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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


bloß für Kranke, sondern auch für Arme, für Waisen und für Obdachlose eine Zufluchtsstätte zu werden bestimmt war, erscheint für die damalige Zeit als das glänzendste Vorbild einer lediglich den menschlichen Leiden gewidmeten Hilfs- und Rettungsanstalt.

KLOSTER OBERZELL
• FABRIK v. KÖNIG & BAUER.
G. HEUER & KIRMSE X. A.      R. PÜTTNER

Schwere Zeiten kamen mit dem Dreißigjährigen Kriege. Im Jahre 1631 nahm Gustav Adolf die Stadt nach geringem Widerstande. Die Feste Marienberg ward erstürmt, unermeßliche Beute von den Schweden gemacht. Heute noch stehen in der Bibliothek zu Stockholm die Bücher aus der großartigen Würzburger Bibliothek. Drei Jahre lang ward hierauf das Bisthum ausgepreßt und gebrandschatzt. Dann blieb es verschont, bis im Jahre 1647 die Schweden zum zweiten Male erschienen, eine harte Kriegssteuer zu fordern.

Lange litten die Stadt und das ganze Bisthum unter den Nachwehen des schweren Krieges. Zwar blieb die Stadt wenigstens fortan von Kriegslasten frei; aber eine Blüthezeit wie unter Bischof Julius erlebte sie erst wieder unter Bischof Franz Ludwig von Erthal (1779 bis 1795), welcher zu den edelsten Wohlthätern, zu den rechtlichsten und weisesten Fürsten gehört, die jemals einen deutschen Herrschersitz innehatten. Mit ihm endet eigentlich die bischöfliche Zeit Würzburgs. Es folgten noch einige wilde Jahre, während welcher französische und österreichische Waffen durch Würzburg erklirrten; das Herzogthum kam erst vorübergehend, endlich 1814 durch den Wiener Kongreß dauernd an das Königreich Bayern. – Nun ist Würzburg bayerische Provinzial- Hauptstadt, Die Zeiten der bischöflichen Herrschaft sind vergangen, wenn auch nicht vergessen. Die Sonne des 19. Jahrhunderts scheint in die alten Gassen, in die stillen Höfe der Domherrenpaläste, tanzt glitzernd auf den Wellen des Mainstroms und wärmt an den Gehängen des Stroms die edlen Trauben, aus welchen Steinwein und Leistenwein gekeltert wird. Und in dieser Sonne rührt sich ein junges Geschlecht. Ein gewerbfleißiges Bürgerthum arbeitet in den Werkstätten und Kaufläden, elegante Damen spazieren zwischen den neuen Prachtbauten der Ludwigstraße; flotte Lieutenants tummeln ihre Rosse auf den Exerzierplätzen, und vor dem ehrwürdigen Universitätsbau wimmelt’s von Studenten. Denn die Universität, die Alma Julia, erfreut sich großen Ansehens, ganz besonders die medizinische Fakultät, der zwei Fünftheile von den 1000 Musensöhnen angehören. Bei allen ernsten Geschicken, welche die Stadt durchlebte, ist heute der Zug des Anmuthigen der vorherrschende; und man braucht nicht gerade ein geborener Würzburger zu sein, um Würzburg neidlos eine der schönsten und liebenswerthesten Städte des deutschen Vaterlandes zu nennen.



Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Flammenzeichen.

Roman von E. Werner.
(Fortsetzung.)


„Freust Du Dich denn über mein Kommen, Hartmut?“ fragte Willibald, noch etwas zaghaft. „Ich fürchtete beinahe, es würde Dir gar nicht recht sein.“

„Nicht recht, wenn ich Dich wiedersehe nach zehn langen Jahren?“ rief Hartmut vorwurfsvoll, und nun zog er den Freund neben sich nieder und begann zu fragen und zu erzählen und überschüttete ihn mit Herzlichkeit, so daß Willy jede Scheu verlor und auch zu der alten Vertraulichkeit zurückkehrte. Er berichtete, daß er erst seit drei Tagen in der Stadt sei und sich auf dem Wege nach Fürstenstein befinde.

„Richtig, Du bist ja Bräutigam!“ fiel Rojanow ein. „Ich hörte es schon in Rodeck, wer der künftige Schwiegersohn des Oberforstmeisters ist, und habe auch Fräulein von Schönau einmal gesehen. Laß Dir herzlich Glück wünschen!“

Willibald nahm den Glückwnnsch mit einem ganz eigenthümlichen Gesichte auf und sah zu Boden, als er halblaut entgegnete:

„Ja – eigentlich hat mich die Mama verlobt.“

„Das konnte ich mir denken,“ sagte Hartmut lachend. „Aber Du hast doch wenigstens aus freien Stücken ‚ja‘ gesagt?“

Willy antwortete nicht, er besah sich noch immer angelegentlich den Teppich, der den Boden bedeckte, und plötzlich fragte er ganz unvermittelt:

„Hartmut – wie machst Du es eigentlich, wenn Du dichtest?“

„Wie ich das mache?“ Der Gefragte unterdrückte mühsam das Lachen. „Das ist wirklich nicht leicht zu erklären, ich glaube kaum, daß ich es Dir genügend auseinandersetzen kann.“

„Ja, es ist ein schnurriger Zustand, das Dichten,“ stimmte der junge Majoratsherr mit traurigem Kopfschütteln bei. „Ich habe es auch durchgemacht, gestern abend, als ich aus dem Theater kam.“

„Was? Du hast gedichtet?“

„Und wie!“ sagte Willy mit hohem Selbstgefühl, fügte dann aber etwas kleinlaut hinzu: „Ich kann nur die Reime nicht finden, und es klingt auch ganz anders als Deine Verse. Eigentlich ist es doch nicht so recht gegangen, und da möchte ich Dich fragen, wie Du die Geschichte eigentlich anfängst. Weißt Du, es sollte nichts Großartiges und Romantisches werden wie Deine ‚Arivana‘, nur ein ganz kleines Gedicht.“

„Natürlich an ‚sie‘,“ ergänzte Hartmut.

„Ja, an ‚sie‘,“ bestätigte der junge Gutsherr mit einem tiefen Seufzer; jetzt aber lachte sein Zuhörer hell auf.

„Du bist ein Mustersohn, Willy, das muß man zugestehen! Es kommt ja vor, daß man sich auf väterlichen oder mütterlichen Befehl verlobt, aber Du verliebst Dich auch noch pflichtschuldigst in die Braut, die Dir von allerhöchster Seite zuertheilt ist, und dichtest sie sogar an.“

„Es ist ja aber nicht die Rechte!“ rief Willibald plötzlich mit einem so jammervollen Ausdruck, daß Rojanow ihn betroffen ansah. Er glaubte wirklich, es sei nicht recht richtig mit seinem Freunde, und dieser mochte selbst fühlen, daß er einen etwas sonderbaren Eindruck mache. Er begann daher eine Erklärung, aber so überstürzt und sprunghaft, daß die Sache dadurch nur noch verwickelter erschien.

„Ich habe nämlich heute morgen einen Streit gehabt mit einem unverschämten Menschen, der sich unterstand, eine junge Dame zu beleidigen, Fräulein Marietta Volkmar vom hiesigen Hoftheater, und das leide ich natürlich nicht. Ich schlug ihn gleich auf der Stelle zu Boden, und das würde ich noch einmal thun, wenn es darauf ankäme, und das thue ich überhaupt mit jedem, der Fräulein Volkmar zu nahe kommt!“

Er holte so drohend aus, daß Hartmut ihn schleunigst am Arme ergriff und festhielt.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_309.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2022)