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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Blätter und Blüthen.


Benjamin Franklin. „Er entriß dem Himmel den Blitz, den Tyrannen das Zepter“ (Eripuit coelo fulmen sceptrumque tyrannis.) Mit diesen Worten wurde einst Benjamin Frankin von den französischen Akademikern geehrt, und in dem knappen Raume eines Hexameters kann die hohe Bedeutung des großen Amerikaners treffender nicht wiedergegeben werden; denn Benjamin Franklin war gleich hervorragend als Gelehrter wie als Staatsmann. Wenn mit dem Ausdruck „er entriß dem Himmel den Blitz“ auf Prometheus, der den Göttern das Feuer entwand, angespielt wird, so liegt keine Uebertreibung darin, denn Franklin war bei allen seinen Forschungen von dem Bestreben geleitet, die erweiterte Kenntniß der Naturkräfte praktisch zu verwerthen, und er ist ja der Erfinder des Blitzableiters.

In seinem Jahrhundert war er der Vorkämpfer einer neuen Zeit, einer Kulturepoche, in der wir groß geworden sind und die zu der erfolgreichsten der Menschengeschichte zählt. Es ist das Zeitalter des Dampfes, des Eisens und der Elektricität, in welchem die Naturkräfte dem Menschen unterthan wurden und die Industrie sowie der Verkehr einen fast märchenhaften Aufschwung genommen haben, das große Zeitalter der freien Entfaltung der menschlichen Gesellschaft, in welchem durch den ungehinderten Wettbewerb die Kraft des einzelnen gestählt wurde, in welchem die Erfindungen aufblühten und in welchem die Menschenliebe in freiem Staate sich so herrlich entfaltete.

Am 17. April sind hundert Jahre verflossen, seit Benjamin Franklin seine Augen geschlossen hat, und wenn wir heute sein Leben betrachten und die errungenen Fortschritte der Menschheit im raschen Fluge durchmustern, so wird es uns klar, daß Franklin eine der Muster- und Heldengestalten unseres zur Neige gehenden Zeitalters war. Sein Name ist jedem Schulkinde bekannt, denn von Geschlecht zu Geschlecht wurde er uns als Vorbild vorgeführt, dem wir nachstreben müßten, wenn wir durch Fleiß und Sparsamkeit vorwärts kommen, durch aufopfernde Thätigkeit für andere glücklich werden wollten. Die Jugend lernt frühzeitig seinen Lebenslauf kennen, und mit Recht! Denn muß sie nicht mit frischem Lehensmuth erfüllt werden, wenn sie erfährt, zu welchen Ehren das am 17. Januar 1706 geborene sechzehnte Kind eines Seifensieders zu Boston gelangen konnte? Das Leben streute dem Kinde keine Rosen auf den Weg; aber Lust zur Arbeit, Ausdauer und Fleiß räumten alle Widerstände hinweg. Wegen Mangels an Mitteln mußte Benjamin schon im 10. Lebensjahre die Lateinschule verlassen und wurde zunächst in der Seifensiederei seines Vaters, dann aber von seinem 12. Lebensjahre an in der Buchdruckerei seines Stiefbruders beschäftigt. Hier erschien eine Zeitung, und das journalistische Treiben riß Franklin zur geistigen Thätigkeit fort. Sein Beruf wurde zunächst der eines Druckers und eines Zeitungsherausgebers. Um eine eigene Druckerei zu gründen, unternahm er schon mit 18 Jahren eine Reise nach London. In seine Heimath zurückgekehrt, fand er in Pennsylvanien den günstigsten Boden für sein Wirken. Rasch gelangte er zu Amt und Würden und wußte sich als Oberpostmeister verdient zu machen. In Pennsylvanien entfaltete er auch sein gemeinnütziges Wirken. Ihm verdankt Philadelphia die erste öffentliche Bibliothek, die erste Feuerlöschanstalt und die Universität.

Um jene Zeit beschäftigte er sich auch mit dem Studium der Gewitter; er stellte zuerst die Ansicht auf, daß jene Furcht und Schrecken erregende Naturerscheinung ein elektrischer Vorgang sei, und gab der Menschheit in dem Blitzableiter das Mittel, sich vor der Gewalt der Elemente zu schützen. Seine für die damals wenig entwickelte Elektricitätslehre so wichtigen Anschauungen legte er nieder in dem Buche „New experiments and observations on electricity“ („Neue Versuche und Beobachtungen über die Elekricität“), eine Schrift, die sich in der gelehrten Welt erst nach und nach Anerkennung verschaffte und für die er 1753 von der Königlichen Gesellschaft in London die goldene Preismedaille erhielt.

Inzwischen war der Oberpostmeister von Pennsylvanien zum Generalpostmeister der amerikanischen Kolonien vorgerückt, und nun reifte in ihm, dessen Geist mit dem politischen Leben seiner Landsleute sich stets aufs lebhafteste beschäftigte, der große Gedanke eines Zusammenschlusses aller nordamerikenischen Kolonien, mit Bundesverfassung, Kongreß und Centralregierung – ein Gedanke, für den er später auch mit der That wirken durfte, indem er an der Unabhängigkeitserklärung der „Vereinigten Staaten“ am 4. Juli 1776 theilnahm. Im Dienste des Freistaates ging er wiederholt nach Europa und der günstige Friedensabschluß, der dem nordamerikanischen Freiheitskriege am 3. September 1783 ein Ende machte, war nicht zum geringsten Theil seinem diplomatischen Geschick zu verdanken.

Franklin war aber auch ein echter Volksmann, der den Aufschwung der emporstrebenden Bürgerkreise durch Wort und That zu fördern wußte. Der Verbreitung des Willens, der echten Voksbildung widmete er seine Kraft. Er war der Gründer der ersten öffentlichen Bibliothek in der Neuen Welt, er schuf Bildungsvereine für Arbeiter und Handwerker, er gab einen vortrefflichen „Volkskalender“ heraus, und in seinem Buche „Sprichwörter des alten Heinrich oder die Weisheit des guten Richard“ hinterließ er einen Schatz nützlicher und doch edler Lebensweisheit.

Benjamin Franklin war einer der hervorragenden Männer, welche den Grundstein unserer heutigen Zeit gelegt haben. Dieses Verdienst erkannten schon seine Zeitgenossen an, und als er am 17. April 1790 aus dem Leben schied, legte die nordamerikanische Union die Nationaltrauer auf einen Monat an.

Sein Grab schmückt die Inschrift, die er selbst entworfen hat: „Hier ruht der Leib Benjamin Franklins, eines Buchdruckers (gleich dem Deckel eines alten Buches, aus welchem der Inhalt herausgenommen und der seiner Inschrift und Vergoldung beraubt ist), eine Speise für die Würmer; doch wird das Werk selbst nicht verloren sein, sondern, wie er glaubt, dermaleinst erscheinen in einer neuen schöneren Ausgabe, durchgesehen und verbessert von dem Verfasser.“

Von der Höhe, die sie in dem Kampfe eines Jahrhunderts errungen hat, strebt die menschliche Gesellschaft heute neuen Zielen entgegen. Aber noch in unseren Tagen verdienen die Bürgertugenden, die Franklin pries, die höchste Werthschätzung, ja mehr noch als früher ist es in unserer gährenden Zeit nothwendig, dem Volke Männer als Vorbilder zu zeigen, die durch Selbstbildung, Sparsamkeit und eisernen Fleiß, die aus eigener Kraft nicht nur angesehen und reich, sondern auch Beglücker der Menschheit geworden sind. *     


Eine Kanone Buschiris. (Zu der untenstehenden Abbildung.) Im Garten der Marineakademie zu Kiel befinden sich seit einiger Zeit inmitten von verschiedenen Kanonenproben aus vergangenen Jahrzehnten ein paar seltsame Geschütze, die – unsere Abbildung eines derselben mag dies veranschaulichen – entschieden den Eindruck machen, als wären sie etwa zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges oder noch früher in irgend einem Sumpfe versunken und neuerdings, von Rost und Fäulniß halb zerfressen, wieder ans Tageslicht gezogen worden. Und doch haben diese Kriegswaffen noch jüngst ihre Rolle in dem Kampfe mit den Aufständischen an der ostafrikanischen Küste gespielt. Es sind die sogenannten „Buschirikanonen“, welche durch die deutschen Kriegsschiffe „Leipzig“ und „Carola“ bei Pangam und Saadani erbeutet wurden und deren einstiger Besitzer inzwischen gefangen genommen worden und den Tod des Rebellen gestorben ist.

Wenn wir diese Ungethüme in ihrer ganzen vorsündfluthlichen Unbeholfenheit aus nächster Nähe betrachten, gewinnen wir die beruhigende Ueberzeugung, daß unseren wackeren Blaujacken das Feuer dieser „Batterie“ nicht eben große Gefahren bereitet haben würde. Keine von den vier Kanonen hat dieselbe Form wie irgend eine ihrer Genossinnen, keine hat eine Vorrichtung zum Zielen oder Richten, das Kaliber, soweit man bei der Unregelmäßigkeit dieser Geschützläufe noch von einem solchen reden kann, ist ein sehr mageres, und zwei der Rohre wären wahrscheinlich beim ersten Schuß geplatzt, so daß man also annehmen darf, daß diese Schlünde niemals Tod und Verderben gespieen, sondern immer nur gedroht haben. Kostbar ist auch der Anblick der Lafetten. Negerhände haben sie aus Holz geschnitzt, und die Räder, aus einem Stück bestehend und auch annähernd rund, werden durch lange verrostete Nägel an den Holzachsen festgehalten. Man hat sich nur noch einige Joch Ochsen vor dieses anmuthige Fahrzeug zu denken, ein paar schwarze „Fahrer“ und desgleichen Kanoniere dazu, und das Bild von Buschiris Kriegsartillerie ist fertig. =     

Eine Kanone Buschiris.


Schloß Prunn. (Zu dem Bilde S. 281.) Kühne Bauherren waren die Ritter des Mittelalters, das weiß man aus mehr als einem Beispiele. Aber so keck hat selten ein Schloß auf seinem Felsenstock gesessen wie dasjenige, welches unsere Abbildung dem Beschauer vorführt. Es ist das Schloß Prunn, drei Stunden oberhalb Kehlheim an der Altmühl, einem linken Nebenfluß der Donau, gelegen. Es ist, als wollte der riesige Felsenthurm sich vornüber neigen und sammt seiner Last zu Thal stürzen, denn wie ein von der Brandung ausgewaschenes Felsgestade zeigt er sich unterhöhlt und eine breite Kluft trennt ihn von dem Rande der Hochebene.

Jahrhunderte haben an den Gebäulichkeiten des Schlosses gearbeitet, und die ersten Erbauer fanden bequeme Bausteine in den Trümmern eines alten Römerkastells; die Ringmauer auf der Süd- und Westseite weist viele Römerreste auf. Wann die Burg erstand, das weiß man nicht genau, jedenfalls war es schon vor dem Jahr 1100, in welcher Zeit (1037) zuerst Herren von Prunn bekannt werden. Dann sah das Felsennest manche wechselnde Besitzer: die Breitenecker, Frauenberger, die Herren von Keck, später die Jesuiten und Johanniter, und alle haben ihre Gedächtnißmale in Erweiterungsbauten hinterlassen. Eine lange, auf drei gemauerten Pfeilern ruhende Holzbrücke führt über den außerordentlich tiefen und breiten Schloßgraben, ein 16 Meter tiefer Ziehbrunnen spendet einen erquickend kühlen Trunk; oben aber, von den Bodenräumen der Schloßgebäude, genießt man eine entzückende Aussicht weithin über das gesegnete Bayerland.

Ein sonderbares Gemälde fällt an der Ostseite des Schlosses dem Blicke des Beschauers auf. Es ist ein sich bäumender Schimmel in rothem Felde, und die Sage weiß hierzu eine kleine Geschichte zu erzählen. Einer der Ritter, der auf Schloß Prunn saß, war alt geworden und gedachte sein Haus zu bestellen. Er hatte aber drei Söhne, die er alle drei gleich liebte und von denen er keinem einen Vorzug einräumen wollte. Da stellte er einen Wettstreit unter ihnen an: wer am schnellsten die Strecke vom Fuße des Berges

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_288.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)