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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Beschauer verhältnißmäßig klein dünken, der nur die von der älteren Technik hergestellten Motoren kennengelernt hat. Die neueste „Compound“-Maschine ist, ihrem Namen entsprechend, „compendiös“ und nimmt verhältnißmäßig wenig von dem kostbaren Raum des Dampfers in Anspruch. Trotzdem arbeitet sie kräftig genug, wenn man berücksichtigt, daß der Durchmesser der Kurbelwellen ½ Meter, das Gewicht jeder einzelnen derselben 900 Centner, dasjenige der beiden Schraubenwellen aber je 820 Centner beträgt. Das Gesammtgewicht beider Maschinen beläuft sich auf etwa 20000 Centner; sie entwickeln zusammen 13000 Pferdekräfte und die 48 Feuerungen münden in 3 Schornsteine von je 3,4 Metern Durchmesser.

Im Maschinenraum.

„Ich möchte zuerst die Maschine sehen,“ erklärte der Besucher eines solchen Seeriesen dem ihn führenden Schiffsoffizier.

„Welche?“ antwortete dieser. „Wir haben deren 40.“

„Ich meine die Dampfmaschine.“

„Nun ja, 40 selbständige Maschinen mit zusammen 82 Dampfcylindern.“ – Und da besah man die 11 „Bordmaschinen“ zum Ein- und Ausladen von Waren, die 4 Dynamomaschinen zur Speisung des elektrischen Lichtes, von denen immer 2 abwechselnd ununterbrochen arbeiten, da die unteren Räume auch den Tag über künstliches Licht erfordern; die 10 Dampfpumpen, von denen eine zur Speisung der an Bord befindlichen „Süßwasserstationen“, der Seewasser-Destillirvorrichtungen, bestimmt ist, ferner die 4 Dampfsteuerapparate, die für sich das Drehen des Steuerruders von Steuerbord nach Backbord oder umgekehrt in nicht ganz 5 Sekunden bewerkstelligen können; die Ankerwinden und noch eine Reihe anderer nützlicher Hilfskräfte gleichen Schlages, deren Aufzählung hier zu weit führen würde.

Wesentlich auch der Sicherheit, nicht nur der Schnelligkeit dient ein beträchtlicher Theil der erwähnten großen Masse von Maschinen schon aus dem Grunde, weil im Fall des Unbrauchbarwerdens einer derselben die anderen ihren Dienst selbständig versehen.

Der wachthabende Offizier auf der Kommandobrücke, den unser Hauptbild oben links zeigt, hat das in zahlreichen Seeromanen eine so große Rolle spielende Sprachrohr nicht nöthig; es würde auch bei einem Fahrzeuge von so gewaltigem Umfange allzu große Anforderungen an die menschliche Lunge stellen. Auf der Kommandobrücke befindet sich, neben drei Kompassen, eine sechsfache Telegraphie, je 3 Apparate auf Steuerbord und Backbord, also rechts und links von dem nach vorwärts Blickenden. Ein Zifferblatt auf jedem Apparat, ähnlich demjenigen einer Uhr, zeigt mit unfehlbarer Sicherheit nicht nur, ob ein Befehl dem Maschinisten richtig gegeben worden ist, sondern auch, durch die von letzterem bewirkte Stellung eines zweiten Zeigers, ob der Maschinist das Kommando richtig verstanden hat; zugleich ertönt ein entsprechendes Glockenzeichen. Zwei weitere Uhrenapparate stehen unmittelbar mit den Dampfcylindern in Verbindung und legen genau Rechenschaft über die Umdrehungen der Wellen, beziehungsweise der Schrauben ab.

Dampfsteuerapparat.

Im übrigen ist beim Bau wie bei der Einrichtung der Schnelldampfer nichts von dem versäumt worden, was die Erfahrung zu thun und zu lassen gebot. Die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actiengesellschaft, die seit 1847 besteht, seit 1856 die regelmäßige überseeische Dampferverbindung betreibt, erst mit 2, jetzt mit 40 großen Dampfern, hat hinreichende Erfahrungen selbst gemacht, neben den vielen guten auch vereinzelte trübe. Ohne Unglücksfälle geht es nun einmal bei Eisenbahn- und Dampferbetrieb nicht ab, und doch würde die Menschheit nicht zu Segelschiff- und Postwagenbeförderung zurückkehren wollen. Aber die empfangenen Lehren sind beherzigt worden. Beispielsweise kannte man schon vor Jahrzehnten die „Schotten“, die wasserdichten Wände, durch welche das Schiff in Einzelabtheilungen zerlegt wird; aber es ging mit ihnen mehrfach wie mit den Noththüren in Theatergebäuden: zum Oeffnen dieser, oder zum Schließen jener war in Nothfällen kein Mensch da. Jetzt hat man die Sache anders angefangen. Unsere Schnelldampfer sind nicht nur mit doppelten Bodenlagen versehen, sondern auch mit 11 bis zum Oberdeck durchgehenden eisernen Querschotten ausgestattet, somit in 12 wasserdicht getrennte Abtheilungen zerlegt. Die durch die Schotten führenden Thüren befinden sich über der Wasserlinie, bis auf einige Pforten im Maschinenraum, die, falls sich der untere Theil des Schiffes mit Wasser füllen sollte, mit wenigen Handgriffen von oben abgeschlossen werden. Die anderen vorhin erwähnten Thüren, deren eine unsere Abbildung „Gang im Zwischendeck“ vorführt, können im Nu geschlossen werden; durch 6 doppelte Hebel wird der Thürflügel an die Gummibekleidung des Thürrahmens gepreßt und somit auch über der Wasserlinie der vollständige Abschluß hergestellt.

Die zehn mächtigen Dampfpumpen des Schiffes fördern in der Minute 360 Hektoliter Wasser, würden somit innerhalb vier Stunden das Schiff ganz wieder auspumpen können, wenn es vollständig mit Wasser gefüllt wäre; eine Einzelabtheilung dürfte nur etwa 20 Minuten erfordern. Bemerkt zu werden verdient hier, daß auch die Dampfmaschinen vollständig wasserdicht von einander abgetrennt sind. Die Dampfpumpen können zugleich als

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_238.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)