Seite:Die Gartenlaube (1890) 286.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Mehr noch als diese Thaten verdiente die Ausdauer der von Franz in Pavia eingeschlossenen deutschen Landsknechte gerühmt zu werden, welche weder durch die äußerste Hungersnoth, noch durch des Feindes Lockungen, obgleich sie fast gänzlich ohne Sold blieben, von ihrem Eide abgebracht werden konnten, die Stadt bis zum Entsatze zu halten.

Wir könnten ausführlicher noch die kindliche Frömmigkeit der Landsknechte schildern, die nicht ganz umsonst die „frommen“ genannt wurden; es genügt der Hinweis auf ihren Brauch, vor jedem Sturm oder zu bestehenden Angriffe auf die Kniee zu fallen und ein geistlich Lied zu singen. Auch vor dem Aufstehen vom Gebet drei handvoll Erde nach uralter Sitte rückwärts über das Haupt zu werfen, versäumte keiner der Todgeweihten. Die Welschen begriffen solches Thun nicht, und selbst Paul Jovius meint einmal, die Deutschen hätten sich wohl aus Furcht vor den Kanonenkugeln niedergeworfen!

Wir könnten endlich eine Reihe von Winkelriedsthaten erwähnen, denn solche Aufopferung des einzelnen findet sich in der Zeit der enggeschlossenen, mit langen Spießen bewehrten Schlachthaufen wiederholt, wenn des Vaterlandes Noth oder die kriegerisch-nationale Eifersucht die Gemüther mehr als gewöhnlich erregte. In der Schlacht bei Ravenna, 1512, opferte sich so, um in den „Igel“ der Spanier Bresche zu legen, der starke Hauptmann Fabian von Schlaberndorf, ein Sachse.

Lassen wir uns hieran genügen! Ein der durchschnittlichen Wirklichkeit näher kommendes Bild bietet ein anderer Feldzug: der des kaiserlichen Heeres in den Jahren 1526 und 1527 gegen Rom; er zeigt uns das Landsknechtswesen in jener Entwicklung, die es nehmen mußte; war es doch, aus dem Verfalle der mittelalterlichen Auffassung des Kriegsdienstes als einer an Lehen geknüpften Ehrenpflicht entstanden, eine gegen Sold geübte handwerksmäßige Waffenleistung geworden. Zugleich aber wirkten gerade in dem eben erwähnten Feldzuge doch auch Antriebe höherer, mehr idealer Art auf die rauhen Gesellen ein, die unser Interesse für sie doch immer wieder beleben, wenn wir uns eben vielleicht, empört über barbarische Ausschreitungen, von ihnen wenden wollen. Und endlich finden der volksthümlichste aller Landsknechtsführer, der wackere, ehrenfeste Georg von Frundsberg, und der glänzendste derselben, der durch seine fürstliche Herkunft wie durch sein schweres Geschick und seine Schuld dreifach anziehende Karl von Boürbon, während desselben ihr tragisches Ende.

Franz I. von Frankreich, 1525, bei Pavia gefangen genommen, hatte, im Frühjahr wieder freigelassen, dem Kaiser Karl V. alsbald Eid und Vertrag gebrochen; zwei Monate nach seiner Freilassung brachte er mit dem Papste Clemens VII., mit des Reiches Lehensmann Francesco Sforza von Mailand, mit der Republik Venedig etc. die „Heilige Liga“ zum Abschluß.

Der kaiserliche Generalkapitän in Italien war Karl von Bourbon; er ward bald eng umlagert in dem durch die endlosen Kriege verödeten Mailand, dessen Einwohnerrest nur durch die grausamste Strenge in Gehorsam gehalten werden konnte.

Karl von Bourbon, der Geburt nach der erste Prinz von Geblüt in Frankreich, ragte noch vielmehr als durch Geburt durch südländische Mannesschönheit und ritterliche Erscheinung über seine Umgebung empor; sein Unglück war, daß er mit diesen Eigenschaften und mit seinem Reichthum sogar den König überragte, und daß er sich dessen bewußt war. Geflissentlich entwickelte er oft einen übertriebenen Glanz, und wenn er dem Könige in Liebeshändeln den Rang abgelaufen hatte, wies er dessen eifersüchtige Wallungen mit beißenden Bemerkungen zurück. So wurden Verhältnisse und Eigenschaften, welche ihn zu besonders glücklichem Lebensgenusse vorherbestimmt erscheinen ließen, die Quelle seines Unglücks.

Die Wendung in seinem Leben trat ein, als seine glänzenden Eigenschaften gerade den scheinbar stolzesten Triumph errangen, als des Königs Mutter, die verwitwete Herzogin von Angoulême, die allerdings schon im vierzigsten Lebensjahre stand, sich sterblich in den dreizehn Jahre jüngeren Mann verliebte und ihm geradezu ihre Hand anbot. Bourbon, damals bereits Connetable, das heißt erster Kronfeldherr, wies das liebeskranke Weib, das ihm gegenüber bisher als fördernder Schutzgeist gewirkt hatte, kalt ab und verschärfte die Kränkung noch, indem er sich gleich darauf mit der schwächlichen, unschönen, verwachsenen Susanna von Bourbon-Beaujeu, einer Enkelin Ludwigs XI., vermählte. Nur der Wunsch, das gesammte Erbe des Hauses Bourbon in seiner Hand zu vereinigen, konnte ihn hierzu bewogen haben. Der Connetable hatte in manchen Kränkungen bald die Rache der Verschmähten zu spüren, aber in den bösen Dämon seines Lebens verwandelte sie sich erst, als er sechs Jahre später, 1522, nachdem ihm Kind und Gattin gestorben waren, abermals, und zwar mit unverhohlenem Widerwillen, die Hand der in Sehnsucht nach seinem Besitze sich Verzehrenden ausschlug; und diesmal hatte, wie behauptet wird, der König selbst den Freiwerber für sie gemacht.

Nun folgte Kränkung auf Kränkung, seine Einkünfte wurden gekürzt, und schließlich wurde ihm die Gesammterbfolge des Hauses Bourbon streitig gemacht; es drohte ihm der Verlust fast aller seiner Güter, denn seine hohen Feinde fanden willige Richter. In den finsteren Stunden, welche solche Verhältnisse mit sich brachten, war es nun, daß fremde Einflüsterungen Eingang in seinem Herzen fanden, daß er, Ehre und Pflicht vergessend, sich dem Kaiser Karl V. und dem König Heinrich VIII. von England zuschwor zu einem Anschlage auf Frankreich, während Franz I. auf einem damals geplanten Kriegszuge nach Italien abwesend wäre. Was ihm der Kaiser bot, war nichts Geringeres als die Hand seiner Schwester Eleonore, der verwitweten Königin von Portugal, nebst 200 000 Thalern Mitgift außer ihrem großen Vermögen. Aber die Verschwörung kam an den Tag, und dem Connetable blieb nichts übrig, als sich Franz I., welcher sich großmüthig zeigte, reuevoll zu Füßen zu werfen oder ganz und für immer ins Lager der Feinde zu gehen. Er entschloß sich zum letzteren, und indem er, Krankheit heuchelnd, sich dem zu Felde ziehenden Könige fern hielt, gelang es ihm unter den größten Gefahren, über die Grenze zu entkommen. Aber er, welcher sich vermessen hatte, halb Frankreich dem Kaiser zu Füßen zu legen, kam jetzt allein, als angstentstellter Flüchtling, in der Freigrafschaft Burgund an. Franz I. gab den geplanten Feldzug auf. Bourbon aber mußte bald erfahren, daß ihm nun ein Makel anhing, den kein Heldenthum zu verwischen vermochte und den selbst die Feinde seines Königs ihn empfinden ließen. Sogar seine Triumphe wurden ihm durch seinen Verrath vergällt. Als siegreicher kaiserlicher General mitleidsvoll zu dem tödlich verwundeten, sterbend unter einem Baum an der Sesiabrücke liegenden Bayard tretend, mußte er sich von diesem mit herbem Vorwurfe und warnender Weissagung wegscheuchen lassen. Er erlebte zwar den Triumph, als Sieger mit den anderen kaiserlichen Generalen vor den bei Pavia gefangen genommenen König Franz treten zu können, aber dessen und der anderen Generale Verhalten verbitterte ihm auch diesen Augenblick befriedigter Rache. Selbst von den eigenen Truppen hatte er Kränkendes zu vernehmen. Ritt er auf dem Marsch die Reihen der spanischen Arcabuceros entlang, so sangen diese nach ihrer Sitte wohl Lieder auf ihn, in welchen sie seine Kriegsthaten mit denen eines Julius Cäsar, Hannibal und Scipio verglichen; es flochten sich aber immer auch Strophen in diese Soldatenlieder, in welchen auf seine Armuth, sein besitzloses landflüchtiges Soldritterthum in derber Weise hingedeutet wurde; er, der General, hieß es da wohl, sei so arm wie der ärmste Teufel unter seinen Soldaten, und er – mußte verbindlich dazu lächeln. Die herbste Verdammung aber ward ihm von jenem spanischen Granden zu theil, der auf Befehl Kaiser Karls ihn in seinem Palaste beherbergen mußte. Kaum war Bourbon weiter gezogen, so ließ dieser Edelmann seinen Palast in Brand stecken und die Trümmer dem Erdboden gleich machen: das Haus seiner Väter war ihm durch den Aufenthalt des landesverrätherischen Mannes für immer entweiht. Auch um die Hand Eleonorens wurde der Bourbon betrogen; der Kaiser sagte sie in seinem Friedensschluß mit Franz I., durch welchen dieser aus der Gefangenschaft erlöst wurde, dem Könige von Frankreich zu, um freilich alsbald selbst von diesem wieder betrogen zu werden.

Neben Karl von Bourbon hatte schon im „königlichen Kriege“, wie erwähnt, Georg von Frundsberg, der „Vater der Landsknechte“, mit höchster Auszeichnung gefochten und mit das Beste zur siegreichen Entscheidung gethan. Er hatte seitdem auf seinem Schlosse Mindelheim in Schwaben gesessen. Nur einmal, durch den Bauernkrieg, war diese seine Ruhe unterbrochen worden. Im Algäu und in Salzburg hatte er die aufrührerischen Bauern zum Gehorsam zu bringen. Aber voll Erbarmen mit dem unglücklichen Volke vermied er gewaltsame Entscheidung und stellte Ruhe und

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_286.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)