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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Hans Sachs sind aus dem 16. Jahrhundert höchstens Adam Puschmann, Georg Hager und Ambrosius Metzger zu nennen. Der letzte, einer der wenigen Gelehrten unter den Meistersingern, Lehrer an der Schule zu St. Egidien in Nürnberg, hat außer einer gedruckten Psalmenübersetzung und einer Uebersetzung von Ovids Metamorphosen viele Meistergesänge gedichtet. Er lebte von 1573 bis 1632. Von Georg Hager, einem Schuhmacher in Nürnberg, dessen Vater bei Hans Sachs zugleich das Schuhmacherhandwerk und die Dichtkunst erlernt hatte, ist eine handschriftliche Sammlung von Meisterliedern erhalten, welche in der königlichen Bibliothek zu Dresden aufbewahrt wird und in welcher sich mehrere recht artige, weit über die geistlosen Reimereien der übrigen Meistersinger sich erhebende Lieder befinden. Adam Puschmann endlich, Schuhmacher aus Görlitz (1532 bis 1600), erlernte die „Singekunst und deutsche Poeterei“ zu Nürnberg „bei dem sinnreichen Herrn Hans Sachs“, dessen Leben und dichterisches Wirken er in drei Liedern besang, die sich freilich in meistersingerlicher Breite und Unbeholfenheit bewegen, aber doch ein rührendes Zeichen von der kindlichen Liebe und Dankbarkeit sind, die er zu seinem ehrwürdigen Meister im Herzen trug.

Vor allem aber glänzt als vorzüglichster Dichter des 16. Jahrhunderts Hans Sachs; mit ihm schließt eigentlich die Reihe der altdeutschen Volksdichter ab. Er steht im Mittelpunkte zwischen alter und neuer Zeit; er weist in seinen Werken auf Aelteres, das die Vergangenheit erschaffen hat, auf Neueres, was die Gegenwart damals Dichterisches erschaffen konnte, und auf Zukünftiges, was die Zeit einst noch erschaffen sollte. Hans Sachs, Vorsteher einer Meistersingergesellschaft von 250 Mitgliedern, dichtete für diese Schule allein über 4200 Lieder in Meistertönen (16 derselben waren von seiner eigenen Erfindung) und war in Vers und Reim ein Muster der Tabulatur.

Wie bekannt, ist über Hans Sachs verschieden geurtheilt worden, bald lieblos, bald günstig! Der Altmeister Goethe schrieb unter einen alten Holzschnitt, welcher Hans Sachs’ poetische Sendung vorstellte, als Erklärung folgende Verse:

„Wie er so heimlich glücklich lebt,
Da droben in den Wolken schwebt,
Ein Eichkranz, ewig jung belaubt,
Den setzt die Nachwelt ihm aufs Haupt,
In Froschpfuhl all das Volk verbannt,
Das seinen Meister je verkannt.“




Edison und sein Phonograph.

Es ist eine eigenartige Erscheinung in der Geschichte des technischen Fortschritts, daß die große Menge die Verdienste mancher Männer, man möchte sagen, geflissentlich übersieht, andern Männern dagegen alle möglichen Erfindungen zuschreibt, an denen sie so unschuldig sind wie neugeborene Kinder. Unter hundert Menschen ist, selbst in Deutschland, vielleicht kaum einer, der da weiß, daß Philipp Reis der eigentliche Erfinder des Fernsprechers (vgl. „Gartenlaube“ 1886, S. 254) und der Anatom und Physiolog Samuel Thomas von Soemmerring, † 1830 in Frankfurt a. M. (vergl. „Gartenlaube“ 1864, S. 318), der geistige Vater des elektrischen Telegraphen ist. Der Schreibtelegraph wird zumeist dem Amerikaner Morse zugeschrieben, während der Deutsche Steinheil ihn erfand (vergl. „Gartenlaube“ 1887, S. 605). Den Fernsprecher schreibt man aber Edison auf Rechnung, wobei abgesehen von Philipp Reis noch einem Landsmann des „Erfinders von Menlo-Park“, Graham Bell, insofern bitter Unrecht geschieht, als dieser dem Fernsprecher in der Hauptsache die jetzige praktische Gestalt gegeben hat.

Woher jene Erscheinung, jene bittere Ungerechtigkeit der Menge gegen eine Anzahl hochverdienter Männer? Vielleicht kommt sie daher, daß diese Männer ihre Verdienste nicht ins rechte Licht zu setzen verstanden? Vielleicht ist auch jene Ungerechtigkeit auf eine gewisse Trägheit zurückzuführen? Ist es doch weit bequemer und leichter, sich einen Namen zu merken, als eine ganze Reihe.

So ist es gekommen, daß das Publikum ohne weiteres Edison alles aufzupacken pflegt, was auf dem weiten Gebiete der Elektrotechnik geschieht, etwa wie die Engländer dem in Großbritannien naturalisirten Wilhelm Siemens die weltbewegenden Erfindungen seiner Brüder Werner und Friedrich zuschreiben. In Wahrheit hat Edison an dem Fernsprecher einen nur sehr geringen Antheil – er erfand nur den ersten Kohlen-Heber, welcher aber durch das Mikrophon längst verdrängt ist, sowie ein wenig verbreitetes lautsprechendes Telephon. Viel weniger bestreitbar sind dagegen Edisons Verdienste um das elektrische Glühlicht. Allerdings veröffentlichte der Franzose Sidot bereits 1870 in den Denkschriften der Pariser „Akademie der Wissenschaften“ eine Beschreibung der Glühlampe; allerdings haben Swan und andere zur Vervollkommnung dieser weltbewegenden Erfindung wesentlich beigetragen und wurde der Antheil des eben Genannten an der Sache von den englischen Gerichten ausdrücklich anerkannt. Doch vermag dies alles die Thatsache nicht zu verdunkeln, daß Edison der Glühlampe zuerst die praktische Gestaltung gab und ihr damit zum Siege verhalf (vergl. „Gartenlaube“ 1880, S. 81). Wer es gesehen, welche unendliche Sorgfalt namentlich die Bereitung der lichttragenden Kohlenfäden in den Glühlampen und das Luftleererhalten der niedlichen Glasbirnen erheischt, und wer da weiß, daß diese Errungenschaften im wesentlichen auf Edison zurückzuführen sind, wird dem genialen Amerikaner schon daraufhin einen der ersten Plätze in der Ruhmeshalle der Erfinder anweisen und ihn zu den größten Wohlthätern der Menschheit zählen.

Merkwürdigerweise scheint Edison auf die Ausgestaltung des Glühlichts, welchem er doch hauptsächlich seinen Ruhm und auch seine Millionen verdankt, weniger zu geben, als auf ein etwas ungerathenes Kind seines erfinderischen Genies, welches in letzter Zeit, besonders aus Anlaß der ersten europäischen Reise des „Erfinders von Menlo-Park“ in aller Munde war. Wir meinen den Phonographen oder „Stimmschreiber“, jenen vielbewunderten und allerdings an sich in hohem Grade bewunderungswürdigen Apparat, welcher die Stimme des Menschen, wie überhaupt jedes Geräusch verzeichnet und hierauf, so oft man es begehrt, „phonographisch getreu“ wiedergiebt.

Mit dem Phonographen trat Edison zuerst 1877 auf (vergl. „Gartenlaube“ 1878, S. 169 und S. 464). Der erste Apparat war jedoch so mangelhaft, daß das Ansehen des Erfinders bei den Fachleuten und einem Theil des Publikums dadurch einen bedenklichen Stoß erhielt. Durch diesen Mißerfolg ließ sich aber der Vater des Glühlichts keineswegs entmuthigen. Er hat vielmehr seitdem unablässig an der Vervollkommnung seines Stimmschreibers gearbeitet, und das Ergebniß des heißen Kampfes liegt nunmehr in einem wissenschaftlich nahezu vollkommenen, praktisch allerdings noch an manchen Mängeln leidenden Apparate vor, welchen wir unseren Lesern heute im Bilde vorführen.

Dem Grundsatze getreu, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, müssen wir hier eine Einschaltung machen und der Wahrheit gemäß berichten, daß Edison keineswegs als der alleinige Urheber des jetzigen Phonographen anzusehen ist. Kurz bevor er mit dem verbesserten Apparat auftrat, wurde bekannt, daß ein Deutsch-Amerikaner, Emil Berliner, andererseits aber ein Vollblut-Yankee Namens Tainter „Stimmschreiber“ erfunden hatten, welche sie mit den griechischen Namen „Grammophon“ bezw. „Graphophon“ belegten. Mit dem Apparat von Berliner, dessen Urheber hauptsächlich die galvanoplastische Vervielfältigung der Phonogramme, die sogenannte Phonogravüre, im Auge gehabt zu haben scheint, haben wir uns hier nicht zu befassen, wohl aber mit dem Graphophon, auf welches Tainter bereits 1886 ein Patent erhielt. Den Forschungen Tainters haben wir es nämlich zum guten Theil zu verdanken, daß der Phonograph leistungsfähig geworden ist. Zur Aufspeicherung der Laute bediente sich Edison ursprünglich einer Zinnfolie, Tainter überzog dagegen seine Walzen mit einer Schicht durch einen Zusatz von Paraffin gehärteten Bienenwachses. Die Zinnfolie erwies sich aber als unbrauchbar, und Edison war genöthigt, seinem Mitbewerber Tainter das Recht zur Benutzung des Wachsüberzugs abzukaufen. Andererseits aber war es Tainter nicht gelungen, mit seinem Graphophon Töne naturgetreu wiederzugeben, und es war Edison vorbehalten, diese letztere, sehr bedeutende Schwierigkeit zu überwinden. So ergänzen beide Forscher einander.

Das Princip des Apparates ist nun folgendes: Unter der Einwirkung des Schalles, also z. B. der menschlichen Stimme,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 732. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_732.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)