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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

gegangen ist.[1] Das Haus wird 40 Fuß tief und 9 Fuß länger, als das, welches wir jetzt bewohnen, wird 2 Stock (je von 12 Fuß) hoch und erhält noch ein sogenanntes Halbstock oben darauf. Im Parterre liegen die Wirthschaftsräume, Küche, Waschzimmer, Mädchenzimmer, Keller, Holzgelaß und Badestube, dasselbe wird mit Eisenbahnschienen gewölbt und liegt bis auf die Keller ganz oberhalb der Erde. Im zweiten Stock sind die Wohnzimmer, meins wird 4 Fuß tiefer und 3 Fuß breiter[2] und erhält nebenan noch ein kleines Kabinett, das Wohnzimmer liegt in der Mitte und springt etwas ein, davor kommt eine sogenannte italienische Loggia als Balkon in der ganzen Breite des Zimmers, welches ebenfalls 3 Fuß breiter und 4 Fuß tiefer wird, als unser kleiner Salon. Ebenso das Zimmer meiner Frau, welches einen Erker nach der Wartburg zu erhält. Nach hinten an demselben stößt ein Speisezimmer, von dem man ohne Treppe auf eine Terrasse, und in den Garten gelangt. Dann kommt noch nach hinten ein Zimmer zum Ablegen, ein kleines Kabinett für Geschirre und Gedecke, ein Garderobe- und ein Schlafzimmer, welches geräumig wird und nach der Seite zu aus dem Hause ausspringt, damit es gesund und der Morgenluft ausgesetzt wird. Oben, über mir und meiner Frau, kommen ein paar Logierzimmer, mehrere Kammern, und für den Fall, daß ich mir eine Kombination von Gärtner und Bedienten anschaffe, ein Zimmer für diesen. Unterhalb der oben angeführten Terrasse kommt ein kleines Gewächshaus. Den Garten werde ich meistens terrassiren lassen und werde an die Terrassen Spaliers anfügen; auch eine kühle Grotte soll in den Fels gesprengt werden. Ich werde Dir zu seiner Zeit den Plan einschicken. Die Fronte wird sehr hübsch im italienischen Geschmack und wird von vorne wie mit einem platten Dach aussehen, wird aber ein sogenanntes Pultdach nach hinten geneigt haben. Du siehst, es kann hübsch werden, und da ich – Gott sei Dank! – noch immer Glück mit meiner Schreiberei habe, so werde ich auch mit dem Kostenpunkt fertig werden, ohne genöthigt zu sein, von meinem angelegten Gelde etwas aufzunehmen. Diesen Herbst werden die Sprengarbeiten beschafft, im nächsten Herbst ist alles fertig und Ostern 1868 ziehen wir ein, wenn uns Gott Gesundheit und Leben giebt. In manchen Dingen, namentlich im Garten, wird dann wohl noch nachzuhelfen sein. Wir sind beide wohl auf; aber zum neuen Arbeiten komme ich gar nicht. Mir hackt soviel Störung an, daß ich gar nicht weiß, wie das noch werden soll. Nun! hoffen wir auf den Winter. – –

Mein neues Buch[3] ist mit 10 000 Exemplaren in die Welt gegangen. – –

Dein Fritz Reuter.“


„Eisenach, den 10. Dec. 66.

Mein lieber Fritz!

Nachgerade müßte ich mich denn doch wohl für Dein prächtiges Geburtstagsgeschenk, die Karauschen, bedanken. Diese kleinen, liebenswürdigen Landsleute[4] kamen hier in frischem, ungetrübtem Zustande am 8. Nov. an und zwar gerade zur Mittagszeit; nun war aber an diesem Tage ein Ruf an mich ergangen aus der Ferne von Gotha aus, daß ich selbigen Abends eine Vorlesung halten sollte daselbst im Schauspielhause zum Besten der Gustav Adolf-Stiftung und sie sollte mitanhacken. Nun war guter Rath theuer, was anfangen mit der lieben Gottes- und Freundesgabe? Aber Du kennst meine Energie und meinen kurzen Entschluß, wenn von Essen und Trinken die Rede ist; ich sagte also resolvirt bloß das Wort: ‚braden’. – ‚Aber,‘ sagte meine sinnige, gemüthvolle Doris, ‚Herr, all die Krutschen braten?’ – denn sie spricht wegen Bildung nur noch Hochdeutsch. ‚Ja,’ sagte ich und kuckte ihr mit Nachdruck in die himmelblauen Augen, ‚braden, Doris, braden; frische Fische gute Fische, also braden.’ Sie zog sich gekränkt zurück, briet aber die Fische. Was nun sie war, enthielt sich in dieser Frage der Abstimmung und schwieg wie ihr Kollege, der Kultusminister in der Abgeordnetenkammer in Berlin – sie ist nämlich in der letzten Zeit zum Minister des Kultus mit Portefeuille avancirt – sonst wäre die Frage ins Bodenlose gefallen. Als wir aus Gotha zurückkehrten, lebten wir drei Tage und drei Nächte unausgesetzt höchst nahrhaft von ‚braden Krutschen’, und als die letzten verzehrt waren und ich nach mehr verlangte und die Nachricht erhielt, sie wären alle, da sagte ich: ‚Wat? Ok all wedder all?’ und ging zürnend und hadernd mit meinem harten Geschick in meine Stube. – Da hast Du die Krutschen-Geschichte.

Bei uns ist jetzt eine schöne, stille Ruhe eingekehrt, der Hof, der sich hier drei Wochen aufgehalten hat, ist nach Weimar zurückgekehrt. Und als er hier war, habe ich auch zum ersten Mal in meinem Leben eine große Gala-Cour mit durchgemacht, bin zur Tafel geladen und habe der Großherzoglichen Familie eine plattdeutsche Vorlesung halten müssen, die für mich höchst dankbar ausfiel, da mit Ausnahme der Großherzogin, einer geborenen Holländerin, auch kein Einziger ein sterbendes Wörtchen davon verstanden hat. Ich bin jetzt bei der ‚Reise nach Konstantinopel’ und habe den Anfang mit den Rostocker Fetthämmeln gemacht.

Heute ist ein behaglicher Tag für mich, draußen braust der Wind, und die Müllerburschen schlagen sich; ich denke an meine Festungszeit und sitze gemüthlich beim warmen Ofen. –

Dein Fritz Reuter.“


„Eisenach, Sylvestertag 1867.

Mein lieber Fritz!

– – Wir haben unser Weihnachtsfest still und ohne Besuch zu Hause verbracht und sind Eurer und der früheren Weihnachten bei Euch so lebendig eingedenk gewesen, wie die Karauschen waren, die Vater Knitschky[5] uns geschickt hat. Ja denke Dir! die kleinen fröhlichen Dinger kamen am 2. Feiertag hier bei uns an und waren ganz frisch und lebendig, und weil unsere Doris am 2. Festtage Ausgehtag hatte, mußten sie wohl oder übel die Nacht über noch in bittern Todesgedanken harren, aber am andern Morgen – lebten sie noch! Wir leben jetzt buchstäblich fast nur von Fischen, und da die Sendung eine reichliche war, so hoffen wir auch noch einen Theil des neuen Jahres uns davon zu ernähren, denn – dies kannst Du Deiner Frau sagen, damit sie ihre Freude daran habe – ich bin mal wieder, wie früher auf der Festung[6], mit einem genialen Fischgedanken in die Wochen gekommen; ich habe nämlich angeordnet, daß der größte Theil dieses Stolper Gewächses gebraten und dann in Essig gelegt und schließlich als saure Heringe verspeist werden soll. Wenn die guten Karauschen noch lebten, die würden sich mal wundern, was alles aus ihnen werden kann. –

Wenn’s alles so geht, wies gehen soll, dann kommen wir im Februar; mein Buch[7] schreitet piano-forte vorwärts, so daß ich es bis zu der Zeit fertig zum Druck bringen werde, und mein Haus ebenso piano-forte, daß ich es ohne Sorge verlassen kann.

– – Luise, die von Tag zu Tag gescheuter und klüger wird – man sollt’s gar nicht glauben, wie weit sie in dieser Geistesausbildung schon vorgerückt ist! – tadelt mich eben heftig, daß ich nicht vorneweg schon an dem Kopfe des Briefes meinen Dank für das künstlerisch schöne Geschenk[8] ausgesprochen habe. Sie hat gut reden, sie ißt bei Tisch die besten Happen vorweg, während ich mir von Jugend auf immer das fetteste Ende vom Butterbrot und das größte Stück Spickgans bis zuletzt aufgehoben habe. Also nun das fetteste Stück Butterbrot! – Herzlichen Dank für das schöne Geschenk, es soll unsern Salon im neuen Hause zieren! – –

Nun lebt alle wohl! Gedenkt unser freundlich und nehmt die Freßsäcke willig als ein unvermeidliches Uebel auf!

Vorher, zeige ich die Ankunft derselben an.

Dein Fritz Reuter.“

  1. Der ursprüngliche Kostenanschlag wurde später sehr überschritten, so daß Reuter wiederholt deshalb sich beklagte. Er äußert sich darüber zu seinem Freunde Peters u.  a. in einem vom 28. Oktober 1866 datierten Briefe, den wir seines sonst unwesentlichen Inhalts wegen weggelassen haben. Dort heißt es: „Mit dem erneuten und erhöhten Kostenanschlage unseres künftigen Hauses hat der Teufel uns ein neues Basiliskenei ins Nest gelegt. Das geht mir denn doch etwas über den Kreidstock! Aber was thun? Die nöthigen Sprengarbeiten sind gemacht, die Grundmauern sind fertig, der Großherzog hat infolge der Einsicht in den Plan und in die Façade mir das Versprechen der Anlage eines schönen Weges zu meinem Hause gegeben: soll ich nun die ganze Geschichte umstoßen, anders bauen? schlechter? kleiner? – Schlecht will ich nicht bauen, es soll nicht heißen, daß ich ein liederlich Gebäude nach meinem Tode in der Welt zurückgelassen habe, kleiner auch nicht, ich will nicht wieder in solchem kleinen Kasten mich Halbtod räuchern. Also es wird nichts helfen, ich werde in den sauren Apfel beißen müssen.“
  2. Als in der bisherigen Wohnung.
  3. „Dörchleuchting“.
  4. Karauschen waren Reuters Lieblingsfische und er nahm sie daher um so lieber von seinem Freunde an, als sie in Thüringen schwer zu bekommen waren.
  5. Verwalter aus Stolpe, einem Gute, das Peters gepachtet hatte.
  6. Man erinnere sich der drolligen Scenen, wie Reuter mit dem „Franzos“ zusammen wirthschaftet und sie eines Tages Karpfen kochen.
  7. „De Reis’ nach Konstantinopel“.
  8. Eine kleine Malerei.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_187.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)