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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

wußte. Seine Stimme hatte wieder jenen weichen, verhaltenen Ton, der wie Musik das Ohr bestrickte, und seine Augen, diese dunklen, räthselhaften Augen waren mit einem halb düsteren, halb flehenden Ausdruck auf die junge Frau gerichtet. Die Blässe in ihrem Gesichte war noch fahler geworden, aber sie antwortete nicht.

„Ich bitte!“ wiederholte er, noch leiser, noch flehender, und drückte die „gluthfarbene“ Blüthe an die Lippen; aber gerade diese Bewegung brach den Bann. Adelheid richtete sich plötzlich auf.

„Ich muß Sie ersuchen, Herr Rojanow, mir die Blume zurückzugeben. Sie ist für meinen Gatten bestimmt.“

„Ah so – ich bitte um Verzeihung, Excellenz!“

Er reichte ihr mit einer tiefen Verneigung die Kamelie, die sie mit einer kaum merklichen Bewegung des Kopfes in Empfang nahm, dann rauschte die schwere Schleppe des weißen Gewandes an ihm vorüber – er war allein.

Umsonst! An dieser Eisnatur glitt alles ab! Hartmut stampfte wüthend mit dem Fuße. Noch vor zehn Minuten hatte er dem Fürsten gegenüber ein so herbes Urtheil über alle Frauen ohne Ausnahme gefällt, jetzt hatte er es wieder gesungen, das zauberische Lied, das er so oft erprobt, und jetzt fand er eine, die diesem Liede widerstand. Aber der stolze, verwöhnte Mann wollte nicht daran glauben, daß er das Spiel, das er so oft gewonnen, auch einmal verlieren könne, und gerade hier lag ihm alles daran, es zu gewinnen.

Und sollte es denn wirklich nur ein Spiel bleiben? Er hatte sich noch keine Rechenschaft darüber gegeben, er fühlte nur, daß in die Leidenschaft, die ihn zu der schönen Frau zog, sich bisweilen etwas wie Haß mischte. Es waren widerstreitende Empfindungen, die sich schon damals geregt hatten, als er an ihrer Seite durch den Wald ging, halb Bewunderung, halb Abneigung; aber gerade das machte die Jagd so spannend für den geübten Jäger.

Liebe! Die hohe reine Bedeutung des Wortes war dem Sohne Zalikas fremd geblieben. Als er überhaupt empfinden lernte, da lebte er bereits an der Seite seiner Mutter, die mit der Liebe ihres Gatten ein so schmähliches Spiel getrieben hatte, und die Frauen, mit denen sie in ihrer Heimath verkehrte, waren nicht besser als sie. Das spätere Leben, das sie mit ihrem Sohne führte, unstet, abenteuerlich, ohne festen Boden unter den Füßen, hatte vollends den Rest von Idealismus ertödtet in dem jungen Manne; er lernte verachten, ehe er lieben lernte, und jetzt empfand er die verdiente Demüthigung, die ihm widerfuhr, als eine Beleidigung.

„Sträube Dich nur!“ murmelte er. „Du kämpfst gegen Dich selber. Ich habe es gesehen und gefühlt, und in solchem Kampfe siegt man nicht!“

Ein leichtes Geräusch am Eingange ließ ihn aufblicken. Es war der Gesandte, der dort auf der Schwelle erschien und einen suchenden Blick durch das Zimmer gleiten ließ. Er kam, seine Frau zu holen, die er noch hier vermuthete. Beim Anblick Hartmuts stutzte er und schien einen Augenblick unentschlossen zu sein, dann aber sagte er halblaut:

„Herr Rojanow –“

„Excellenz?“

„Ich möchte unter vier Augen mit Ihnen sprechen.“

„Ich stehe zu Befehl!“

Wallmoden trat ein, aber er nahm seinen Standpunkt so, daß er den Eingang im Auge behielt. Es war kaum nöthig, denn soeben waren die Thüren zu dem Speisesaal geöffnet worden und die ganze Gesellschaft fluthete dorthin, der Raum, an den sich das Thurmzimmer schloß, hatte sich bereits völlig geleert.

„Ich bin überrascht, Sie hier zu sehen,“ begann der Gesandte in gedämpftem Tone, aber mit derselben verletzenden Kälte, die er schon bei der ersten Begegnung gezeigt hatte und die dem jungen Manne auch jetzt wieder das Blut in die Stirn trieb; er richtete sich drohend auf.

„Weshalb, Excellenz?“

„Die Frage ist wohl überflüssig, jedenfalls ersuche ich Sie, mich nicht wieder in eine solche Zwangslage zu bringen wie vorhin, als Fürst Adelsberg Sie mir vorstellte.“

„Die Zwangslage war auf meiner Seite,“ gab Hartmut ebenso schroff zurück. „Ich will nicht hoffen, daß Sie mich hier als einen Eindringling betrachten, Sie wissen doch am besten, daß ich zu einem solchen Verkehr berechtigt bin.“

„Hartmut von Falkenried war das allerdings einst – das hat sich geändert.“

„Herr von Wallmoden!“

„Bitte, nicht so laut,“ unterbrach ihn der Gesandte. „Man könnte uns hören, und Ihnen wäre es wohl sicher nicht erwünscht, wenn der Name, den ich soeben aussprach, vor fremden Ohren genannt würde.“

„Ich führe allerdings gegenwärtig den Namen meiner Mutter, auf den ich doch wohl ein Recht habe. Wenn ich jenen andern ablegte, so geschah es aus Rücksicht –“

„Auf Ihren Vater!“ ergänzte Wallmoden mit schwerer Betonung.

Hartmut zuckte zusammen, das war eine Mahnung, die er noch immer nicht ertrug. „Ja,“ entgegnete er kurz, „und ich gestehe, daß es mir peinlich wäre, wenn ich gezwungen werden sollte, diese Rücksicht zu verletzen.“

„Nur deshalb? Ihre Rolle hier würde in diesem Falle auch wohl ausgespielt sein.“

Rojanow trat mit einer heftigen Bewegung dicht vor den Gesandten hin.

„Sie sind der Jugendfreund meines Vaters, Herr von Wallmoden, und ich habe Sie in meiner Knabenzeit Onkel genannt, Sie vergessen aber, daß ich nicht mehr der Knabe bin, den Sie damals hofmeistern und ausschelten durften. Der Mann sieht das jetzt als eine Beleidigung an.“

„Ich beabsichtige weder Sie zu beleidigen noch alte Beziehungen geltend zu machen, die wir beiderseitig als nicht mehr bestehend ansehen,“ sagte Wallmoden kalt. „Wenn ich diese Unterredung wünschte, so geschah es, um Ihnen zu erklären, daß es mir in meiner amtlichen Stellung nicht möglich ist, Sie im Verkehr mit dem hiesigen Hofe zu sehen und dazu zu schweigen, während es doch wohl meine Pflicht wäre, den Herzog aufzuklären.“

„Aufzuklären? Worüber?“

„Ueber so manches, was man hier nicht weiß und was auch wohl dem Fürsten Adelsberg unbekannt geblieben ist. – Bitte, fahren Sie nicht auf, Herr Rojanow! Ich würde das nur im äußersten Nothfalle thun, denn ich habe einen Freund zu schonen. Ich weiß, wie ihn vor zehn Jahren ein gewisser Vorfall getroffen hat, der jetzt in unserer Heimath vergessen und begraben ist; wenn das alles wieder auflebte und in die Oeffentlichkeit gebracht würde – Oberst Falkenried würde daran sterben.“

Hartmut erbleichte und die trotzige Erwiderung kam nicht über seine Lippen. „Er würde daran sterben!“ Das furchtbare Wort, dessen Wahrheit er nur zu gut fühlte, drängte für den Augenblick selbst das Beleidigende jener Erklärung in den Hintergrund.

„Ueber jenen Vorfall bin ich nur meinem Vater Rechenschaft schuldig,“ entgegnete er mit mühsam beherrschter Stimme. „Nur ihm allein und keinem anderen!“

„Er wird sie schwerlich fordern – sein Sohn ist todt für ihn! Doch lassen wir das ruhen. Ich spreche hauptsächlich von den späteren Jahren, von Ihrem Aufenthalt in Rom und Paris, wo Sie mit Ihrer Mutter auf ziemlich glänzendem Fuße lebten, trotzdem die rumänischen Güter im Zwangswege verkauft waren.“

„Sie scheinen ja allwissend zu sein, Excellenz,“ stieß Rojanow in äußerster Gereiztheit hervor. „Wir ahnten wirklich nicht, daß wir unter so gewissenhafter Beaufsichtigung standen. Uebrigens lebten wir von dem Rest unseres Vermögens, der aus jenem Zusammenbruch gerettet war.“

„Es wurde nichts gerettet, das ganze Vermögen ging damals verloren bis auf den letzten Heller!“

„Das ist nicht wahr!“ fiel Hartmut stürmisch ein.

„Das ist wahr! Sollte ich darin wirklich besser unterrichtet sein als Sie?“ Die Stimme des Gesandten klang in schneidender Scharfe. „Es ist möglich, daß Frau Rojanow ihrem Sohne nicht die Quellen nennen wollte, aus denen ihre Mittel flossen, und ihn absichtlich im Irrthum darüber ließ. Ich kenne diese Quellen – wenn sie Ihnen unbekannt geblieben sind, um so besser für Sie!“

„Hüten Sie sich. meine Mutter zu beleidigen!“ brauste der junge Mann auf. „Ich könnte sonst vergessen, daß Sie graue Haare tragen, und Genugthuung fordern –“

„Wofür? Etwa für eine Behauptung, die ich mit Beweisen unterstützen kann? Lassen Sie solche Tollheiten beiseite, auf die ich doch nicht eingehen würde. Es war Ihre Mutter und sie ist todt! Also wollen wir diesen Punkt nicht weiter erörtern. Ich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_215.jpg&oldid=- (Version vom 27.1.2024)