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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Ins Riesengebirge.

Ein Wanderbild von Max Heinzel.0 Mit Zeichnungen von Olof Winkler.

Wahrhaftig, hätte ich einen Gewinn in der Lotterie gemacht, hätte mir die unliebenswürdige Fortuna endlich einmal gelächelt, ich hätte mich nicht glücklicher fühlen können als in dem Augenblick, da ich in den Bahnzug gestiegen war. Freiherr, Gebieter über meine Zeit, kein Sklave des Berufes mehr, saß ich in meiner Ecke – ein geller Pfiff, das eherne Dampfroß bewegte sich, keuchend, schwerfällig zuerst, und schnaubte dann in beflügelter Eile zum Bahnhofe hinaus, um mich nach Hirschberg zu bringen.

Nach Hirschberg – das bedeutet eine fröhliche Wanderfahrt ins Riesengebirge, den Stolz des Schlesierlandes, in Rübezahls wunderreiches, weltabgeschiedenes Revier, in die schöne, waldumrauschte Einsamkeit, wo sich der Tag so reizend verträumt, wo man das Leben, und wenn es auch nichts weiter ist als Mühsal, Arbeit und wieder Arbeit, so von Herzen lieb hat, wo man sich seiner so unendlich freut wie sonst niemals, ausgenommen mit den Kindern unter dem leuchtenden Weihnachtsbaum.

Bald hatte ich mein Ziel erreicht. Einen lachend blauen Himmel über mir, umfächelt von frischer, kräftiger Bergluft, zog ich mit einem lärmenden Touristenvölkchen in die alte, entzückend gelegene, gemüthliche Stadt ein, die sich durch die Anlage zahlreicher geschmackvoller Villen so hübsch modisch herausgeputzt und ihrem steinernen Antlitz einen freundlich ansprechenden Ausdruck verliehen hat. Ihre nächste Umgebung, so reizvoll wie nicht bald eine zweite Stadt sie aufzuweisen vermag, bietet namentlich auf dem Kavalierberge und dem Hausberge einen hochlohnenden Blick auf das liebliche Thal, das Boberkatzbachgebirge und den mächtigen Wall des Riesengebirges.

Nachdem ich lieben Freunden, die in der alten Leineweberstadt wohnen, die Hand geschüttelt, reite ich auf Schusters Rappen nach Warmbrunn (der Leser wolle von jetzt ab die Wanderung auf den Bildern unseres künstlerischen Mitarbeiters begleiten), nach dem altberühmten Bade, das ungezählten Tausenden schon das leicht verlorene, kostbare Gut der Gesundheit wieder verliehen hat. Wie sehr es einst in Blüthe stand, mag u. a. die fast märchenhaft klingende Thatsache bezeugen, daß im Jahre 1687 die Gemahlin des Königs Johann Sobieski von Polen mit einem Gefolge von 1000 Personen in dem Kurorte weilte. Nun, wer weiß, ob nicht ein neuer Glücksstern dem schönen Sudetenbade leuchtet, wenn erst die geplante Zahnradbahn, die von ihm aus nach der Schneekoppe geführt werden soll – zum Schmerze freilich mancher feinfühliger Naturschwärmer – ihre Verwirklichung gefunden hat. – Von Warmbrunn, dessen segensreiche schwefelhaltige Quellen vor kurzem um eine sehr ergiebige vermehrt worden sind, führt mich mein Weg nach Hermsdorf. Ueber diesem Dorfe erhebt sich auf gewaltigem Unterbau der Kynast, die sagenumsponnene Ruine jener berüchtigten Burg, wo so viele ritterliche Thoren, verblendet von der Schönheit eines wahnwitzigen Weibes, um die Ringmauer geritten und in den tiefen. schauerlichen „Höllenschlund“ hinabgestürzt sind. Die ziemlich mühsam zu erklimmende, melancholisch düster ins Land schauende Burg, die einst der Blitz mit seinem vernichtenden Feuer getroffen hat, gewährt eine ungemein fesselnde Aussicht von der Zinne ihres Thurmes herab.

Wir erblicken den Riesenkamm in seiner ganzen Ausdehnung; die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_339.jpg&oldid=- (Version vom 15.2.2022)