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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

und die etwa überschäumende Naturkraft sofort in Fesseln gelegt werden.

Von großer Bedeutung ist die Frage: welche Gefahren sind mit der Anwendung der Elektricität verknüpft?

Man hat zum Messen der bewegenden elektrischen Kraft als Einheit das „Volt“ (Abkürzung für Volta) angenommen. Ströme von einer geringen Anzahl Volt, etwa 40 bis 100, sind dem menschlichen Organismus unschädlich, hochgespannte Ströme dagegen von 5000 bis 10000 Volt, wie sie in Amerika zur Verwendung kommen, erweisen sich nach den dort gemachten Erfahrungen für Menschen und Thiere todbringend. In der Technik herrscht nun das Bestreben vor, mit starken Strömen zu arbeiten, und zwar aus verschiedenen Gründen, als deren hauptsächlichster die billige Herstellung der Anlagen zu nennen ist. Die Sachlage läßt sich durch folgendes Beispiel annähernd veranschaulichen: Ein Wasserstrom wird mit einem gewissen Druck durch ein Rohr von 10 Centimetern Durchmesser gepreßt, um, am Ziele angekommen, das Triebrad einer Maschine zu bewegen. Dieselbe Arbeit würde geleistet, wenn das Wasser mit doppeltem Drucke durch ein Rohr von 5 Centimeter Weite getrieben würde, in letzterem Falle erfordert aber die Anlage natürlich weniger Kosten. Aehnlich verhält es sich bei der Bewegung durch Elektricität. Ein elektrischer Strom von 1000 Volt braucht einen verhältnißmäßig dünneren Draht als ein solcher von 100 Volt, und letztere Elektricitätsmenge müßte durch eine entsprechend stärkere und dickere Leitung fließen, um dieselbe Arbeit wie jener Strom von 1000 Volt zu leisten.

Die Berliner Elektricitätswerke arbeiten im Gegensatz zu den New-Yorker Anlagen mit niedrigen Spannungen (100 bis 140 Volt); sie machen infolgedessen theurere Anlagen nothwendig, gewähren aber den vom menschlichen Standpunkte aus hoch zu veranschlagenden Vortheil, daß sie Gesundheit und Leben nicht gefährden können.

Elektrische Kabel erfordern eine mit peinlicher Sorgfalt durchgeführte und bewachte Isolirung, welche wie bekannt durch Umhüllung der Leitungsdrähte mit harzgetränkten Stoffen, Porzellanträger u. s. f. erzielt wird; eine solche Isolirung verhindert Stromverluste und macht jede schädliche oder unerwünschte Einwirkung des Stromes unmöglich. Bei tadelloser Isolirung ist auch Feuersgefahr ausgeschlossen, und jener Unglücksfall im Berliner Opernhause, wo das mit Metallfäden durchwobene Gewand einer Tänzerin durch einen elektrischen Funken in Brand gesetzt wurde, ist nur auf eine zufällige Beschädigung der Drahtumhüllung zurückzuführen. Neuerdings leitet man den Strom durch Kupferschienen, die unter dem Straßenpflaster oder den Bürgersteigen (vgl. die Abbildung S. 367) in eigens dazu angefertigten Cementkästen oder Eisenröhren liegen.

Bei den Dynamomaschinen.

Mit der Dynamomaschine ist der Ruf: „Mehr Licht!“ vollständig verstummt, denn mit ihr blitzte in den meisten Kulturländern jenes herrliche Licht auf, das unsere Bewunderung stets von neuem wachruft. Keine andere irdische Lichtquelle kann mit den elektrischen Strahlen wetteifern.

In der deutschen Hauptstadt, welche der berühmte amerikanische Elektriker Edison bei seinem Besuche im vorigen Jahre die „am besten beleuchtete Stadt“ nannte, kommen zwei elektrische Beleuchtungsarten zur Anwendung: die nach dem Beispiele Edisons hergestellte Glühlampe und die Bogenlampe. Die Glühlampe besteht aus einer luftleeren Glaskugel, in welcher sich ein dünner gewundener Kohlenfaden befindet. Der elektrische Strom drängt sich, einen großen Widerstand überwindend, mit verstärkter Gewalt hindurch und versetzt den Faden in glühenden Zustand. Das hierdurch erzeugte Licht hat eine goldene, wohlthuende Färbung, es ist milde, gleichmäßig und erfüllt seinen Beruf überall da, wo dem Auge die Aufgabe gestellt wird, scharf zu sehen und zu unterscheiden. Deshalb hat sich das Glühlicht in Schreibstuben, Lesezimmern, am Familientische und in Räumen, wo feinere technische Arbeiten angefertigt werden, schnell eingebürgert und beliebt gemacht.

Da die Edisonlampen in jeder Stellung gleichmäßig wirken, so erblicken wir sie in den mannigfachsten künstlerisch ersonnenen Formen als Blüthen, Früchte, Kelche, Guirlanden, Bouquetts etc., dem Auge stets Entzücken, Behagen und Freude bereitend. Daß sich die Theater solche Wirkungen nicht entgehen lassen, braucht wohl kaum gesagt zu werden.

Eine andere Beleuchtungsart hat unser Künstler durch die Zeichnung der Berliner Schloßbrücke veranschaulicht. Welch ein Fortschritt von der öltriefenden, traurig flackernden Straßenlaterne bis zu der sonnenhaften Klarheit der Bogenlicht-Lampen! Bei diesen wird der elektrische Strom durch zwei senkrecht übereinander stehende, sich fast berührende Kohlenstäbe geführt; die Luftschicht zwischen den Spitzen setzt dem Durchgang großen Widerstand entgegen, sodaß der Strom unter starker Wärmeentwickelung einen Bogen bildet und die Enden der Leiter in weißglühenden Zustand versetzt. Dieses sonnengleiche Licht eignet sich vortrefflich zur Beleuchtung von Plätzen, Straßen, Brücken, Hafenanlagen, Fabriksälen, Unterrichtsräumen, Theatern, Bahnhöfen, Markthallen, Schlachthöfen etc. Einen besonderen Vortheil gewährt es dadurch, daß es alle Farben unverändert wie bei Tageslicht erscheinen läßt. Die Pflege dieser Lampen beschränkt sich auf die tägliche Erneuerung der Spitzen, bez. der ganzen Kohlenstäbe, eine von jedermann leicht zu erlernende Arbeit. Schwieriger ist die Behandlung der allerdings viele Monate ausdauernden Glühlampen, da die verbrauchten Kohlenfäden nur von technisch geschulten Kräften ersetzt werden können.

Zu den schon geschilderten Vorzügen des elektrischen Lichtes treten noch andere wichtige Umstände hinzu: es entwickelt keine Kohlensäure, verschlechtert nicht die Luft und schont die Athmungsorgane, während Gas, Kerzen, Petroleum und Oellampen lästig und schädlich sind. Das elektrische Licht erzeugt auch weniger Wärme, doch darf dieser Vorzug nicht überschätzt werden, denn die von der Edisonlampe ausströmende Wärme ist recht fühlbar, wenn sie auch hinter derjenigen zurückbleibt, welche von einer Gasflamme verbreitet wird. Obgleich die letztere stündlich nur 2 Pfennig kostet, so wird sie doch von dem elektrischen Licht, das jetzt mit etwa 31/2 Pfennig berechnet wird, allmählich verdrängt werden, um so sicherer, als die Verwaltung der Berliner Elektricitätswerke das Bestreben zeigt, die Preise möglichst herabzusetzen.

Berlin hat bis jetzt fünf Centralstationen (Markgrafenstraße,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_366.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)