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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


Als größte Merkwürdigkeit aber wird von dem Besitzer das „eiserne Buch“ gezeigt - eine Art Dankalbum. Die im Laufe der Jahre vom Tode Geretteten haben hier ihre Erlebnisse, ihren Kampf mit Sturm und Schnee und dem tückischen Moor niedergelegt sammt ihrem Dank für endliche Erlösung, und die Familie Schmitz bewahrt das Buch von Geschlecht zu Geschlecht als ihren größten Schatz.



Physikalische Uebungs-Aufgaben für die reifere Jugend. In jedem Zögling höherer Schulanstalten, der Sinn und Neigung für Naturwissenschaften besitzt, erwacht frühzeitig der Wunsch, die Experimente, welche der Lehrer in der Unterrichtsstunde vorführt, selbst machen zu können. Dieser Wunsch ist durchaus berechtigt, denn wir begreifen und lernen die Wirkung der Naturkräfte erst dann vollkommen, wenn wir die Versuche selbst angestellt haben. Die Schule bei ihrer gegenwärtigen Einrichtung kann dieses Verlangen ihrer Zöglinge nicht befriedigen; bis jetzt fehlte es an Apparaten-Sammlungen, die ohne besonderen Kostenaufwand und mit wirklichem Nutzen dem Schüler überlassen werden konnten. Vieles, was zu Laboratorien für die Jugend empfohlen wurde, eignete sich nicht für die strengeren Anforderungen des experimentellen Studiums. Neuerdings sind von den physikalisch-technischen Werkstätten von Meiser und Mertig in Dresden Sammlungen von Apparaten zusammengestellt worden, welche das Studium der wichtigsten Abschnitte der Physik, der galvanischen Electricität, der Influenzelectricität, der Akustik und Optik ermöglichen. Jeder Sammlung sind 120 Aufgaben und Lösungen derselben beigegeben. Diese Sammlungen sind selbstverständlich für diejenigen Schüler bestimmt, welche die Grundsätze der Physik in der Schule bereits kennen gelernt haben, und sollen auch nur solchen gegeben werden. Sie eignen sich wohl als Geschenke, aber selbst der verhältnismäßig geringe Preis von 25 Mark für die Sammlung macht dieselben nur den reicheren Kreisen zugängig, und doch wäre es so wünschenswerth, das Experimentiren thunlichst vielen entsprechend beanlagten Schülern möglich zu machen. Dies ließe sich ohne Zweifel dadurch erreichen, daß der Lehrer die Sammlung dem betreffenden Schüler leihweise überlassen würde. Der Vortheil einer solchen Einrichtung liegt auf der Hand. Das Interesse für die in unsern Lehrplänen so stiefmütterlich bedachten Naturwissenschaften würde bei den Schülern wesentlich gehoben werden; das Experimentiren selbst nach einem durch die gestellten Aufgaben wissenschaftlich geregelten Plan würde keine weitere Ueberbürdung bedeuten, im Gegentheil, es würde den Schülern eine Erholung sein und vor allem ihre Sinne schärfen und ihnen die so überaus wichtige Gelegenheit geben, wirklich beobachten zu lernen. Es liegt uns durchaus fern, die betreffenden Sammlungen, was die Auswahl der Apparate anbelangt, als mustergültig hinzustellen; es ist möglich, daß dieses oder jenes in denselben geändert werden könnte. Es kommt uns in erster Linie darauf an, die Idee, welche diesen Sammlungen zu Grunde liegt und als ein mächtiger Hebel des bei uns so vernachlässigten naturwissenschaftlichen Unterrichts dienen dürfte, zur Geltung zu bringen. Von diesem Gesichtspunkte aus möchten wir Eltern, namentlich aber Lehrern die betreffenden Sammlungen von Apparaten zur Beachtung empfehlen. Ihr Nutzen liegt auf der Hand, denn eigene Anschauung ist die Grundlage der wahren Naturerkenntniß.

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Die Kanarienvögel vom Truteschen Stamm. Von Harzer Kanarienvögeln spricht heutzutage jedermann oder er weiß es doch, wenn die Rede darauf kommt, daß im Harz die eigentliche Heimstätte der vorzüglichsten Sänger dieser Art sein soll. Wer sodann einigermaßen näher eingeweiht ist, kennt auch die Vögel vom Truteschen Stamm und bei allen wirklichen Liebhabern gelten sie als weltberühmt.

Während der Kanarienvogel nachweislich erst seit etwas länger als dreihundert Jahren dem Menschen gleichsam als Hausthierchen zugänglich geworden und von dem schlicht gelblich-graugrünen, freilebenden Vogel oder Wildling zum goldgelben Kulturvogel sich verwandelt hat, können wir die Entwicklung des Kanarienvogels als eines Sängers gar erst seit Jahrzehnten verfolgen.

Das Bergstädtchen St. Andreasberg im Harz war es, von wo diese Veredlung des Kanarienvogelgesanges ausging, bis sie in allerneuester Zeit sich auch in vielen anderen Gegenden unseres deutschen Vaterlandes festgesetzt und weiter entwickelt hat; so außer in den übrigen Harzer Städtchen namentlich in Berlin, Hannover, Frankfurt a. M., Nürnberg, Stuttgart, Köln, Leipzig, Dresden u. a. m.

Bei weitem die meisten der am vorzüglichsten singenden Harzer Kanarienvögel bezeichnet man einfach als Schläger, bezw. Hohlroller vom Truteschen Stamm, und dies schreibt sich daher, daß unter den verschiedenen Kanarienstämmen in St. Andreasberg der des Bergmanns Trute der bedeutendste war und noch ist, neben welchem als gleich hervorragend eigentlich nur noch der Erntgessche Stamm (gezüchtet vom Kaufmann Erntges in Elberfeld) in Betracht kommt.

Wilhelm Trute war ein einfacher, biederer Mann. Wie es in St. Andreasberg üblich ist, geht die Kanarienvogelzüchtung als Nebenbeschäftigung und Nebenverdienst der Bergleute vom Vater auf den Sohn über und jeder sucht den Gesang seines Kanarienvogelstammes weiter auszubilden und zur möglichst hohen Vollkommenheit zu führen. Dazu gehört nicht bloß Eifer, Liebe und Lust, volles Verständniß und Geschmack, reiche Kenntniß und Erfahrung, sondern vor allem ein feines sicheres musikalisches Gehör. Diese Eigenthümlichkeiten können dann aber auch zu einer wahren Goldgrube werden.

So züchtete Trute alljährlich 200 bis 275 Kanarienhähne, die er in früherer Zeit zum Durchschnittspreis von 7,50 Mark, seit zehn Jahren aber mit 10 Mark für den Kopf an einen Berliner Vogelhändler verkaufte, welcher die sorgsam ausgemusterten oder, wie man zu sagen pflegt, „abgehörten“ Vögel sodann zum Durchschnittspreise von 15 bis 20 Mark, und einzelne köstliche Sänger für 30 bis 60 Mark, im höchsten Einzelpreise bis zu 100 Mark an die Liebhaber absetzte. Eine beträchtliche Anzahl der besten Vögel behielt Trute stets zurück, und für dieselben fand er bereitwillige Abnehmer im einzelnen zu 60 Mark, 75 Mark, 100 Mark bis 150 Mark und wohl noch darüber. Für seine Zuchtvögel sind ihm zuweilen 300 Mark und mehr für den Kopf auf den Tisch gelegt worden, ohne daß er sich jemals dazu hätte verleiten lassen, dieselben fortzugeben, denn von ihnen hing ja der Bestand und der Werth seiner ganzen Kanarienvogelzucht und damit einer nicht unerheblichen Erwerbsquelle ab.

Jetzt ist Teute, leider viel zu früh, im Alter von noch nicht 50 Jahren verstorben, und alle, die ihn gekannt und in seinem anspruchslosen und rechtschaffenen Wesen, namentlich aber in seinem achtungswerthen Streben geschätzt haben, werden die Ueberzeugung hegen, daß sein Andenken ein bleibendes ist, denn Kanarienvögel vom Truteschen Stamme wird es in aller Zeit geben, solange wir den goldgelben Hausfreund hegen und pflegen.




Goldgewinnung der Alten. Der alte Plinius, welcher bekanntlich. im 1. Jahrhundert n. Chr. eine dicke Naturgeschichte geschrieben hat, war der Meinung, daß das Gold in Indien nicht durch der Menschen Fleiß gesammelt werde, die hierzu unvermögend seien, sondern daß große fliegende Ameisen die Goldkörner zusammentragen. Wahrscheinlich glaubte er, man finde dann die letzteren in den Ameisenhaufen, wie man heutzutage in denselben die Ameiseneier findet. Torquemadus, ein mittelalterlicher Schriftsteller, ist noch weit phantastischer als Plinius; er stellte sich die Goldgewinnung so vor, daß in dem schwarzen Fluß von Lappland ein Fisch Namens „Trevion“ gefangen werde, der im Winter schwarz, im Sommer weiß sei. Das Schmalz dieses Fisches wirke auf das Gold magnetisch; werde es nun an einem Seile auf den Grund dieses Flusses niedergelassen, so ziehe es die dort zahlreich lagernden Goldkörner an sich und so sei das Gold in Menge gefischt worden.



Arbeiterbäder. In dem Artikel "Gründet billige Volksbäder!" (vergl. Jahrgang 1887, S. 282) haben wir das Volksbrausebad von Dr. O. Lassar in Berlin ausführlich besprochen und dasselbe als sehr zweckmäßig für Fabriken bezeichnet. Auf der „Deutschen Allgemeinen Ausstellung für Unfallverhütung“ in Berlin bildeten die Arbeiterbäder gleichfalls einen wichtigen Punkt innerhalb der gesteckten Aufgabe, da diese sehr geeignet sind, die Gesundheit der Arbeiter zu stärken und durch die Gewöhnung an größere Reinlichkeit auch der Ausbreitung ansteckender Krankheiten Einhalt zu gebieten. Der deutsche Brauerbund hat in richtiger Würdigung dieser Thatsachen einen Preis von tausend Mark ausgeschrieben, welcher derjenigen Einrichtung von Bädern für Arbeiter zuerkannt werden sollte, „welche sich durch Brauchbarkeit, Solidität, Einführbarkeit bei gleichzeitig einladender und einfachster Beschaffenheit auszeichnet“. Von den ausgestellten Einrichtungen hat keine den geforderten Bedingungen vollkommen entsprochen. Am nächsten kamen denselben die Badeeinrichtungen der Firma Börner u. Komp. (Dr. Lassarsches Arbeiterbrausebad) und der Deutschen Jute-Spinnerei und Weberei in Meißen (Arbeiterbrausebad), unter die der Preis getheilt wurde.

Das Preisgericht hat sich jedoch nicht auf die Preisertheilung beschränkt, sondern sich auch in dankenswerther Weise der Mühe unterzogen, Grundsätze für Errichtung von Arbeiterbädern aufzustellen, die in der von B. Knoblauch herausgegebenen Schrift „Arbeiterbadeeinrichtungen“ (in Kommission bei Carl Heymanns Verlag, Berlin) der Oeffentlichkeit übergeben worden sind.

Welcher Art diese Grundsätze sind, wollen wir nur an einigen Beispielen zeigen: Was die Brause anbelangt, so fordert das Gutachten zuvörderst, daß sie schräg gestellt werde. Das senkrecht aus der Höhe herabstürzende Wasser ist namentlich schwächeren oder zu Blutwallungen neigenden Personen unzuträglich. Eine im Winkel von ungefähr 45 Grad stehende und unter gelindem Druck ausströmende Brause würde das Richtige treffen. Dies ist ein Grundsatz, der in vielen uns bekannten sogenannten feineren Bädern nicht durchgeführt ist: ebenso wissen die meisten der Badenden gar nichts von dem Unterschied in der Wirkung einer senkrechten und schrägen Brause.

Große Aufmerksamkeit hat das Preisgericht der Reinlichkeit der Badeeinrichtung zugewandt und sich gegen die Verwendung von Holzwerk im Baderaum ausgesprochen. Der Lattenrost soll thunlichst vermieden werden. Von der Aufstellung eines Holzschemels im Baderaum ist abzusehen, da er besonders geeignet ist, Krankheitsstoffe aufzunehmen und zu übertragen. Derselbe läßt sich durch einen Zinkwulst auf massiver Unterlage ersetzen. Kämme und Bürsten sind nicht auszulegen, weil durch ihren allen gemeinsamen Gebrauch leicht Kopfkrankheiten übertragen werden können. Diese Regel sollte in allen öffentlichen Bädern befolgt werden, denn die ausgelegten Kämme und Bürsten wirken oft verführerisch selbst auf Personen, denen die Gefahr der Uebertragung von Haar- und Hautkrankheiten durch die Benutzung derselben nicht unbekannt ist, die aber vergessen haben, Kamm und Bürste in das Bad mitzubringen.

Möge das Gutachten des Preisgerichtes die wohlverdiente Beachtung finden und zum Fortschritt auf dem Gebiete der Volksbäder führen!

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Einheitlicher Personentarif in Preußen. Der bereits seit dem 1. April 1889 in den Bezirken der östlichen preußischen Eisenbahndirektionen gültige Personentarif wird mit dem 1. April dieses Jahres auch auf die drei westlichen Bezirke ausgedehnt, so daß von da ab für ganz Preußen einheitliche Sätze bestehen. Dieselben betragen in gewöhnlichen Personenzügen für die 4 Klassen 8, 6, 4 und 2 Pfennig für den Kilometer. Für Schnellzüge (auch Kurier- und Expreßzüge) erhöht sich die Taxe für die drei ersten Klassen auf 9, 6 2/3 und 4 2/3 Pfennig; für Rückfahrkarten sind 12, 9 und 6 Pfennig zu zahlen; Karten 4. Klasse werden für Schnellzüge und als Rückfahrtarten nicht ausgegeben.

Weiß man also die kilometrische Entfernung, so kann man sich mit Leichtigkeit die Kosten der Eisenbahnfahrt selbst ausrechnen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_067.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)