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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

siehst wenigstens, daß ich auch einmal Ja sagen kann, wenn ich sehe, daß das ganze Glück meines Jungen daran hängt.“

Der Oberforstmeister besann sich nach einen Augenblick, dann aber ergriff er die aufs neue dargebotene Hand und drückte sie herzhaft.

„Das sehe ich,“ bestätigte er. „Und nun gewöhnst Du Dir vielleicht das verwünschte Neinsagen ganz ab, Regine – auch in einem anderen Punkte!“




In dem Adelsbergschen Palais, im Arbeitszimmer des Fürsten, stand der Schloßverwalter von Rodeck, der nach der Stadt berufen war, um vor der Abreise seines jungen Herrn noch verschiedene Befehle und Weisungen entgegenzunehmen. Egon, der bereits die Uniform seines Regimentes trug, hatte noch mündlich allerlei Anordnungen getroffen und entließ jetzt den Alten.

„Und nun halte mir das alte Waldnest brav in Ordnung wie bisher,“ schloß er. „Es ist möglich, daß ich noch einmal auf einige Stunden nach Rodeck komme, ich glaube es aber kaum, denn der Befehl zum Abmarsch kann jeden Tag erfolgen. Wie gefalle ich Dir denn eigentlich als Soldat?“

Er stand auf und richtete sich zu seiner ganzen Höhe empor, die schlanke, jugendliche Gestalt sah in der Lieutenantsuniform vortrefflich aus, und Stadinger musterte sie mit bewundernden Blicken.

„Ganz prächtig!“ versicherte er. „Es ist eigentlich schade, daß Durchlaucht nicht von Berufs wegen Soldat sind!“

„Meinst Du? Nun, trotzdem bin ich doch jetzt mit Leib und Seele dabei. Der Dienst im Felde wird freilich hart sein, und ich werde mich erst daran gewöhnen müssen; aber es schadet nichts, wenn man sich auch einmal im Bann einer strengen Pflicht weiß.“

„Nein. Durchlaucht, bei Ihnen schadet das nun schon gar nichts,“ meinte Stadinger mit seiner entsetzlichen Aufrichtigkeit. „Wenn Durchlaucht so jahrelang im Orient herumziehen mit einer großen Seeschlange und einer ganzen Herde von Elefanten, oder wenn Sie in Ostende dem allerhöchsten Hof durchgehen, weil Sie durchaus nicht heirathen wollen, dabei kommt doch nichts weiter heraus als –“

„Als Dummheiten!“ ergänzte der junge Fürst verständnißvoll. „Stadinger, eines werde ich im Felde schwer vermissen – Deine unendliche Grobheit! Du willst mir noch eine letzte Moralpredigt halten, ich sehe es an Deinem Gesicht, erspare mir das und grüße mir lieber die Zenz, wenn Du heimkommst. Sie ist doch jetzt in Rodeck?“

„Ja, Durchlaucht, jetzt ist sie da!“ erklärte der Alte mit scharfer Betonung.

„Natürlich, weil ich nach Frankreich marschire! Aber gieb Dich nur zufrieden, ich werde als ein wahres Muster von Vernunft und Tugend zurückkommen, und dann – dann heirathe ich auch.“

„Wirklich?“ rief Stadinger freudig überrascht. „Wie wird sich der allerhöchste Hof freuen!“

„Es kommt darauf an!“ spottete Egon. „Möglicherweise jage ich den allerhöchsten Hof in Entsetzen mit meiner Verlobung und ziehe meiner allergnädigsten Tante Sophie Krämpfe damit zu. Sieh nicht so dumm drein, Stadinger, Du begreifst das doch nicht; aber ich erlaube Dir ausdrücklich, Dir während des ganzen Feldzuges den Kopf darüber zu zerbrechen. Doch nun geh’, und wenn wir uns nicht wiedersehen sollten – bewahre Deinem Herrn ein gutes Andenken!“

Stadinger legte sein Gesicht in die allergrimmigsten Falten, um die aufsteigenden Thränen zu verbergen, aber das gelang ihm nicht.

„Wie können Durchlaucht nur so reden!“ brummte er. „Soll ich alter Mann etwa allein auf der Welt bleiben und Sie nicht mehr sehen, so jung, so schön und so lebenslustig? Das überlebte ich nicht!“

„Und ich habe Dich doch rechtschaffen geärgert, mein alter Waldgeist!“ sagte der junge Fürst, ihm die Hand reichend. „Aber Du hast recht, man muß an den Sieg und nicht an den Tod denken, und wenn beide zusammenkommen, dann ist das Sterben auch nicht schwer.“

Der Alte beugte sich auf die Hand seines Herrn nieder und eine Thräne fiel darauf.

„Ich wollte, ich könnte mit!“ sagte er halblaut.

„Das glaube ich,“ lachte Egon, „und Du würdest Dich gar nicht schlecht ausnehmen als Soldat trotz Deiner eisgrauen Haare. Aber jetzt haben wir Jungen anzutreten und Ihr Alten bleibt zu Haus. Leb’ wohl, Stadinger!“ – er schüttelte ihm herzlich die Hand – „ich glaube gar, Du weinst? Du solltest Dich schämen! Fort mit den Thränen und den trüben Ahnungen! Du wirst mir noch manchmal den Text lesen!“

„Das gebe Gott!“ seufzte Peter Stadinger aus Herzensgrunde. Er blickte noch einmal mit nassen Augen in das jugendliche, lebensprühende Antlitz, das ihm so heiter und siegesgewiß zulächelte; dann ging er traurig mit gesenktem Kopfe. Er fühlte es doch jetzt erst ganz, wie sehr ihm seine junge Durchlaucht ans Herz gewachsen war.

Der Fürst warf einen Blick auf die Uhr. Er mußte zu einem seiner Vorgesetzten, sah aber jetzt, daß fast noch eine Stunde an der bestimmten Zeit fehlte, und so griff er denn nach den Zeitungen und vertiefte sich in die neuesten Depeschen und Berichte.

Da ließ sich ein rascher, lauter Schritt im Nebenzimmer hören; Egon sah erstaunt auf: so pflegten die Diener nicht aufzutreten, und Besuche wurden ja stets gemeldet. Dieser Besuch bedurfte freilich keiner Anmeldung, das wußte die ganze Dienerschaft, ihm sprangen alle Thüren auf im Hause des Fürsten Adelsberg.

„Hartmut! Du bist es!“

Egon stürzte in freudiger Ueberraschung dem Eintretenden entgegen und warf sich an seine Brust.

„Du bist wieder in Deutschland und ich habe keine Ahnung davon? Du Böser, der mich zwei volle Monate lang ohne Nachricht ließ! Kommst Du, um mir Lebewohl zu sagen?“

Hartmut hatte weder die Begrüßung noch die stürmische Umarmung erwidert, stumm und finster ließ er beides über sich ergehen, und als er endlich sprach, verrieth auch sein Ton nichts von der Freude des Wiedersehens.

„Ich komme geradeswegs vom Bahnhof. Ich hoffte kaum, Dich noch zu finden, und doch hängt für mich alles daran.“

„Aber weshalb hast Du mir denn nicht Dein Kommen gemeldet? Ich schrieb Dir ja unmittelbar nach der Kriegserklärung! Du warst doch damals noch in Sicilien?“

„Nein, ich reiste ab, als der Krieg unvermeidlich zu werden schien, und habe Deinen Brief nicht mehr erhalten – ich bin seit acht Tagen in Deutschland.“

„Und erst jetzt kommst Du zu mir?“ fragte Egon vorwurfsvoll.

Rojanow beachtete den Vorwurf nicht, sein Auge haftete auf der Uniform des Freundes, und es lag etwas wie verzehrender Neid in diesem Blick.

„Du stehst bereits im Dienst, wie ich sehe,“ sagte er hastig. „Ich beabsichtige gleichfalls, in die deutsche Armee einzutreten.“

Egon mochte alles andere eher erwartet haben als eine solche Eröffnung. In grenzenloser Ueberraschung trat er einen Schritt zurück.

„In die deutsche Armee? Du, der Rumäne?“

„Ja, und deshalb komme ich zu Dir; Du wirst mir den Eintritt ermöglichen!“

„Ich?“ fragte der Fürst, dessen Verwunderung immer höher stieg. „Ich bin ja jetzt nichts weiter als ein junger Offizier! Wenn es Dir wirklich Ernst ist mit diesem seltsamen Vorhaben, mußt Du Dich an eine der zuständigen Kommandostellen wenden.“

„Das habe ich ja bereits gethan an verschiedenen Orten, sogar in Eurem Nachbarstaate habe ich es versucht, aber man will einen Fremden nicht aufnehmen. Man fordert alle möglichen Papiere und Ausweise, die ich nicht besitze, und quält mich mit endlosem Fragen und Forschen, überall tritt mir Argwohn und Mißtrauen entgegen, niemand will meinen Entschluß begreifen.“

„Offen gestanden, Hartmut, ich begreife ihn auch nicht,“ sagte Egon ernst. „Du hast stets eine tiefe Abneigung gegen Deutschland zur Schau getragen, Du bist der Sohn eines Landes, dessen höhere Kreise nur französische Bildung und Sitten kennen, das mit all seinen Neigungen ausschließlich auf seiten Frankreichs steht, da ist das Mißtrauen bei Fremden doch wohl erklärlich. Aber warum wendest Du Dich nicht an den Herzog persönlich, um Deinen Wunsch durchzusetzen? Du weißt, wie sehr er für

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_379.jpg&oldid=- (Version vom 27.1.2024)