rufe nur um Hilfe, – Deine Worte habe ich gehört und für die Vergeltung werde ich schon sorgen. Und mit Stumpf und Stiel, mit Feuer und Schwert werden wir dies Ungeziefer ausrotten, das unser Land entehrt!“

Bei den letzten Worten schleuderte er den um Hilfe schreienden Abbate auf die Stufen der Treppe und sprang aus dem Wagen. Die Diener waren herbeigeeilt.

„Ein Betrunkener! Schafft ihn hinaus!“ schrie Scaglione.

Mit erhobenen Peitschen und Stöcken stürzten die Kutscher und die Diener auf den Marchese los. Dieser aber drehte sich mitten im Hofe gegen seine Angreifer um und, das mächtige Haupt gesenkt wie ein Stier, der sich zum Kampfe rüstet, schüttelte er die geballten dicken Fäuste gegen sie hin.

„Wage es einer! – Kennt Ihr mich nicht? Ich bin der Marchese della Rovere! Und wer von Euch mich heute noch nicht kennt, der wird morgen von mir hören.“

Ein Fenster im Palazzo war aufgerissen worden. Ein schweizer Offizier rief in das wilde Getümmel hinunter: „Wer ist’s? Was giebt’s?“

Es war Robert von Büren. Der Marchese drehte sich zu ihm hin und rief hinauf:

„Hört mich, Ihr Schweizer, und werft nicht auf unsere Schultern, was andere verbrochen haben. Dem Hauptmann von Hattwyl, Eurem Kameraden, hat dieser da, der Abbate Scaglione, Mörder nachgesendet. Und wollt Ihr wissen, wer den Abbate und die Mordgesellen gedungen hat – so fragt bei der Gräfin von Cellamare nach!“ Und er verschwand unter dem Thorweg in dem Gedränge des zusammengelaufenen Volkes.



Ein Armer bittet!
Nach einem Gemälde von A. Echtler.
Photographie von Franz Hanfstaengl Kunstverlag A.-G. in München.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 725. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_725.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2021)