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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

hat. Tritt man aus dem Schatten des Waldes heraus, so führt der Pfad anfänglich vielleicht 30 Meter dem Stamme eines großen Baumes entlang, wendet sich dann im rechten Winkel einen Meter längs eines starken Astes und führt darauf einige Schritte über den Erdboden, bis man vor einem gefällten dicken Baume von 1 Meter Durchmesser steht, über den man hinwegklettern muß, um sich im nächsten Augenblicke dem ausgedehnten Geäst eines weiteren Baumriesen gegenüber zu finden, durch welches man kriechen, gleiten und sich winden muß, um festen Fuß auf einem Zweige zu bekommen. Aus dem Geäst gelangt man auf den Stamm, worauf man eine halbe Wendung nach rechts macht, dem an Stärke zunehmenden Baum entlang geht, bis man einen auf und über den ersten hinweg gefallenen Stamm zu erklettern hat, dem man nach einer halben Wendung nach links aufwärts folgt, bis man die Höhe von 6 Metern über dem Erdboden erreicht hat.

Gefangener Zwerg.

Zwischen dem Geäste in dieser Höhe muß man vorsichtig, kaltblütig, überlegt und nervenstark sein. Unter mißlichem, gefährlichem Balanciren setzt man den Fuß auf einen Zweig und steigt dann vorsichtig von der steilen Höhe herab, bis man etwa 2 Meter vom Erdboden ist, von wo man wieder auf einen andern allmählich dünner werdenden Ast springt, um ihn bis zur Höhe von 6 Metern zu verfolgen. Darauf geht es wieder über einen Baumriesen, dann nach dem Erdboden hinab und auf diese Weise stundenlang weiter in der heißen brennenden Sonne und der dumpfen, dunstgefüllten Atmosphäre der Lichtung, bis der Schweiß in Strömen aus den Poren fließt. Dreimal bin ich bei diesen schrecklichen gymnastischen Uebungen nur mit genauer Noth dem Tode entgangen. Ein Mann blieb nach dem Falle auf der Stelle todt, mehrere andere erhielten fürchterliche Verletzungen. Und doch ist der Uebergang über den Verhau für den fast nackten Fuß nicht so gefährlich wie für den Stiefel, namentlich am frühen Morgen, wenn der Thon noch nicht getrocknet ist, und nach einem Regenguß oder wenn die Vorhut die Stämme mit schmierigem Thon beschmutzt hat. Ich bin innerhalb einer Stunde sechsmal gefallen. – Das Dorf steht im Mittelpunkt der Lichtung. Wir haben uns oft, wenn wir zu der Zeit, um welche wir das Lager aufzuschlagen pflegten an einer Lichtung eintrafen, beglückwünscht, dann aber oft noch anderthalb Stunden gebraucht, um das Dorf zu erreichen. Es ist ein seltsamer Anblick, eine mit schweren Lasten beladene Karawane über dieses Wrack eines Waldes, über die mit Stämmen bedeckte Lichtung und die Flüsse, Moräste, Wasserzüge und Gräben schreiten zu sehen, die oft 6 bis 7 Meter unter einem zu passirenden dünnen, nur 15 Centimeter starken, gleichsam eine Brücke bildenden glatten Baum liegen, von dem die Rinde herabgefallen ist. Einige Leute stürzen, andere taumeln, einer oder zwei sind bereits gefallen, einige befinden sich in der Höhe von 6 Metern, andere kriechen auf dem Erdboden unter den Bäumen hindurch; viele dringen durch ein Gewirr von Aesten, dreißig Mann oder mehr stehen auf einem einzigen geraden, dünnen Stamm, etliche sind wie Schildwachen auf einen Zweig postirt und wissen nicht, wohin sie sich wenden sollen. Alles das wird aber noch viel beschwerlicher und viel gefährlicher, wenn aus hundert Richtungen die todbringenden Pfeile der im Hinterhalt verborgenen Eingeborenen herumfliegen, die, Gott sei Dank, nicht sehr zahlreich waren. Wir waren so vorsichtig, daß dies nicht oft vorkam, obwohl wir selten eine dieser schrecklichen Lichtungen haben verlassen können, ohne daß diesem oder jenem der Fuß durch ein spitzes Holzstück verletzt oder der eine oder andere gelähmt worden war.“

Die Zwerge im Vergleich zu Casatis Diener Okili.
Nach einer am Albertsee aufgenommenen Photographie.

In dem Distrikt Ibwiri erreichte die Karawane zunächst die Grenze der Verwüstungen der Manjema und fand reichliche Lebensmittel. Gestärkt trat sie den Weitermarsch an und stand bald darauf auf der Spitze eines Berges, von dem sie über das grüne Dach des grausamen Waldes nach dem Graslande, den gesegneten Weiden von Aequatoria, hinüberblickte. Frohen Muthes stiegen alle von dem Berge Pisgah ins Thal, in einigen Tagen mußte ihre bittere Noth ein Ende erreichen, und wahrlich, am 5. Dezember stießen sie auf ein Dorf mit runden Hütten, deren spitze Dächer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 433. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_433.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)