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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

wandern und mit all den alten Gespenstern anbinden kann, ohne daß ihm Leides geschieht.

Aber wenden wir uns von diesen spukhaften Gestalten wieder der beglaubigten Wirklichkeit zu!

Der Name unserer guten Stadt kommt geschichtlich nachweisbar zuerst im Jahre 704 vor; damals hieß er „Wirziaburg“, wie auch die Geschichtsforschung heutzutage noch „Wirzburg“ schreibt. Damals saßen auf der Höhe des jetzigen Marienberges in ihrer Burg die fränkischen Herzöge. Der heilige Kilian war es, welcher gegen das Ende des 7. Jahrhunderts in den ostfränkischen Landen zuerst das Christenthum verkündete und in Würzburg den Märtyrertod fand. Nach seinem Tode fielen die Ostfranken wieder in ihr altes Heidenthum zurück, und erst um die Mitte des 8. Jahrhnnderts gelang es dem heiligen Bonifacius, das Volk gründlicher zu christianisiren. Bischofssitze wurden alsbald in Franken gegründet, unter ihnen Würzburg, wo an der sagenhaften Todesstätte des heiligen Kilian die Salvatorkirche erbaut ward, um, nachdem sie 854 vom Blitzstrahl zerstört worden war, als die jetzige Neumünsterkirche wieder zu erstehen. Die jugendliche Bischofsstadt, die sich rasch an beiden Ufern des Mainstroms ausdehnte, hatte wiederholt in ihrer Nachbarschaft das Brandroth aufflammen sehen, das von den räuberischen Zügen der Ungarn herrührte; bis hart an die Thore der Stadt drangen die übermüthigen Zerstörer. Das veranlaßte die Bischöfe, ihre Stadt stark zu befestigen. Im Schutze ihrer Mauern wuchs dieselbe nun rasch. Im 11. Jahrhundert zeichnete sie sich durch die edle Treue aus, mit welcher sie gegen Papst und Bischof zu dem unglücklichen Kaiser Heinrich IV. stand. Wiederholt kämpften damals der Kaiser und seine Gegner um die Stadt. In der Hohenstaufenzeit sah Würzburg hochwichtige Staatsaktionen in seinen Mauern sich vollziehen; hier hielten König Konrad und Friedrich Barbarossa ihre Reichstage ab; hier feierte letzterer seine Vermählung mit Beatrix von Burgund; hier wurden Konzilien abgehalten, Päpste gewählt und bestätigt. Bei einem jener Reichstage (1168) wurde von Friedrich Barbarossa dem Bischofe Herold der Besitz der fränkischen Herzogswürde bestätigt. Zu Würzburg auch war’s, wo Heinrich der Löwe vom Kaiser seiner Herrschermacht und seines Landes entsetzt ward.

Die alte Mainbrücke in Würzburg.

Im folgenden Jahrhundert ward es wieder stiller in der Stadt. Bald aber, um die Mitte des 13. Jahrhunderts, brachen böse Wirren aus. Die Würzburger Bürgerschaft empörte sich gegen die Gewalt ihrer Bischöfe, und anderthalb Jahrhunderte hindurch gab es nun Aufstände, Fehden, Schlachten und Friedensschlüsse zwischen dem Bürgerthum einerseits, den mit der Ritterschaft verbündeten Bischöfen andererseits. Schwer litt das städtische Leben unter diesen Reibungen und Kämpfen, welche erst ein Ende fanden, als im Jahre 1400 in der Schlacht bei Bergtheim die Widerstandskraft der Stadtbürger für immer gebrochen war. Kirchenbann und Reichsacht lagen während dieser trüben Zeit manchmal auf der Stadt, deren Leiden in einzelnen Jahren noch durch verheerende Hochfluthen des Mainstroms vermehrt wurden.

Noch andere Wirren traten hinzu. Denn in dem Zeitraume von 1261 bis 1391 erlebte Würzburg fünf große Judenverfolgungen. Dergleichen kam auch später noch vor. Einer kürzen Zeit der Ruhe folgten im 16. Jahrhundert neue Bedrängnisse. Die Bürgerschaft verband sich mit den aufständischen Bauern gegen den Bischof und dieser mußte fliehen. Aber die Bauern wurden durch das Heer des Schwäbischen Bundes geschlagen; daraufhin mußte auch die Stadt Würzburg sich an den Feldhauptmann Georg Truchseß ergeben.

Die Blüthezeit Würzburgs begann, als der gelehrte und staatskluge Domdechant Julius Echter von Mespelbrunn, noch nicht dreißig Jahre alt, den Würzburger Bischofssitz bestieg (1573). Dieser Fürst, welchen die Geschichte der deutschen Wissenschaft und der von ihm geleiteten Stadt mit gleichem Stolze nennen, ist ein leuchtendes Beispiel dafür, was ein einzelner Mann vermag, wenn ihm Weisheit und Stärke des Charakters gegeben sind. Daß er mit eiserner Hand die Reformation im Bannkreise seiner Herrschaft unterdrückte, begreift sich aus seiner Stellung als katholischer Reichsfürst. Daß er aber die verworrenen Finanzen des Hochstifts ordnete, den Volksunterricht durch Gründung zahlreicher Schulen in Würzburg und auf dem Lande hob, daß er die heute so blühende Würzburger Universität ins Leben rief und der leidenden Menschheit eine der segensreichsten Anstalten, sein großes Juliusspital, widmete, das verleiht seinem Andenken unvergänglichen Ruhm. Das Juliusspital, welches nicht

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_308.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)