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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Wünsche. – Pindarus singt, Wasser ist das Ursprüngliche, hier ist es aber A und O; Anfang und Ende. Die große Wasserfrage in Lutheri Katechismus: Wasser thut’s freilich nicht, ist hier umgeändert und heißt: Wasser thut’s freilich! – Alle meine Poesie ist im Wasser ersäuft und von alten Gedichten, die ich sonst citiren konnte, ist mir nur der Vers geblieben: An der Quelle saß der Knabe etc. (Mein ganzer Lebenslauf ist Wasser, ich werde damit begossen, wie ein Pudel, werde darin ersäuft, wie junge Katzen, sitze darin wie ein Frosch und saufe es wie ein Ochs.) – Aber nun des Scherzes genug, die Hauptsache ist, daß alle ohne Ausnahme sehr mit ihrer Kur zufrieden sind, daß man sich bei allen diesen Geschichten, die einem total widersinnig Vorkommen, gut befindet und daß man sich leicht daran gewöhnt. Schon mit dem zweiten Male war ich an den Kram gewöhnt und empfinde nichts Unangenehmes, als daß meine Zeit so sehr zersplittert ist und ich die Absicht, hier etwas zu schreiben, am Ende aufgeben muß.[1] Nur klagen alle Patienten über Schlaflosigkeit, wovon ich jedoch bisher noch nichts an mir bemerkt habe.

Nun grüße mir alle die Deinigen, Deine liebe gute Frau und Großmama vor allen. Denke daran oft, mein bester Freund, daß ich Dich nie vergessen und bis zum letzten Athemzug voller Dankbarkeit und Liebe bin

Dein F. Reuter. 

Schreibe auch einmal, wenn auch kurz.

Solltest Du Gelegenheit haben, durch Adam vielleicht vom Pastor K. eins von meinen Büchern, das ich ihm geliehen habe: Die chemischen Briefe von Liebig, erhalten zu können, so bist Du wohl so gut, es mir zu schicken oder in Stavenhagen abzugeben, damit es mir von dort geschickt würde.“




Brief aus Stuer ohne Datum. 

 „Mein alter Fritz!

Wenn ich Dich überhaupt noch mit dem Titel sr. königlichen Majestät, des hochseligen Königs Friedrich II. von Preußen anrede, so geschieht es nur, weil ich Deine notorische Faulheit im Schreiben bemitleide und in Großmuth entschuldige; „liebes Kamehl“ oder „verehrter Theekessel“ würden beiweitem passendere Anreden gewesen sein und hätten sogar vielleicht einen besseren Erfolg, d. h. Antwort zur Folge gehabt. – Doch was hilft aller Zorn, was hilft alles Predigen bei einem eingewurzelten chronischen Uebel, wie das Deine; Du würdest doch nicht schreiben und deshalb ist es besser, daß ich es thue, damit doch wenigstens noch irgend ein noch so unbedeutender Fußsteig existire, auf welchem meine Gedanken zu Dir spazieren und Dir meine Aufwartung machen. Du wirst aus dem Ton meines Briefes ersehen, daß mir das Baden nicht alle gute Laune weggewaschen hat und daß die Kälte mich nicht eingeschrumpft hat. Alles, was man mir von Geschwüren, von Ausschlag, von Stinken und dergl. Annehmlichkeiten prophezeit hat, ist nicht eingetreten und man ist zu dem beruhigenden Resultat gelangt, daß ich keinen Krankheits- und Giftstoff im Leibe habe, kurz, daß man nicht etwas Rechtes mit mir aufstellen kann und daß ich ein Normalmensch bin, wovon Du und Deine verehrte Frau Gemahlin gewiß schon längst überzeugt seid. Sollten in meinen Briefen Dir fremde, nicht verständliche medizinische Ausdrücke aufstoßen, so bitte ich Dich, darüber nachzulesen in: Adam, praktischer Arzt zu Treptow a. T., erster und vorzüglichster Theil, Pathologie für Laien; ferner: Hafergrütz-Diätetik von demselben; und noch weiter: Monographie der Psora von demselben; wo Du dann alles leicht verstehen wirst und nebenbei viel Unterhaltung haben wirst. –

Nicht wahr? ich bin ein Narr, einen ernsthaften Brief an einen ernsthaften Mann mit solchen Thorheiten anzufüllen; zumal ich weiß, daß bemeldeter Mann von Geschäften geplagt ist, weil dies gewöhnlich seine bedrängteste Zeit im Jahr ist, da er wohl noch nicht zugesäet hat;[2] ich will mich daher etwas ernster in der Unterhaltung zeigen und als Landmann mich genauer nach Deinen landwirthschaftlichen Verhältnissen erkundigen.[3] Also: Zugesäet hast Du wohl noch nicht? Das schadt auch nicht! Gott ist in den Schwachen mächtig und der Kalender prophezeit noch bis zu Neujahr offen Wetter. – Wie viel Kühe glaubst Du wohl in diesem Frühjahr aufheben[4] zu müssen und von wo beziehst Du jetzt nur Milch zum Kaffee, vielleicht vom Nachbar Hilgendorf? – Daß Du eine eigene Grube für gefallenes Vieh hinter dem Schafstall angelegt hast, halte ich sehr gut für die Kompostbereitung, bin jedoch der Ansicht, daß der Tod Deiner Schweine vom zu vielen Fressen herrührt, denn für jedes Schwein täglich ein verhungerter Hammel ist doch zu viel; übrigens lasse doch die noch lebenden Schafe auf den Roggen gehen, wenn der schon so weit sein sollte, daß sie dort etwas finden; die erste Noth muß doch immer zuerst gekehrt werden und, wie Du selber sagst, das Schaf hat einen vergoldeten Fuß. Das wäre denn so das, was die Außenwirthschaft beträfe, die Häuslichkeit ist wohl nicht so glänzend bestellt, doch man kann ja auch nicht überall groß sein. Daß Du in der Kinderzucht das Möglichste und Vortrefflichste leistest, ist mir hinlänglich bekannt, doch möchte ich Dich darauf aufmerksam machen, daß Dir die Feinheit, das Exquisite darin abgeht; gefreuet habe ich mich, daß Du daran gedacht hast, E.[5] zu Weihnacht einen Fächer und Glacehandschuhe und A.[6] ein Schnürleib zu schenken, wenn Du nun noch etwas Pomade, Schminke, Eau de Cologne etc. zufügst, so kann aus den Töchtern etwas Bedeutendes werden; kaufe ihnen doch bei Gelegenheit auch das neueste Komplimentirbuch und vor allem ein Collier, dann wirst Du sie auch bald an den Mann haben.

Nun lebe wohl und antworte, verehrtester Kuchen, damit ich doch erfahre, ob Ihr nicht etwa todt seid. Erlauben Sie, verzeihen Sie, wat is dat för’n oll dämlich Gerehr?[7]

Dein F. Reuter.“ 




Peters’ Schwiegermutter leidet an Gicht und Reuter äußert sich ausführlich darüber, ob ihr die Benutzung der Wasserheilanstalt Stuer zu empfehlen sei. Interessant dürften in diesem Briefe Reuters Ansichten über Heilung mit Wasser und über Medicin im allgemeinen sein.

„Stuer, den 19. Nov. 1847. 

 „Mein lieber, guter Fritz!

Du wirst aus meinem Briefe, der, wenn ich nicht irre, an demselben Tage von mir an Dich gerichtet ist, an welchem Du an mich schriebst, gesehen haben, daß ich Dich und Deine Aufträge nicht vergessen habe. Jetzt, da ich Deinen Brief vom 10. d. M. erhalten habe, auch schon längere Zeit hier bin, um sicherere Beobachtungen machen zu können, kannst Du auf zuverlässigere Nachrichten mit Recht hoffen. – Meine Ansicht von der Wasserkur ist in Hinsicht des allgemeinen die folgende: Viele Krankheiten, die beinahe unmöglich von Aerzten geheilt werden können, werden hier geheilt; die Schuld mag dabei durchaus nicht an den Aerzten liegen, darüber will ich nicht reden, weil ich es nicht verstehe, wohl aber liegt sie sehr häufig in den Lokalitäten und den Verhältnissen der Patienten. Mit aller Mühe von Deiner und Deiner lieben Frauen Seite werdet Ihr nicht imstande sein, Großmama vor jeder Aufregung und Anstrengung zu bewahren, Ihr werdet nicht imstande sein, sie täglich zu bestimmten Stunden zum Spazierengehen zu bewegen, Ihr werdet ihr nicht immer eine durchaus passende Diät geben können, wenn auch noch so ängstlich dafür gesorgt wird, Ihr werdet ihr nicht die regelmäßigen Bäder verschaffen und sie zum regelmäßigen Wassertrinken anhalten können. Dies ist jedoch hier der Fall und dies ist meiner Ansicht nach im allgemeinen das vorzüglich Lobenswerthe der Wasserkur. Was nun das Specielle der Kur betrifft, so richtet sich die Behandlung nach dem Uebel, und hier kann ich nur Tatsachen berichten, die von mir theils selbst gesehen, theils von anderen glaubwürdigen Personen hier mir erzählt sind. Die Aufzählung von Einzelheiten würde zu nichts nützen, deshalb beschränke ich mich darauf, Dir zu sagen, daß hier eine ganze Anzahl von Gichtischen geheilt worden sind, daß jedoch die Kur

  1. Es ist interessant, daß Reuter sich schon damals ernstlich mit dem Gedanken an schriftstellerische Thätigkeit trug, während das erste Buch von ihm erst zu Weihnachten 1852 erschien.
  2. Scherzhaft gemeint. Die Herbstaussaat war um die Zeit längst beendet und Peters war dafür bekannt, daß er die Bestellung sehr beeilte.
  3. Es folgen jetzt erst recht „Thorheiten“. Das Jahr 1847 war ein Nothjahr, in welchem namentlich das Vieh durch Futtermangel litt. In Thalberg war indeß alles in gutem Stande, und Reuter richtet nun allerlei scherzende Fragen und Rathschläge an den Freund.
  4. Weil sie so matt sind, daß sie nicht ohne Hilfe aufstehen können.
  5. Dreijähriges Töchterchen.
  6. Zweijähriges Töchterchen.
  7. Gerede.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_111.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)